Alles so schön aus Plastik hier. Da merkt man gleich wie echt das ist. Dank Plastik ist die Umweltkatastrophe bunt. Aus den seichten Wogen des Meeres winken uns abends die Weichspülerflaschen und Superheropüppchen lustig entgegen. Sind alle mal weggeschmissen worden, um dann im Ozean zu landen, wo sie als tödliches Plankton ihre nie enden wollenden Kreise ziehen. Ob das irgendwie schlecht für Mensch, Tier und Umwelt ist, braucht niemand groß zu fragen. Auch nicht, ob wir als menschliche Zivilisation noch über die Energieressourcen verfügen, um einen beträchtlichen Teil davon in Materialien zu geben, die einen Gebrauchswert haben, der manchmal nur einige Tage währt. Das sind Zusammenhänge, die empörend leicht zu durchschauen sind, aber trotzdem seit Jahrzehnten kaum zu Umdenken oder Verhaltensänderungen führen. Im Gegenteil, es wird immer mehr, das im Meer landet. Der Gebrauch von Plastik scheint zu tief dem menschlichen Lebensstil einer industrialisierten Welt eingeschrieben zu sein.
Talk mit dem toxischen Tempel
Das Anthropozän hat ein eigentümliches Verhältnis zu Dauer. Dies zeigt sich beim Müll sehr klar. Dinge werden für Kurzzeitnutzungen produziert und liegen dann potenziell »ewig« herum. Zumindest behaupten das die Hersteller*innen. Wenn Jesus Christus eine dieser neuen Outdoor-Jacken gehabt hätte, dann wäre der »Heilige Rock« heute in tadellosem Zustand. So funktioniert Industrialisierung. Die Entsorgung des strahlenden Urans in Tschernobyl ist ja auch geklärt. Noch vor Ende seiner Halbwertzeit wird sich die Sonne so ausgedehnt haben, dass die Erde (und damit auch die Region Tschernobyl) verbrannt ist. Ganz offenkundig hat die Menschheit hier ein Zeitverhältnis nicht im Griff. Physikalisch-chemische Prozesse wurden machbar und auf kurzfristigen Nutzen hin eingesetzt, ohne einen echten Bezug zu den Handlungsfolgen herzustellen. Das hat etwas Transzendentierendes.
Was wir tun, wird nach menschlichem Ermessen »ewige« Folgen haben. Daraus entsteht ein religiöses Weltverhältnis, das als solches nie reflektiert wird. Nun, nicht reflektiert wurde, bis zu dem Zeitpunkt, als uns die Videokünstlerin Anna Lerchbaumer und der Philosoph Kilian Jörg den Toxic Temple gestiftet haben, der genau dies versucht. Mit künstlerischen, wissenschaftlichen und philosophischen Mitteln soll erfahrbar werden, was der Müll so mit der Welt macht. Auf das Kunstangebot des Toxic Temple reagiert skug mit einem Essay, nachzulesen hier. Im Salon wird geredet über Verausgabung, Kunst’n’Umwelt und die letzten Dinge. Pandabären werden auch eine Rolle spielen. Unbedingt vorbeihören kommen!
Musik von Iva Olo und Jeanne D’Arte
Warum so voll schade ist, dass die Welt untergeht, kapiert man nach wenigen Takten der Musik von Iva Olo. Gitarrenspiel, Gesang, Samples, alles einzigartig energiegeladen und – es gibt hier kein besseres Wort – schön. Rap mit melodischem Gesang kombiniert, Trap-Beats reingepfeffert und unerhört viel Gefühl für zwitschernde Sounds. Letztes Jahr gab es das Ganze auf dem noch etwas zu wenig gefeierten Debütalbum »Notes«. Iva Olo wirbelt über die Bühne und dirigiert dabei ein virtuelles Orchester das ständig mit neuen Live-Loops bestückt wird. Müsste man sich mal ansehen – nicht wahr? Kein Problem, Iva Olo kommt in den Salon und alle, die diese Zeilen lesen, werden da sein. Ehrensache.
Jeanne D’Arte produziert Filme für den Raum zwischen den Ohren. Tief und weit wie ein Ozean, aber ohne Plastikschwebstoffe. Das Album »Fall At Dusk« ist sorgfältiger produziert, als es in Wien erlaubt sein sollte. Mythische Zustandselemente finden zum angemessenen Sirenengesang. Die Wienerin Thea Sophie Beck springt in den Harnisch der Heiligen Johanna und liefert damit den religionsanalogen Soundgipfel, mit Glaubensbekenntnis zu Leidenschaft und Schönheit, den dieser – darf man fast sagen – spirituelle Salon noch gebraucht hat.
Talk, Sound und davor, dazwischen und danach auch noch DJ-Line. Das bietet der Salon skug am 19. April 2023 ab 19:30 im Wiener rhiz bei freiem Eintritt (aber erbetener Spende). Wir freuen uns auch euch.