worried
Cameron Knowler

»CRK«

Worried Songs

Wieder so eine Platte mit feinster instrumentaler Gitarrenmusik (und hier und da ein paar zusätzlichen Instrumenten). Die Geste des Gourmets durchhaltend, könnte ich versuchen, das Review im Jargon des Restaurantführers zu schreiben. Aber die Fingerübungen überlasse ich den Musiker*innen. Haarsträubende Überleitung. Egal, zurück zur Sache. Cameron Knowlers neues Album ist sein zweites Soloalbum und der noch verhältnismäßig junge Mann erscheint sozusagen als frühvollendet, wenn man sich anhört, wie versiert er in der Bedienung seines Instruments verfährt, wie er mit wenigen Tönen Stimmung hervorzubringen vermag, Geschichten andeutet, kurz: sein Publikum auf eine Reise mitnimmt. Die führt nach Hause; autobiographisch ist die vorliegende Arbeit zu verstehen, eine Aufarbeitung der Erfahrung des Aufwachsens in der ländlichen Umgebung Yumas im Bundesstaat Arizona. Entsprechend rustikal muten die Aufnahmen an. Country, Folk, Blues … Wurzelmusik, »Rural Guitar« nennt der Musiker es selbst. Impressionistische Meditationen über räumliche Weite, geistige Enge, zurückgezogene Existenz und allerlei Alltagsgegenstände zum Behelf der Bewältigung des randständigen Lebens: Rein in den Pick-up, Viertelstunde die staubige Straße runter zum Gemischtwarenladen, ohne Kojoten oder Kleintiere zu überfahren, rein in den Laden, Schwätzchen mit dem Eigentümer, ggf. eine Zigarette dazu und ein kaltes Bier, Einkäufe erledigen, alles auf der Heckablage verstauen und wieder zurück. Die Sonne brennt auf die trostlose Existenz herunter und verblendet den Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. »No one here gets out alive«, es sei denn man schnappt sich die Gitarre und sucht sein Glück jenseits der beschriebenen Tristesse, wie es Cameron Knowler gemacht hat. »CRK« erscheint über Worried Songs, das Label hat kürzlich die ebenfalls hier besprochene Platte von Dylan Golden Aycock veröffentlicht und beide Alben können gut, auch in der musikalischen Nachbarschaft zum von mir wiederholt herbeizitierten Bruce Langhorne, nebeneinanderstehen. Sie gleichen sich auch in ihrer thematischen Rahmung, der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit und Gegenwart, die immer auch eine Reflexion auf die »typisch amerikanischen Mythen«, das historische Panorama miteinschließt. Traurige Tropen. Amerika, »the land of the free and the home of the brave«, wird gerade vor den Augen einer ungläubig staunenden Weltöffentlichkeit mit beispielloser Rücksichtslosigkeit demontiert und wie groß der Schaden am Ende sein wird, ist noch nicht abzusehen. Mit dem Schlimmsten muss leider gerechnet werden, was immer das heißen mag. Cameron Knowler sitzt, den Blick in die Kamera und auf sein Gegenüber gewandt, auf einem Stein und scheint sich und mich zu fragen, wie es so weit hat kommen können und von hier aus weitergeht? Ich weiß es auch nicht. »This machine kills fascists«, stand bekanntlich auf Woody Guthries Gitarre. Ich bin mir nicht sicher, ob eine Gitarre das hinreichende Instrument ist, aber auf geeignete Weise wird man dem um sich greifenden Wahnsinn hoffentlich noch Einhalt gebieten können. 

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
17.04.2025

Schlagwörter

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