Die allermeisten Menschen haben zwar heutzutage anerkannt, dass wir uns in einem schleichenden Klimakollaps befinden. Trotzdem ändert sich viel zu wenig – und wenn, dann zurzeit eher zum Schlechteren: hin zum Abdriften in autoritäre und faschistische Diktaturen und zum immer zynischeren Ausquetschen der letzten fossilen Jahre einer immer kleiner werdenden Elite von Reichen. In dieser misslichen Lage braucht es neue, positive Bezugspunkte. Denn die Ökologiebewegung wird heute landläufig mit Leiser-Treten, Verzicht-Üben und Hausaufgaben-Machen assoziiert. Diese Konnotation hemmt die bitter notwendige Veränderung unserer Gesellschaft, da sie weder Euphorie, Hoffnung, noch Gemeinsamkeitsgefühl hervorrufen kann – ein gefundenes Fressen für autoritäre Demagog*innen.
Österreichs Anti-Atom-Identität
Um dem etwas entgegenzusetzen, wollen wir, ein internationales und transdisziplinäres Künstler*innenkollektiv, als erste Institution und erstes Ritual einer kommenden ökologischen Kultur den Zwentendorf-Feiertag als ersten ökologischen Feiertag Österreichs ausrufen. Obwohl heute mehr Menschen in Österreich die Notwendigkeit ökologischen Wandels einsehen, als es konfessionelle Christ*innen gibt1, sind fast alle nationalen Feiertage christlich geprägt – von manchen wissen viele nicht einmal mehr, worum es bei ihnen eigentlich geht. (»Mariä Empfängnis«: Wer empfängt hier eigentlich wen?) Zwentendorf ist hingegen ein Begriff – ähnlich wie Hainburg – mit dem in Österreich fast alle was anfangen können. In Zwentendorf wollte der Staat in den 1970er-Jahren ein Atomkraftwerk in Betrieb gehen lassen. Dagegen hat sich eine plurale und sehr starke Bewegung organisiert, die es nicht nur erreicht hat, dass das schon fertiggestellte und betriebsbereite (!) Atomkraftwerk nicht eingeschaltet wurde, sondern dass seither Österreich per Verfassung »atomfrei« ist. Es hat sich darüber hinaus ein Konsens gebildet, den man in kaum einem anderen Land antrifft: ca. 80 bis 90 % der Bevölkerung sind überzeugt davon, dass Atomstrom etwas Schlechtes ist. Keine Partei würde sich jemals trauen, ein AKW vorzuschlagen. In einer so von Spaltung geprägten Gesellschaft wie Österreich findet man wohl wenig andere Themen mit so viel Konsens. Dies ist zwar irgendwie allgemein bekannt, wird aber viel zu selten als einender und fast identitätsstiftender Wert zelebriert.
Die moderne Welt wird oftmals als leer von Traditionen und Ritualen beschrieben. In der »entzauberten Moderne« läuft demnach alles nach rationalen Schemen im Takt von Maschinen und Algorithmen ab und jede Form von Ritual, Magie und Wunder wirkt gestrig und naiv. Besonders in Zeiten der Krise entsteht durch diese Leere eine große Sehnsucht nach gemeinschaftsstiftenden Elementen, die einen höheren – oder anderen – Sinn haben als bloße Funktionalität. Die Sehnsucht nach Traditionen wird nur zu oft mit einem meist reaktionären »Zurück« beantwortet – zurück zu konservativen Werten und Riten, zu verklärten Idealen einer nie wirklich gewesenen »guten alten Zeit«, von der reaktionäre Volksverführer*innen predigen. Doch das Ereignis »Zwentendorf« zeigt eine andere, progressive Richtung von neuen Ritualen und Traditionen an, die nicht nur zeitgemäß, sondern auch zukunftsgewandt sind. Ein Zwentendorf-Feiertag kann daran erinnern, dass eine Gesellschaft, die sich zivilgesellschaftlich engagiert und demokratisch von unten erhebt und ermächtigt, den unglaublichen Herausforderungen der Gegenwart gewachsen sein kann.
