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Christer Bothén

»Christer Bothén Donso n’goni«

Black Truffle

Ein achtzigjähriger Schwede, eigentlich Jazz-Musiker, spielt ein afrikanisches Instrument namens Donso n’goni, das vom Klang und der Optik her ein wenig an die vielleicht eher bekannte Kora erinnert. Warum macht er das? Weil man es ihm erlaubt und dann ermöglicht hat, sagen die Produktionsnotizen zum Album. Eigentlich sei das Erlernen und Spielen des Instruments lediglich ausgewählten Mitgliedern der indigenen Bevölkerung vorbehalten, aber persönliche Kontakte, zustandegekommen durch Reisen in die entsprechende Region Afrikas, haben Christer Bothén das Erlernen des Instruments ermöglicht. Anfang der 1970er-Jahre war das bereits – also das Reisen und Erlernen. Wie er das Instrument im Ensemble spielt, kann man dann zum Beispiel schon auf Don Cherrys »Organic Music Society« von 1972 hören. Soloaufnahmen mit der Donso n’goni hatte Bothén aber bisher keine veröffentlicht, jetzt liegen welche vor. Hat die Welt darauf gewartet und nach welchen Maßstäben soll das beurteilt werden? Tja, ich sage mal so, wer Musik macht und sich sein Leben lang interessiert an anderen musikalischen Traditionen und offen für Dialog und Austausch zeigt, der schießt wenigstens keine Leute über den Haufen und kann seiner Zuhörerschaft die Ohren öffnen und den Horizont erweitern. Es gibt Schlimmeres! Im Jazz hat das ja auch eine gute Tradition. Von Don Cherry hatten wir es schon, ich denke etwa an die Reisen von Sun Ra nach Ägypten, wo er Hartmut Geerken traf, auch so ein freundlicher und weitgereister Freak, der leider schon verstorben ist. Michael Ranta, noch so einer, oder Stephan Micus, Christian Burchard (Embryo) oder Limpe Fuchs. Leute, die, und das ist sicher auch typisch für ihre Generation, geboren während des Zweiten Weltkriegs oder kurz danach, als Musiker*innen und – wichtig! – Europäer*innen der Welt nicht mit vorgehaltener Waffe begegnen wollten. Leute, für die Reisen und Musikmachen Ausdruck einer neugierigen Suchbewegung sind. Gesucht wird wohl beides, das Fremde und das Verbindende darin. Sie sind zuhause in der Musik und überall dort, wo Musik gemacht wird – und es gibt eben nur einen »blauen Planeten«, um den sich alle irgendwie verantwortlich kümmern können, wenn sie wollen. Ich zitiere hier nicht zufällig aus »Die Grenzen des Wachstums« von 1972. In dieser prophetischen Schrift wird der sogenannten Nachhaltigkeit schon früh das Wort geredet und die ökologische Katastrophe, die seither täglich weniger abwendbar wird, bereits beschrieben. Musiker*innen, die in den frühen 1970er-Jahren in experimentellen musikalischen Feldern unterwegs waren, haben diese Veröffentlichung in den alternativen Milieus ihrer Zeit wahrgenommen und leben nicht selten noch immer mit diesen im Prinzip nicht falschen Überzeugungen. Dass rechte Gruppierungen sich heute der Ökologiefragen und der berechtigten Sorge um Frieden annehmen – eine postmoderne Perversion mehr. Davon muss man sich nicht dumm machen lassen. Man muss aber genau hingucken und hinhören, wer wes Geistes Kind ist. Alles kompliziert. Außerdem sind wir vom Thema abgekommen bzw. kann man sagen: Das gehört dazu, wenn man sich fragt, warum spielt der alte Schwede dieses Instrument, warum soll ich mir das anhören und was hat das überhaupt für eine Bedeutung oder gar Relevanz? Ja, ich weiß, oft rufen solche Gedanken und Veröffentlichungen Erinnerungen an Umsonst-und-draußen-Festivals wach, wo der Dritte-Welt-Laden bunte Tücher und anderen handbemalten Quatsch feilbietet, der süßliche Duft von Räucherstäbchen in der Morgenluft hängt, sich mit dem Aroma von Fair-Trade-Kaffee mischt und irgendwo ein paar bekiffte Schnarchnasen auf Didgeridoo und Cajon Krach schlagen. Ich kriege auch Kopfschmerzen beim Gedanken an solche Anlässe für Kolonialismus mit freundlichem Gesicht zur Beruhigung des schlechten westlichen Gewissens. Aber die ursprüngliche Idee dahinter ist nicht grundsätzlich falsch. Besser machen kann man das immer. So wie Christer Bothén zum Beispiel.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
24.09.2025

Schlagwörter

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