»Collective Identities« – die ersten drei Tage der Extra-Konzertreihe im Festival Wien Modern, die avancierten Formen des Kollektivismus gewidmet ist, hat das Institut Fünfhaus kuratiert. Marina Rosenfeld & Emotional Orchestra hatten vielleicht ein okayes Konzept dahinter, aber die erst gegen Ende anregende Klangproduktion wurde zu Recht gescholten. Und Tarwater und To Rococo Rot spielten halt normale Konzerte, die besser in einen Club passten. Und, wenn Bernhard Fleischmann was Neues probiert, ist zumindest das Schauspielhaus voll. Wohl waren viele gespannt, wie das denn klingen würde, wenn ein ausgewiesen Melodien liebender Elektronikmusiker wieder mal in die Felle haut. Also bedienten die Herren Kurzmann, Dafeldecker, Stangl und Siewert auch großteils akustische Instrumente im Bernhard Fleischmann Quintett. Es quellte gemächlicher Kammermusik-Postrock, zum Sterben schön. Aber insgesamt auch etwas brav, ohne wirklich zu zünden …
Jedoch, beim letzten Act geht endlich die Sonne auf. Die spannungsgeladensten Sounds 2005 kommen aus Belgrad. Die vier Männer des (Electronics bzw. Notebook jeweils am rechten und linken Rand platziert; in der Mitte Saxophonist und E-Kontrabassist) Belgrade Yard Sound Systems zeigen, wo’s langgeht. Bereits die projiziertenVisuals von Andreja Miric – obwohl man diese ob der kraftvollen Musik gar nicht brauchte – verweisen auf die Exemplarität des Ensembles. So wandern etwa Schriften vertikal gegenläufig über die Leinwand oder sorgt ein abgefilmter Masten/Drahthorizont (in Beograd – eine verheißungsvolle Metropole!), der der Versorgung öffentlicher Verkehrsmittel mit Strom dient, für eine faszinierende Atmosphäre. Letztlich ist es aber die Musik, die wirklich den Kopf frei macht und auch als Befreiung von einengenden Konzepten funktioniert. Eigentlich stehen der Bassist und Saxophonist, beide sind kurz auch als Duo (mit John Coltrane-Basslauf) zugange, im Zentrum. Das an Free Jazz andockende expressive Saxspiel von Jemal Al Kiswani harmoniert mit den spooky Basslines von Ivan Antic und dazu passt die abgefeimte Elektronik, die Relja Bobic und Goran Simonoski dank Körpereinsatz cool rüberbringen. Deep, downtown, dark, funky. Urban Noir! Ideensprühend, fulminant abgemischt von Milan Mihajlovic. Vital, und in der abschließenden Zugabe rasant, beinahe ekstatisch. Eine Großstadtsymphonie fantastique!