Nüchtern betrachtet, lässt sich, was als Musik zu Gehör kommt, auf mathematische bzw. physikalische Grundlagen zurückführen. Klang besteht aus Frequenzen, Schallwellen im für Menschen hörbaren und nicht hörbaren Bereich. Infrasound wiederum besteht aus Niedrigfrequenzen, die uns alltäglich umgeben, wir aber nicht wahrnehmen können – es sei denn, sie werden aufgezeichnet und anschließend in den Frequenzbereich übersetzt, der dem menschlichen Ohr zuträglich ist. Wie dies genau vonstattengeht, ich kann es nicht wirklich erklären. Weder in Physik noch in Mathematik war ich besonders gut in der Schule. Aber Brian House hat sich mit einer entsprechenden Versuchsanordnung darangemacht, Infrasound einzufangen, hörbar zu machen und als Musik zu veröffentlichen. Im Begleittext zu »Everyday Infrasound In An Uncertain World« erläutert House sein Vorgehen und kontextualisiert seine Experimente, sodass auch nicht naturwissenschaftlich geneigten Menschen einleuchten kann, was das soll. Die Veröffentlichung kreist um eine paradoxe Situation. Die physikalischen Phänomene können in ihrer eigentlichen Form zwar dokumentiert, aber (ästhetisch) nicht rezipiert werden – zumindest nicht mit den Ohren. Die zugrundeliegenden Datensätze können aufgenommen und gelesen, aber nicht gehört werden. Was im Anschluss an die Bearbeitung dieser Daten tatsächlich gehört werden kann, ist eine veränderte, an den menschlichen Wahrnehmungsapparat angepasste Form dieser geisterhaften Schallwellen. Die Übersetzungsarbeit von House dient, so könnte man sagen, der Ermöglichung der Erfahrung einer ansonsten nicht wahrnehmbaren Realität. In eigenen Worten spricht er von »encountering those agencies greater than our own that connect us through the atmosphere«. In diesen Gedanken berühren sich sozusagen Physik und Metaphysik; Gottesbeweise werden ja schon lange nicht mehr nur von gottesfürchtigen Mystiker*innen oder Religionswissenschaftler*innen unternommen, sondern die Frage, was die Welt im Innersten zusammenhält, motiviert auch experimentelle Physiker*innen – oder Klangkünstler*innen. Idealerweise eint alle diese Forschenden eine gewisse Demut vor der Schöpfung bzw. dem, was der Fall ist, eine wissenschaftlich-ethische Haltung, die logisch fundiertes und spekulatives Denken mit einem grundsätzlichem Respekt vor allem, was ist und nicht (oder noch nicht entdeckt) ist, verbindet – denn man weiß ja nie (alles)!
Angesichts fortschreitender globaler Umweltzerstörung und sonstiger weltweiter Ausbeutungs- und Unterdrückungsszenarien ist es nicht die schlechteste Übung, zurückzutreten, innezuhalten und zuzuhören. Aber diese vornehmen Gesten sind oft leider nicht besonders wirkungsvoll gegenüber dem ignoranten und machtvollen Gehabe all derer, die meinen, sie wüssten, wo es langzugehen hätte. Dem Vormarsch rechter Ideologien sowie der ihnen entsprechenden politischen Ausdrucksformen und gesellschaftlichen Trends im Dienst der Gegenaufklärung fallen täglich Errungenschaften demokratisch-aufgeklärter Gesellschaften zum Opfer – nicht nur in den durch Trump und seine Kollaborateur*innen tyrannisierten Vereinigten Staaten von Amerika. Rücksichtslose Wichte wie Elon Musk geißeln Empathie als Schwäche und auch wenn ich wissen kann, dass solch markigen Sprüche nicht nur dumm und inhaltlich falsch sind, so sind sie zugleich Ausdruck einer um sich greifenden Enthemmung: Die, die meinen, nichts mehr sagen zu dürfen, sind ja genau diejenigen, die in ihrem grenzenlosen Ressentiment das Maul am weitesten aufreißen. Eine eigentlich lächerliche und durchschaubare, aber leider auch erfolgreiche Strategie, Aufmerksamkeit zu erlangen. Demgegenüber kämpft der randständige Sound-Artist auf verlorenem Posten und wird im Verhältnis nur wenige erreichen. Aber in diesem gesellschaftlichen Spannungsfeld, einer Gegenwart voller dummdreistem Getöse und hasserfülltem Geschrei, steht er mit seinen feinen Antennen und anderen Apparaturen, die er zum Einsatz bringt, um Menschen für das zu sensibilisieren, was sie erfahren können, wenn sie sich darauf einlassen. Wenn sie die Gelegenheit wahrnehmen, zuzuhören. Im diesem relationalen Charakter, der das Verhältnis der Menschen zu sich und ihrer Umwelt zur Voraussetzung hat und erforscht, ist die philosophische Bedeutung von Sound-Art aufgehoben. Hierin erfüllt sich auch ihr sozialer Sinn, wenn man so will. Das weiß auch Brian House, wo er darüber sinniert, was uns miteinander verbindet, und so seine Übersetzungsarbeit als Kommunikationsangebot rahmt, als Einladung zum Dialog. Es ist ein Jammer, dass Klangkunst als Bestandteil der Populärkultur an dieser Stelle einen verhältnismäßig schweren Stand hat. In der Literatur oder in Filmen, die thematisch der Science-Fiction zuzurechnen sind, scheint es leichter zu sein, solche Perspektiven zu vermitteln. Vielleicht liege ich da auch falsch, aber das geisterhafte Gebrumme, das sanfte Dröhnen der Aufnahmen von Brian House ist »an sich« wenig spektakulär. Die Hürde, auf »Everyday Infrasound In An Uncertain World« mehr als nur »Geräusche« wahrzunehmen, ist relativ hoch. Das ist in der Auswertung und Betrachtung von Radioteleskopaufnahmen aber auch nicht anders. Die Arbeit, solche Eindrücke verstehen zu wollen und einzuordnen, die muss man sich schon machen. Sie erfordert einige geistige Klimmzüge, aber die Anstrengung lohnt sich. Ich habe in der Besprechung versucht, vorzuturnen. Jetzt sind Sie dran.











