Bladee, mit bürgerlichem Namen Benjamin Reichwald, ist ein Künstler voller Facetten. Mit nur 11 Jahren kam er zur Musik und gründete die Punk-Band Krossad mit seinem Freund und langjährigen Kollaborateur Zak Tor Adebanwo Sten Arogundade Gaterud (Ecco2k). Die früh entdeckte Leidenschaft für Musik hielt fortwährend an und motivierte ihn auch nach seiner Schulzeit zu Produktionen – anfangs unter dem Künstlernamen Ken Burnz, ab dem Jahr 2012 schließlich als Bladee. Seine Punk-Attitüde behielt Reichwald noch mit 16 Jahren bei, wenn auch als unterschwellige Nuance seiner avantgardistischen Cloudrap-Arrangements. Frühe Veröffentlichungen wie »Tony Hawk« und »Always High« zeichnen sich aus durch überladene Beats, melancholische Samples und konfuse Adlibs. Ecco2k ist auf diesen Titeln noch als Malcom Sex genannt, änderte seinen Künstlernamen jedoch ebenfalls im Jahr 2012.
Im Jahr 2013 gründeten Bladee und Ecco2k gemeinsam mit ihren Kindheitsfreunden Thaiboy Digital (Thanapat Bunleang) und Whitearmor (Ludwig Tomas Walther Rosenberg) die Gravity Boys, aus denen später das Kollektiv Drain Gang wurde. »Drain« steht für Verbrauch, im gleichsam negativen wie positiven Sinne. Sich abzunutzen, kann ein selbstzerstörerischer Akt sein; für die Künstler stellt er jedoch einen notwendigen Schritt zur Selbstentfaltung dar. Mit wehmütigen, von Autotune verzerrten Lyrics auf kristallenen Beats voll hoher Synth-Layer begründete Bladee eine neue, emotionale Ära des Rap. Eine Welle, die in Kooperation zwischen Drain Gang und Yung Leans Sad Boys immense Schlagkraft bewies. Was Lil B und Chief Keef in den USA etablierten, wurde von Drain Gang und Sad Boys nach Europa importiert und personalisiert. Mit Features auf Leans »Unknown Death 2002«, den Solo-Singles »Into Dust« und »Dragonfly« sowie dem 2014 erschienenen Mixtape »Gluee« trug Bladee maßgeblich zum Sound seiner Zeit bei und ließ bereits am Anfang seiner Rap-Karriere den Underground-Legendenstatus anmerken, der ihm später zuteilwerden würde.
You don’t know me, you know of me
Der Hype um die schwedischen Rapper nahm rasch Dimensionen an, die über lokale Bekanntheit hinausgingen. Auf Yung Leans erster Tour durch die USA supportete Drain Gang einige Auftritte, Bladee war für Live-Adlibs zuständig. Lean und Bladee bewohnten außerdem das Haus von Leans US-Manager Barron Machat in Miami. Zu dieser Zeit, im Frühjahr 2015, schlugen der schnelle Erfolg im jungen Alter und die damit einhergehenden Möglichkeiten um in einen Lifestyle voll Drogen und Exzess. Seinen tragischen Höhepunkt fand dieses Kapitel in einem psychotischen Anfall Leans, woraufhin ihn Bladee ins Spital einweisen ließ, und dem kurz darauf folgenden Tod Machats, der bei einem Autounfall unter Drogeneinfluss ums Leben kam. Schicksalsschläge, die bei Bladee eine posttraumatische Belastungsstörung hinterließen. Er verließ Miami, nahm einen Fabrikjob in Stockholm an und verarbeitete die Erlebnisse in düsteren und zynischen Tonträgern. Sein Debütalbum »Eversince«, das ein Jahr nach Machats Tod erschien, wird dominiert von Lyrics über Depressionen, Angstzustände und Morbidität. Es sind Themen, die Bladees Diskografie noch lange bestimmen sollten. Unterstrichen wird das bedrückende musikalische Werk von selbstgefertigten Covers und stakkatoartig geschnittenen Musikvideos. Der Dark Angel nutzt jegliche kreativen Ventile, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen und ihn erträglicher zu machen.
Eine Wandlung in Bladees Klangprofil kündigte sich auf dem 2018 erschienenen »Icelander«-Tape an und findet ihren Höhepunkt nach einem prägenden Vorfall im Jahr 2019. Nachdem Thaiboy Digital plötzlich nach Bangkok abgeschoben wurde, besuchten die restlichen Drain-Gang-Members ihn dort regelmäßig. Bladee beschreibt Bangkok als andere Welt, ähnlich zu Batmans Gotham City. Mehrere Male sei er sich unsicher gewesen, ob er lebend davonkommen würde. Eine dieser Reisen blieb dabei besonders in Erinnerung. Bladee berichtete von einem Gewitter, bei dem er angeblich von einem Blitz getroffen wurde. Eine Geschichte, die ihm nur wenige abkaufen. Auf Reddit ist die Mehrheit sich einig, dass er vermutlich nur einen besonders starken Trip erlebt und halluziniert hätte. Aber was auch immer sich damals zugetragen hat, für Bladee bedeutete es einen Wendepunkt. Es veränderte seinen Blick auf das Leben, ebnete ihm den Weg zur Spiritualität und mündete im 2020 erschienenen Album »333«, das sein neues Weltbild in biblischen Metaphern und optimistischen Visionen widerspiegelt.
Drain music
Ob Bladee tatsächlich durch ein Nahtoderlebnis zu Gott gefunden hat, seine Wesensveränderung schlicht dem fortschreitenden Alter und der damit einhergehenden Reife geschuldet ist oder er einfach another white boy ist, der meint, er habe die Welt verstanden – wirklich greifen kann man ihn schlussendlich nie. Er ist ein Künstler, der schon viele Phasen durchlebt hat und bis heute unberechenbar bleibt. Überraschende Releases wie das Kollabo-Album »Psykos« mit Yung Lean aus dem Jahr 2024, das futuristische Trap-Beats durch harte E-Gitarren ersetzt, oder das kurz darauf veröffentlichte, 30 Titel schwere »Cold Visions«, das Bladees musikalische Wurzeln zitiert und thematisch zurückkehrt zu Finsternis und Angstzuständen, machen deutlich, dass dieser Musiker sich fernab von Genres und kreativen Grenzen bewegt. Bladee macht drain music, seine ganz eigene Musik, die er nach Unstimmigkeiten mit seinem langjährigen Label year0001 mittlerweile auch selbst veröffentlicht. Als wandelnder Mythos bewegt er sich im Musikgeschehen und löst damit bei vielen Fans eine Obsession aus, die er selbst nicht immer nachvollziehen kann. Die Wege des Dark Angels mögen unergründlich sein, für Bladee führen sie zumindest zum Erfolg – und am 7. Dezember 2025 auch ins Gasometer nach Wien.











