Die griechischstämmige Schweizerin Alexandra Bachzetsis hat sich choreografisch bereits mit Disco auseinandergesetzt und landet mit »Gold« einen der nächsten Coups. Ihr Kniff: Bachzetsis, die u.a. am STUK Arts Center in Leuven/Belgien ausgebildet wurde, »sitztanzt« auf einer mit Tesaband eingegrenzten Stelle (in Nähe einer Videokamera) zunächst zu zwei R&B-Hits, ohne dass diese zu hören sind. Eigentlich eine schwierige Sache, denn die Musik muss in ihrem Kopf ablaufen (und ist somit auch in den Beinen, Armen …) während die Wahlzürcherin choreographisch durchexerziert, was die Essenz expliziter Körperzurschaustellung ausmachen könnte. Dies lässt sie in real-time von der bereitstehenden Videokamera mitschneiden. Das soeben aufgenommene Video wird sofort nach der Realperformance abgespult, und nur die Instrumentalversion der Songs von Missy Elliott und Kelis ertönt. Und siehe da, es hat geklappt. Als das Videotape läuft, ist auch ihre Performance synchron mit den knallharten R&B-Beats. Denn Bachzetsis hat, während sie im Live-Take ohne Ton offensichtliche Posen aus R&B-Musikvideos etwas verfremdet und räudiger in Sinne von aufschlussreich macht, immer auch die jeweilige Textstelle »entblättert«. Somit kann man zum peitschenden R&B-Groove alle markanten Textstellen wie »Lick my pussy« mitlesen. Bachzetsis konterkariert die überfrachtete Sexualisierung im R&B-HipHop nicht wirklich, legt aber bloß, dass die allgegenwärtige Fleischbeschau und Sexismus im HipHop und R&B einen zwar mittlerweile eher kalt lassen, sich dahinter aber doch ein Individuum von Frau befindet. Starke Frauen wie Missy Elliot oder Kelis (oder Peaches im Elektrobereich) drehen eher den Spieß um, als dass sie sich vereinnahmen lassen. Goldener Bikini und fettgoldene Eincremung spiegeln mehr die Kontrolle über das Geschehen, als dass es sich um eine genreübliche weibliche Fan-Gefolgschaft handelte, die für so manchen Rapstar sicherlich austauschbares Konsumgut ist wie z.B. Goldkette, Sportschuh oder -auto.
Auch Ann Liv Youngs »Solo« dauerte etwas weniger lang als eine halbe Stunde. Etwas kurz und präzise rauszurotzen, kommt besser und bleibt auch länger in Erinnerung als etwa Barbara Kraus‘ missglücktes »Fuck All That Shit«, bei dem wenigstens die Musik von Fritz Ostermayer begeistern konnte. Nacktheit ist ja fast schon obligatorisch, also waren die beiden barbusigen Hauptperformerinnnen Ann Liv Young und Liz Santoro splitternackt und »karaokten« auch eine beinharte R&B-Nummer. Insgesamt war das schriller, wilder Trash, der – aktionistisches Herumspritzen mit dunkelroten Säften inklusive -, auch queeren female Punkrock aufgriff und bei einem Ladyfest sicher kein Publikum (manch ältere Person verließ das Casino vorzeitig) vertrieben hätte. Mit »Annie Sprinkle meets PJ Harvey« hat Impulstanz eine tolle Headline im Programmheft dafür gefunden. Wiederum geht es um selbstbestimmte weibliche Sexualität und eigentlich liegt dem ganzen Tollhauswahnsinn die Auseinandersetzung mit der US-Puppenkultur zugrunde. Lassen wir also Ann Liv Young sprechen, indem sie sich in die Rolle einer Barbiedoll hineinversetzt, was aber auch als Kritik an nicht denkenden jungen Frauen interpretiert werden kann:
… I am a doll I’m a blonde beautiful slender doll / I have no brain / I let other people make decisions for me / I’m stylish / I’m totally obsessed with materialistic ideas and items and / I went to a girls school / I don’t have a lot of brains and / All I really care about are guys / and how they view me / I’m a total loser …