Zauber der Sinnsuche am Beispiel Zwentendorf
Das erfolgreiche Referendum gegen das Atomkraftwerk Zwentendorf und die daraus resultierende »nationale Identität« Österreichs als »atomfrei« ist eine Erfolgsgeschichte der Ökologiebewegung, die auch weit über die Grenzen Österreichs bekannt und Gegenstand von Freude und Respekt ist. Auch wenn die Gesellschaft in vielen Punkten gespalten ist, sind sich in Österreich doch fast alle einig, dass die Zwentendorf-Entscheidung eine gute war und die Atomfreiheit Österreichs etwas ist, auf das man stolz sein kann. Welcher Tag würde sich also mehr für die Verbindung und Zusammenführung der Gesellschaft als Feiertag eignen, als der 5. November – der Tag des positiven Referendums gegen Atomkraft in Österreich! Als Kulturschaffende und Aktivist*innen wollen wir diese Errichtung einer neuen und einenden Institution mit einer großen Veranstaltung am 5. November 2025 beginnen. Durch das Einladen verschiedenster Segmente und Akteur*innen unserer Gesellschaft wollen wir so Menschen zusammenbringen und ein Gefühl der Einigkeit und gar Euphorie für den noch zu absolvierenden, langen Weg der ökologischen Transformation einstimmen.
Die Entscheidung zu Zwentendorf ist hierbei vorbildhaft: Durch die Absage an ein katastrophales Infrastrukturprojekt hat man den Weg frei gemacht für eine nachhaltigere Zukunft. Noch heute ist Österreich bekannt als singulärer Staat in Europa, der sich demokratisch und zukunftsweisend gegen Atomkraft und ihre umweltlichen Langzeitfolgen entschieden hat. Während nach altem Narrativ dies als Absage an eine moderne, technokratische Zukunft erscheint, sollen Traditionen wie der Zwentendorf-Feiertag den Wert der Absage von falschen Zukunftsversprechen als zu bejubelnde Ermöglichung hin zu echten, lebbaren Zukünften markieren. Durch das rituelle Erinnern und Feiern des Zwentendorf-Referendums soll so nicht nur gesellschaftliche Akzeptanz, sondern darüber hinaus auch Freude und Lust an weiteren Absagen (wie z. B. Autobahnen, zukünftigen Flughafenprojekten oder anderen nicht mehr zukunftsfähigen Infrastrukturprojekten) als Wegmarke einer inklusiven Zukunft gefeiert werden.
Der 5. November wird ein Feiertag!
In Zeiten von Rechtsruck und einem allgemeinen Klima der Hoffnungslosigkeit angesichts des Klimakollaps erscheint es uns wichtig, solche neuen und zukunftsweisenden Rituale mutig zu erschließen, um Handlungsfähigkeit in der schweren kommenden Zeit aufzubauen. Lernen tun wir dabei von den radikalen ökologischen Landbesetzungen in Frankreich rund um die ZAD Notre-Dame-des-Landes. Dort hat – nach einem erfolgreichen Kampf gegen ein Flughafenprojekt – sich eine annähernd kapitalismusfreie Zone gebildet, in der Menschen gemeinsam und im Common an besseren Lebens- und Überlebensstrategien im Klimakollaps arbeiten. Die sogenannte »Celulle d’Action Rituelle« hat in diesem radikalen Lebenszusammenhang erkannt, dass Rituale als gemeinschaftsstiftende Momente wichtig sind – und hat unter anderem auch einen Tag der Absage (des Flughafens) als Feiertag etabliert, der dort an jedem 17. Jänner gefeiert wird.
In diesem Sinn wollen wir von den radikalen Elementen Frankreichs lernen, wie man Rituale und Traditionen auch links framen und für eine inklusive Zukunft gestalten kann. Die Idee des Zwentendorf-Feiertags versucht somit die Synthese von Graswurzelbewegungen mit nationalem Feiertag, um Auswege und emanzipatorische Querverbindungen in einer sonst hoffnungslosen Zeit zu etablieren. Der Spruch »Ich mach dich Zwentendorf!« soll so als ein Slogan einer neuen Generation geprägt werden, der die Freude am Organisieren einer besseren Welt nicht nur kennt, sondern kultivieren kann. Aus diesem Grund fordern wir: Der 5. November wird ein Feiertag! Der erste ökologische Feiertag Österreichs: Eine genaue Programmbeschreibung des ersten Zwentendorf-Feiertags (dem noch viele folgen werden) findet man hier.
1 Laut Statista bezeichnen sich in Österreich 63 % als religiös, davon 53 % als Christ*innen. Den Klimawandel stufen laut einer Umfrage des Bundesumweltamts von 2023 82 % als »sehr ernst« und Klimaschutzmaßnahmen als notwendig ein.











