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Blood Specter

»Farewell«

Fucking Kill Records

Kürzlich erschien das neue Album der italienischen Messa, deren Musik sich vor allem durch zwei Merkmale auszeichnet: Schwere, dunkle Riffs und, darüber liegend, ein heller und ausdrucksstarker weiblicher Gesang. In der Entfaltung des Dramas zwischen niederziehender und zerschmetternder
Instrumentierung (Untergang, Dunkelheit!) und aufstrebenden, sehnsüchtigen Vocals (Erlösung, Licht!) liegt das Betriebsgeheimnis des gesamten Genres Doom Metal begründet. Auch in den Präsentationsformen jenseits der Musik findet sich diese Dynamik wieder, beispielsweise bei Klassikern wie »Nightfall« von Candlemass, die unter anderem Malereien des britisch-amerikanischen Künstlers Thomas Cole zur Illustration ihrer Musik nutzten. Romantisch grundierte Ansichten, Bilder, die sich nicht selten durch einen starken Kontrast von Licht und Dunkel auszeichnen (Coles allegorischer Zyklus »The Course of Empire« inspirierte etwa die bayrischen Atlantean Kodex zum Titel ihres letzten Albums). In diesem ästhetischen wie historischen Umfeld sind auch Blood Specter zuhause. Sie sitzen irgendwo in der ostwestfälischen Provinz (Dunkelheit!), aber mit ihren Gedanken sind sie ganz woanders: im Paradies oder – besser noch! – in Walhalla; wenigstens aber einmal im Jahr beim »Hammer of Doom«-Festival in Würzburg (Licht!) oder auf dem »Keep It True« in Lauda-Königshofen (noch mehr Licht!). Doom Metal ist ein der Welt abgewandtes musikalisches Genre – nicht umsonst titelt das Debütalbum von Blood Specter »Farewell« – und die Abschiedsszene, die das Artwork des Albums ziert, muss mitnichten ausschließlich mit Trauer assoziiert werden, denn wer da begraben liegt hat es andernorts besser, so zumindest die Hoffnung. Zu beklagen ist eigentlich, wer zurückbleibt, im durch Mühsal geprägten Diesseits, im Jammertal. Ich lege mir das an dieser Stelle alles so zurecht, um einerseits nicht bloß darauf herumzureiten, dass durch den weiblichen Gesang natürlich der Vergleich von Blood Specter zu Jex Thoth und den bereits erwähnten Messa naheliegt, andererseits geht die Rechnung auch nur mit Verweis auf Bands wie Candlemass, Trouble oder St. Vitus auf. Wichtiger aber: Was bedeutet Doom Metal? Jenseits des Wiederkäuens von genretypischen Konventionen und Traditionen ist er als Ausdrucksform ein kultur-theoretisch stark aufgeladenes, mehrfach codiertes und beziehungsreiches Feld. Das gilt natürlich für Kunst im Allgemeinen, ich sage das trotzdem nochmal, weil ja auch vergessen werden kann, dass jede ästhetische Produktion als menschliche Bewältigungsstrategie, als Medium der Reflexion und Erfahrung von Gegenwart in Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Zukunft auch ein Ausdruck von (enttäuschten) Erwartungen und (aufgegebenen) Hoffnungen ist. Es geht buchstäblich um Leben und Tod – im Doom Metal auf spezifische Art und Weise (schwere Riffs, ausdrucksstarker Gesang!) aber nichtsdestotrotz mit dieser existenziellen und universellen Tragweite (Dunkelheit, Licht!). Vor diesem Panorama betrachtet, stehen Blood Specter mit ihrem Debütalbum gut da und müssen sich weder hinter Messa noch Candlemass verstecken, auch wenn sie natürlich erst am Anfang sind. Mal sehen, wohin ihr Weg sie noch führen wird.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
07.05.2025

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