Mit »Duos« legen der britische Synthesizerspezialist Martin Hackett und der in London lebende japanische Cellist und Gitarrist Keisuke Matsui ein bemerkenswert fokussiertes Album im Genre Freie Improvisation vor. Das Album vereint die klanglichen Möglichkeiten des Korg MS-10 – Hackett hat diesen seit den 1970er-Jahren produzierten Monosynthesizer über Jahrzehnte zu »seinem« Instrument entwickelt – mit den expressiven Facetten von Cello und Gitarre, wie sie Matsui in der Londoner Improvisationsszene regelmäßig auslotet. Aufgenommen wurde das Album im Oktober und November 2024 an zwei verschiedenen Orten Londons: in der Hundred Years Gallery und im The Hamlet in Streatham, jeweils im Rahmen von Sound Bureau 4. Olaf Rupp übernahm das Mastering, das Artwork stammt von Keisuke Matsui selbst. Die acht »Duos« sind keine »Stücke«, sondern prozessuale Klangereignisse, Dialoge der beiden Musiker. Hackett und Matsui loten die Schnittstellen von analoger Elektronik und Saiteninstrument aus, in freier Klanggestaltung und subtiler Interaktion, auf Augenhöhe, in fließender Bewegung. »Duos« ist ein Monument der freien Improvisation; eine detaillierte Besprechung aller Stücke würde hier den Rahmen sprengen. Schauen wir uns also einen Titel an. Er heißt »2« und illustriert exemplarisch die Arbeitsweise der beiden Musiker. Das Stück beginnt mit einer hochfrequenten Oszillation des MS-10, die wie ein unstetes, vibrierendes Insekt durch den Raum schwirrt. Hackett arbeitet mit geringfügigen Parameterverschiebungen: Frequenzmodulation, Filterfahrten, minimale Verstimmungen. Somit entfalten sich fortlaufend neue Texturen. Matsui steigt zögerlich ein – beinahe »lauschend«. Seine Bogenstriche sind zart und fragil, manchmal gleitet sein Bogen beinahe lautlos über die Saiten. Wir würden das gar nicht hören, doch vereinzelte Kratzer, Plings und Klicks lassen uns in solchen Momenten seine Aktivität erahnen. Delikate Zurückhaltung schafft Raum für Hacketts Elektronik. Nach etwa drei Minuten hebt der dialogische Austausch an. Hackett bringt schärfere, kecke Impulse ins Spiel, kurze, fast perkussive Sounds aus dem MS-10. Matsui reagiert darauf mit ebenso kurzen, rhythmischen Pizzikati. Gelegentlich streut er Flageoletttöne ein. Sie geben den perkussiven Synth-Sounds kontra. Das Stück hat Kontinuität, einen Fluss. Die Musiker streben nicht nach einem Gipfel, sie bauen Spannung auf subtil verschobene Texturen. Insgesamt entwickelt »2« eine Balance aus Kontrolle und Offenheit, die jedoch fragil bleibt. Wir spüren, dass die beiden Musiker aufmerksam aufeinander hören. Und: Sie können antizipieren. Sie kommunizieren spielerisch, ohne dabei in simple Call-and-Response-Muster zu verfallen. Durch die Reduktion der Mittel entsteht ein intensiver, intimer musikalischer Raum, der sich unsere Aufmerksamkeit verdient. Denn »Duos« ist keine leichte Kost! Dafür ein hochsensibles Dokument: Zwei Musiker lassen sich ein. Tun wir es ihnen gleich, werden wir mit einer Reihe faszinierender Klänge und akustischer Mikrobewegungen belohnt.
Martin Hackett und Keisuke Matsui
»Duos«
Scatter Archive
Text
Sepp Wejwar
Veröffentlichung
03.06.2025
Schlagwörter
Keisuke Matsui
Martin Hackett
Scatter Archive
Unterstütze uns mit deiner Spende
skug ist ein unabhängiges Non-Profit-Magazin. Unterstütze unsere journalistische Arbeit mit einer Spende an den Empfänger: Verein zur Förderung von Subkultur, Verwendungszweck: skug Spende, IBAN: AT80 1100 0034 8351 7300, BIC: BKAUATWW, Bank Austria. Vielen Dank!











