bridget
Bridget Hayden and the Apparitions

»Cold Blows the Rain«

Basin Rock

In Irland und England gibt es eine reiche Folk-/Psych-Folk-/Folk-Rock-Tradition, angefangen bei Shirley Collins (später auch zusammen mit der Albion Country Band), Pentangle, The Incredible String Band und Fairport Convention über Steeleye Span und Clannad bis hin zu jüngeren Formationen wie Lankum, The Shoveldance Collective oder Landless. Seit über zwanzig Jahren treiben auch The United Bible Studies ihr Unwesen, um die ist es aber augenblicklich seltsam ruhig. Wie dem auch sei, in diese lose und natürlich unvollständige Reihe kann Bridget Hayden gestellt werden, die nicht immer oder ausschließlich Folk Music spielt, denn in der Vergangenheit trat sie auch als Mitglied des Vibracathedral Orchestra in Erscheinung, wo sie ebenso improvisierten wie inspirierten Krach machte. Auf »Cold Blows the Rain« singt sie Traditionals, und die Instrumentierung der Lieder ist so spärlich wie die Atmosphäre der Lieder düster und melancholisch. Die englische Sprache hält für solche Stimmungen das schöne Adjektiv »gloomy« bereit, und wenn Bridget Hayden mit ihrer Stimme ansetzt und verlorene Liebe herbeisehnt oder andere Entbehrungen beklagt, dann kann man sie sich in einem nordenglischen Cottage, karg möbliert und schwach ausgeleuchtet, am Tisch sitzend oder am Fenster stehend, vorstellen. Draußen ist es neblig oder verregnet, drinnen hängt die Wäsche klamm in der Nähe des Ofens und wird ich weiß nicht wann vielleicht trocken sein. Gegen die Gewissheit von Mangel und allgemein eher geringe Erwartungen setzt sie leise seufzend und vor sich hin summend die Hoffnung, ihr Schicksal möge sich, und sei es nur für flüchtige Momente, zum Besseren hinwenden. Der Trostlosigkeit gegenüber findet sie Trost in alten Liedern. Jetzt läge es nahe, in diesen überlieferten ästhetischen Formen und Inhalten zur Bewältigung von Kummer eine nostalgische, von der Gegenwart abgekehrte Geste zu erkennen. Das wäre arg kurz gedacht. Die Bestände und der Fortbestand der »Songbooks«, die Pflege und Aktualität dieser musikalischen Traditionen über Generationen hinweg, verweisen auf die mehr oder weniger unveränderte Conditio humana, die menschliche Erfahrung des in der Welt (alleine und mit anderen) Seins. Ob »my love« mich wegen einer Jüngeren hat sitzen lassen und gerade zur Tür raus ist oder ob sie gar nicht mehr persönlich vorbeigekommen ist und mir per WhatsApp-Nachricht den Laufpass gegeben hat – traurig bin ich so oder so. Und der Kummer und die Sorge finden ihren Ausdruck in Liedern, die seit Jahrhunderten so schlicht vorgetragen werden können, wie sie ihre tröstende Wirkung nicht einbüßen. Das soll nicht heißen, dass die hier angerissenen Themen nicht auch in moderneren musikalischen Formen zum Ausdruck kommen können, das ist aber lediglich eine Geschmacksfrage, in der Umsetzung wie in der Rezeption. Apropos Rezeption, kleine Abschweifung zum Ende hin, der erste Blick auf die Gestaltung des Covers von »Cold Blows the Rain« warf mir die Frage auf: »What is this that stands before me?« Black Sabbath, da regnet es auch zu Beginn, auch Nordengland, passt also. Beides »very british« und »very good«.

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