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Bergfried

»Romantik III«

High Roller Records

Man könnte ja meinen, es gäbe musikalisches Material, das, nachdem der Weltgeist darüber hinweggefegt ist, auf dem Müllhaufen der Geschichte verwittert. Aber, wie wir mittlerweile auch wissen: Nichts, aber auch wirklich gar nichts geht jemals verloren. Die nächste Kiste Bückware im Plattenladen ist immer die schönste. Was ziehen wir da heraus? Ziemlich abgenutzte Kopien von Meat Loafs »Bat Out of Hell«, Hearts »Little Queen« und Lee Aarons »Metal Queen«. Freudig erregt und frei von Ironie, die Beute unterm Arm, marschieren wir mit roten Wangen anschließend zur Ladentheke und reichen der Fachkraft dahinter eine Handvoll Münzen zum Tausch für die gerade geborgenen Schätze – und dann aber nichts wie nach Hause! Dort leicht verschwitzt angekommen, die erste heiße Scheibe aufgelegt, verwandelt sich die Bude in einen pompösen Hardrock-Himmel: Gitarren aus glitzernder Zuckerwatte, ein Schlagzeug aus Marzipan und ein singendes Engelchen mit kirschroten Lippen! Bevor ich mich völlig in übergeschnappten Fantasien verliere – kurze Pause. Das österreichisch-ungarische Duo Bergfried kommt mit der wild-romantischen Hardrock-Revue nicht ganz unerwartet auf die Bühne geritten, Anna de Savoy und Erech III. von Lothringen, so nennen sich die zwei Turteltäubchen, haben, wie man sich beim Albumtitel denken kann, schon »Romantik I« und »Romantik II« veröffentlicht und die Trilogie erzählt eine dramatisch zusammenhängende Liebesgeschichte, natürlich, was denn sonst!? Was die Geschichte im Detail angeht, da will ich hier nichts verraten, aber warum ich mich überhaupt damit auseinandersetze, dazu vielleicht noch ein, zwei ergänzende Bemerkungen. Es ist, wie eingangs erwähnt, erstaunlich, welche musikalischen Quellen nach Jahrzehnten wieder nicht nur angezapft werden, sondern auch die höheren Weihen erhalten, weil, wo ein paar stilbewusste Käuzchen sich mit operettenhaften Kassenschlagern längst vergangener Tage beschäftigen, verwandeln die sich wieder in heißen Scheiß. Kann das sein? Ja, das kann sein, wenn, wie im Fall von Bergfried, derart beherzt zu Werke gegangen wird. Es bleibt wirklich kein Auge trocken bei den sentimentalen Schmachtfetzen, die catchy präsentiert werden. Die beiden Vorgängeralben bedienten sich bereits des Rückgriffs auf klassischen Heavy Metal, Hardrock und Elemente des Folk, aber die bekannte Rezeptur kommt auf »Romantik III« noch raffinierter als zuvor zum Ausdruck – und die Frage, ob es an der einen oder anderen Stelle nicht zu viel des Guten ist, stellt sich mehr als einmal beim Anhören des Albums. Ist das Kitsch oder Camp? Oder beides? Ich empfehle den Selbstversuch.

Home / Rezensionen

Text
Holger Adam

Veröffentlichung
29.10.2025

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