Als Andreas Binder unter dem Künstlernamen Salò seinen ersten Song veröffentlichte, war klar: Der Wiener Underground hat einen neuen Anti-Star. »Tränen zu Wein« erschien 2019 und trat mit prägnanten Drums und verzerrten Riffs die Tür ein, schlug auf Trommelfelle ein und baute sich ein dreckiges Taubennest in den Köpfen seiner Zuhörerschaft. Untergrund ist Salò heute nicht mehr, stattdessen spielt er ausverkaufte Konzerte und blickt auf eine Diskografie von inzwischen drei Alben, zwei EPs und millionenfach gestreamten Singles. Seinem Sound der ersten Stunde blieb er über die Jahre treu. Allerdings sind die Melodien mittlerweile vielschichtiger und komplexer, klingen professioneller produziert, ohne ihren Lofi-Charme zu verlieren. Ikonen wie DAF werden nicht nur klanglich zitiert, sie inspirieren ebenso raffinierte Zeilen wie »Tanz den Gudenus heute Nacht« aus dem Postpunk-Brecher »Glock17«.
Fleisch hat Gefühle
Das zynische Spiel mit Floskeln und Referenzen ist unabdingbar für Salòs Texte und verleiht deren ernsthafter Thematik ein Paar zerrupfte Flügel. Statt sich von den kalten Zügen der Konsumgesellschaft, gescheiterten Liebesbeziehungen und dem sonstigen ganz normalen Wahnsinn in die Tiefe ziehen zu lassen, hält der Sänger gewitzt und lautstark dagegen. Neben forschen Punk-Elementen und nebligen Elektrowellen wohnt ihm eine kleine Prise Pop inne, just for fun, doch trotzdem viel zu sagen. Zum Nikolo 2024 landete das neueste Album vor der Tür: »Problemzone Mensch«, erschienen auf Vertigo Berlin, ist ein Auf und Ab zwischen Pöbeln und Paartanz, klingt mal beschwingt, mal bedrückend und lässt hinter aller Selbstironie tief in die angekratzte Seele blicken. Ein persönlicher Langspieler, auf dem der Künstler unter anderem seine eigenen Unsicherheiten, ein verschrobenes Körperbild und die Lasten seiner Essstörung behandelt. Themen, die oftmals in Stillschweigen gehüllt werden, bellt Salò rotzig in die Welt hinaus. Mit der Tür ins Haus und die Füße auf dem Tisch, seit Tag eins and counting.
Sometimes, when your dog dies, you get a new one
Ebenso wie Salò zog es Sängerin Beaks von der Steiermark nach Wien. Seit vielen Jahren wohnt sie schon in der Hauptstadt, reist von dort aus als Model um die Welt, fotografiert und schreibt Gedichte. Vor einem Jahr veröffentlichte sie ihre erste Single »I dropped the bottle« und beweist seither, dass ihre lyrisch-abstrakten Texte nicht nur emotional bewegend sind, sondern buchstäblich. Über basslastigen, minimalistischen und schwermütigen Melodien haucht Beaks ihre bedachtsamen Lyrics und hypnotisiert die Zuhörenden mit ihrer sanften, tiefen Stimme. Unaufgeregt und einnehmend dringt ein stilvoller Sound durch, der auf Liveauftritten von Beaks ungezwungener Nonchalance betont und zum Leben erweckt wird. Lässig und verschmitzt steht sie auf der Bühne, geht unbefangen aus sich heraus, obwohl sie noch am Anfang ihrer Musikkarriere steht. Es wird gerne mal geschrien, gekreischt und sich dann wieder gefangen, sie teilt rührende Anekdoten zu ihren vieldeutigen Songs und tanzt nicht nur selbst, sondern steckt ihr Publikum gleichermaßen an. Wer noch Karten für das Konzert am 18. Dezember 2024 in der Wiener Arena ergattern konnte, sollte also zeitig kommen, um sich ja nichts entgehen zu lassen.
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