Die Briten, ihr Folk-Horror und überhaupt: Jeder Wald ist verzaubert, jede leicht bekleidete Jungfer verhext oder vom Teufel besessen, alle Bewohner*innen ländlicher Regionen wohnen manisch und irre kichernd nächtlichen Ritualen bei, der Hexenjäger ist dienstbeflissen, aber überfordert – und am Ende sind alle tot, nur das Böse lebt weiter. So ungefähr. Ob im Radiophonic Workshop der BBC, im Psychedelic Folk der 1960er-Jahre oder bei Bands wie Broadcast – die (eingebildeten) magisch-okkulten Traditionen des alten Englands erfreuen sich in der Popkultur seit jeher großer Beliebtheit. Es spukt, geht um, sucht heim. Ausschließlich diesem Thema widmet sich das englische Folklore Tapes Label, das Soundforschungen geordnet nach County betreibt und darüber hinaus mittels weiterer Veröffentlichungen dem nachgeht, was alt ist, nicht ganz so erklärbar und musikalisch zum Ausdruck gebracht werden kann. Diverse Musiker*innen üben sich unter zeremoniellem Einsatz vorwiegend akustischer Instrumente in der Beschwörung, Anrufung und Erweckung alter Geister. Arianne Churchman und Benedict Drew greifen auf »The Tree of the Left Hand« in erster Linie zu Harmonium, Synthesizern und Glöckchen und weben so ein dichtes musikalisches Netz um die ätherische (teilweise gedoppelte) Stimme von Arianne Churchman, die, wie könnte es anders sein, einlullend und bezaubernd wirkt. Was soll ich sagen? Der konzeptionell ambitionierte Ansatz des Labels ist natürlich mit Vorsicht zu genießen, bzw. darf an dieser Stelle und vor lauter Begeisterung nicht vergessen werden, dass solche Rekonstruktionsversuche weder darauf abzielen, Formen historischer Aufführungspraxis Alter Musik nachzuahmen, noch im musikalischen Ergebnis dem entsprechen können, was vielleicht vor 200 Jahren oder so getrieben wurde. Die Vergegenwärtigung dient buchstäblich der spielerischen Auseinandersetzung, ist Ausdruck eines ästhetischen Prozesses, der, wie das im Hauntology-Genre so Praxis ist, die Vergangenheit als Projektionsfläche zur Reflexion der Gegenwart nutzt.
Angesichts populistischer Bewegungen, die sich auch rechter Esoterik und anderer irrationaler Motive bedienen, um die Leute verrückt zu machen, mag der ästhetische Rückgriff auf okkulte und mythische Wissensbestände sehr fragwürdig erscheinen. Braucht es jetzt nicht was anderes, wenn popkulturelle Phänomene auch als widerständig, gesellschaftskritisch und gar vorausdenkend wahrgenommen werden wollen? Nun ja … so einfach ist das ja alles nicht mehr. Der Sozialcharakter des Außenseiters und andersdenkenden Sonderlings ist ja ebenso von rechts vereinnahmt worden, wie vermeintliche Spießer von links nicht mehr kritisiert werden müssen, wenn sie sich wenigstens noch vernünftig zivilgesellschaftlich zu verhalten wissen. Zu identifizieren bzw. unterscheiden, wo in der Hinwendung zur Vergangenheit eine bloß reaktionäre, der Gegenwart und Zukunft abgewandte Haltung steckt, ist nicht mehr so einfach. Diesen Gedanken bzw. die Bemühung, diese Unterscheidung noch vornehmen zu wollen, um aus der ästhetischen Auseinandersetzung mit Gestern Orientierung zur positiven, menschlichen, offenen Gestaltung von Heute und Morgen zu beziehen, ist wichtig, nicht zuletzt, um unheimlich-heimelige musikalische Bewegungen gegen die Vereinnahmung von rechts zu sensibilisieren. Die Geister, die man ruft, gilt es sorgfältig zu beobachten. Und ein paar geistige Klimmzüge schaden nicht in der Beurteilung der zauberhaften psychedelischen Folk-Drone-Kompositionen von Arianne Churchman und Benedict Drew. Im Grunde rennen die mit ihrem ästhetischen Programm bei mir offene Türen ein. Mindestens einmal im Jahr gucke ich mir ja auch »The Wicker Man« an.











