Gewachsene Strukturen sind offenbar ohnehin die robusteren. Selbst wenn Teile davon sich wandeln oder wieder verschwinden – Neues kann auf einer sicheren Basis entstehen. Wie man an dieser beachtlichen Menge an Postern sehen kann, ist das auch beim KLANGfestival Gallneukirchen (Unteres Mühlviertel, Bezirk Urfahr-Umgebung) der Fall. Von bescheidenen Anfängen am Bauernhof (Nähe Kuhstall) 2008 zur Nachnischennutzung von Leerständen im Ortskern, vom konzertlosen Sampler 2020 zum ehrwürdigen Klangraum der Evangelischen Kirche. Wo am Samstag, dem 6. Juli 2024 mit Lesungen aus dem diesjährigen »KLANGzine« und einem Konzert der Pianistin Elisabeth Harnik der zweite Festivaltag startet.
Weiters spielen Radian im schon bekannten großen Becken des alten Hallenbads, wo letztes Jahr Bo Ningen das absolute Highlight waren (many thanks). Die Wiener Band zeigt sich diesmal in einem spannenden neuen Line-up. Bassist John Norman geht andere Wege, eingewechselt – man verzeihe den Fußballjargon – wurde fürs KLANGfestival Beate Wiesinger. Dem Vernehmen nach wird Manu Mayr, seinerseits KLANGfestival-Veteran, beim Jazzfestival in Saalfelden die Bass-Duties übernehmen. Es ist sicher spannend, den Unterschied in diesen beiden Line-ups zu sehen! Präsentiert wird jedenfalls das neue Album »Distorted Rooms«, welches mit interessanten Effekten, dramatischen Pausen, interessanten Rhythmen (Samba?) und einer gewissen spacigen Gesetztheit aufzuwarten weiß. Distorted Rooms eben.
Neben Kenji Araki, Lan Rex und DJ Marcelle, von denen man Elektro, Techno und genreübergreifende Tracks zu hören bekommen wird, betreten Youmna Saba und Wu-Lu die Fliesen der Schwimmbad-Location. Die Libanesin aus Beirut lässt atmosphärische Stücke mit arabischem Gesang und Laute erklingen. Wu-Lu hingegen spielen eher rockig-spacige Tunes mit Rap-Elementen im Gesangpart. Diese Gang aus Brixton hat bisher zwei Alben herausgebracht, die offenbar meist unter dem Begriff »genreübergreifend« firmieren. Tatsächlich klingt die erste Platte »Ginga« überraschend funky und psychedelisch – diese Einordnung mag aber an den Musikpräferenzen der jeweiligen Zuhörer*innen liegen. Wu-Lu, so kann man sagen, klingt in jeder Aufmachung eben – genau – nach Wu-Lu. Man kennt das von King Gizzard, die sich auch gefühlt bei jeder Platte neu erfinden – und damit sich selbst treu bleiben. Es sei hiermit ein Begriff gewortschöpft: das King-Gizzard-Phänomen. Grooven tuts jedenfalls hüben wie drüben – auch live.
Dass in einem alten Hallenbad kein Auge trocken bleibt, darf man, sei es nun Gefühlsgenuss oder Tanzschweiß, auch am Vortag erwarten. Zu Beginn des Festivals, am Freitag, dem 5. Juli 2024, startet der Konzertreigen mit Ben Wensch und Les Marquises, einem Impro-Duo aus Frankreich. Weitere Acts wie die Band Half Darling aus Wien oder die italienischen Klangkünstlerinnen Isabella Forciniti und Marta De Pascalis folgen. Mit Sturmherta und S.A.T.I.N. aus dem UK wird der erste Tag ein fulminantes Ende finden. Ob man sich nun einen oder zwei Tage zu Gemüte führen kann, ist wohl jedem selbst überlassen. skug kann nur empfehlen – wir freuen uns schon.