Mit dem Tod von Mimi Parker im November 2022 verlor Alan Sparhawk nicht nur seine Ehefrau und die Mutter seiner Kinder, sondern auch seine lebenslange musikalische Mitstreiterin im 1993 gegründeten Bandprojekt Low. Sein 2024er Soloalbum »White Roses, My God« führte den zuletzt mit Parker beschrittenen Entwicklungsweg von Low fort und verknüpfte gewissermaßen die losen Enden der experimentelleren Phase der Indierock-Band. Mit dem neuen Release »Alan Sparhawk With Trampled By Turtles« besinnt sich Sparhawk dagegen auf seine und Parkers Wurzeln – und diese liegen stilistisch wie biografisch in Minnesota, genauer gesagt in der Hafenstadt Duluth, in der das Paar seit Anfang der 1990er lebte. Duluth ist auch die Heimatstadt der Folk-Band Trampled By Turtles, die von Low gefördert und unterstützt wurde. Im Gegenzug lud die Band Sparhawk nach Parkers Tod ein, mit ihnen auf Tour zu gehen. Eine Einladung, die es ihm ermöglichte, auf die Bühne zurückzukehren und zugleich in einem geborgenen, familiären Umfeld Trauerarbeit zu leisten. Diese Erfahrung spiegelt sich in dem 2024 gemeinsam aufgenommenen, nun bei Sub Pop erschienenen Album wider, das sich um Themen wie Verlust, Trauer, Einsamkeit, aber auch um die Kraft der Freundschaft und den Rückhalt seitens der Familie und Community dreht.
Wie das geht, hört man schon im ersten Song und zugleich der ersten Single-Auskoppelung »Stranger«: Die Instrumentierung, bestehend aus Streichern, Bass, Banjo und E-Gitarre, schreitet im Takt eines Arbeiterliedes voran, die Lyrics beschreiben die Instruktionen Sparhawks an sich selbst, was zu tun ist, um trotz der seelischen Ausnahmesituation die Herausforderungen des Alltags zu meistern: »You gotta put up with stranger people than you know now, you gotta go through some dangerouser things than you thought you’d have to«. Der Chor von Trampled By Turtles untermalt die lyrischen Eckpunkte »stranger« und »danger« und konterkariert damit gleichermaßen ihre warnende Aussage. »You are not alone in this«, liest und hört man zwischen den Zeilen und dieser Gedanke gibt das Motto für dieses Collab-Album vor, wie auch dem Pressetext zu entnehmen ist: »The words may be Sparhawk’s, but the sentiments are never his alone, not when his friends and loved ones are always there beside him.«
Musik gewordene Trauerarbeit
Über neun Titel und knapp 32 Minuten singen Alan Sparhawk und Trampled By Turtles gemeinsam gegen die Einsamkeit an und bauen dem Ex-Low-Frontmann ein heimeliges Nest, in dem er seine Songs ausbrüten kann – einige davon sind Erinnerungsstücke aus der Low-Ära, die teils über zehn Jahre zurückreichen, z. B. »Too High«, das sich schon 2014 auf den Live-Setlists der Band fand, aber nie offiziell veröffentlicht wurde. An anderen Stücken hat Sparhawk bis zuletzt gemeinsam mit Parker gearbeitet und sie tragen deutlich ihre Handschrift, etwa das leichtfüßigere »Princess Road Surgery« oder das tröstliche »Not Broken«, das Sparhawk hier im Duett mit Tochter Hollis intoniert. Umso tiefer schneiden neuere Solostücke, in denen er den Tod seiner Frau unmittelbar und schmerzlich verarbeitet, etwa die Neuinterpretation der spirituellen Trauerhymne »Heaven«, wie »Get Still« bereits auf dem Album »White Roses, My God« erschienen, das flehende »Don’t Take Your Light« oder der im Herzen des Albums eingebettete »Screaming Song« mit seinen tränentreibenden Lyrics: »When you flew out the window and into the sunset, I thought I would never stop screaming, I thought I would never stop screaming your name«, gefolgt von einer waidwunden Fiddle.
»Torn & in Ashes« beenden Sparhawk und Trampled by Turtles schließlich ihre Elegie, doch bei aller Schwermut: Es ist schön, nach den Vocoder-Exzessen von »White Roses, My God« wieder Sparhawks wärmende Baritonstimme zu hören, vielleicht auch als Zeichen dafür, dass er dank der Unterstützung von Freunden und Familie seinen Schmerz überwinden und wieder zu sich selbst finden kann.
Links: https://www.alansparhawk.com/, https://trampledbyturtles.com/











