Der in Ottawa, Kanada, lebende Komponist Sean Clarke legt mit »A Flower for My Daughter« ein Album vor, das eine Musik enthält, die in ihrer Intimität und Eindringlichkeit weit über Kammermusik hinausweist. Die Stücke entstanden in der Zeit vor und nach der Geburt seiner Tochter im Herbst 2020. Sie sind zarte Resonanzräume für persönliche Übergänge: Elternschaft, Erinnerung, künstlerische Spurensuche. Formal reicht die Bandbreite von Solopiano-Stücken über kammeropernhafte Ansätze bis hin zu feingliedrigen Klanggemälden. So lässt Clarke in »3 Nocturnes After Monet: No.1, Delicate. Adagio« (interpretiert von Roger Feria Jr.) eine impressionistische Welt aufscheinen, die nicht nur Monet zitiert, sondern auch Debussy anklingen lässt – ohne epigonal zu wirken. Die Harmonien variieren wie Lichtflecken auf Wasser: subtil, unstet, stets in Bewegung und doch überaus beruhigend. Feria, selbst Vater, verleiht dem Stück eine spürbare, stille Tiefe. Mit »Mountain Hymnal« führt Clarke diesen Farbensinn in die Natur zurück: Ein Flötensolo, gespielt vom Komponisten selbst, tritt in einen Dialog mit sowohl natürlichen wie künstlichen Hallräumen und entfaltet so die Vorstellung einer Berglandschaft in der Abenddämmerung bei Windstille. Nur in den Noten ein Hauch, das Echo aus der Schlucht: Alles wird Teil einer kontemplativen Topografie. Die stilistische Haltung von Clarke bleibt dabei schwebend zwischen Programm und Abstraktion, greifbar oder traumwandlerisch, fast Lynch-artig – wie er selbst in den Liner Notes mit Verweis auf den Regisseur andeutet. In der zweiten der »3 Nocturnes After Monet«, »No. 2, Dolce. Lento«, beweist Feria wieder einmal, wie wichtig Ruhe und Gelassenheit für die Musik und wie hoch das Niveau der Leidenschaft im sparsam-meditativen Spiel sein können. Man spürt die kontinuierliche Steigerung der emotionalen Intensität bei jedem Anschlag der Flügeltasten. Meditativ bleibt die Impression auch noch dann, wenn Feria Cluster spielt. Ein besonders schöner Moment ist bei etwa vier Minuten der Übergang von kraftvollen Akkorden auf vereinzelte Anschläge, die nach zögerlich-fragender Rhythmik zunächst alle im selben Tempo gespielt werden, bis uns dann endlich ein Ritardando ins Finale bringt. Das letzte Stück des Albums ist dem spärlichen Licht des Winters gewidmet. »Winter Light, Castle Mountain« wird von Feria una corda gespielt. Das bedeutet, dass am Klavier das linke Pedal getreten bleibt. Das verändert die Position des Spielwerks so, dass die Hämmer nur noch die Randsaiten anschlagen (am besten nur eine Saite pro Taste = una corda). Dadurch entstehen leisere und zugleich besonders betonte Klänge. Das gesamte Album bietet neue, meist sehr ruhige Töne, die auch für Hörer*innen konsumierbar sind, die sich eher zur klassischen Musik hingezogen fühlen.
Sean Clarke
»A Flower for My Daughter«
Navona Records
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