»3 Tage Jazz« unterscheidet sich von seinem üppigen Gegenstück im Sommer, dem »Jazzfestival Saalfelden«, nicht nur durch das winterliche Ambiente. Es ist auch das Festival, das der Ur-Idee, in Saalfelden ein kleines, aber feines Jazz-Festival zu etablieren, näherkommt. 1978 tat man das unter dem Namen, der jetzt bereits zum fünften Mal dem 2016 ins Leben gerufenen Winterfestival umgehängt wird.
Dieser Form von Wurzelforschung wohnt zweifellos sehr viel Schönheit inne. Der Titel definiert klar die musikalische Stoßrichtung, der Zeitrahmen ist präzise gesetzt und die geschichtliche Bezugnahme ist deutlich ausgesprochen. Diese Klarheit erlaubt es dem Publikum, sich die unvermeidbare Frage nach dem Wesen und der Beschaffenheit des Jazz im Hier und Jetzt zu stellen. Die Überschaubarkeit des Line-ups ermöglich es diesbezüglich, ebenjener umso intensiver nachzugehen.
Europäischer Jazz im Mittelpunkt
Damit Fragen zu vorübergehenden Antworten führen, müssen diese durch Positionen, Haltungen und Konzepte hinsichtlich der Jazzfrage angefeuert werden. Intendant Mario Steidl, der auch beim Jazzfestival Saalfelden die künstlerische Federführung innehat, schlägt in den drei Tagen offensichtlich vor, diese lustvollen Forschungsarbeiten vorrangig an der Musik von Jazzer*innen aus Österreich, Frankreich, Deutschland und Italien vorzunehmen.
Dass die Tendenz im Jahr 2020 deutlich in Richtung europäischer Jazz geht, belegt jedenfalls bereits der offizielle Opening-Act, das Lorenz Raab Septett. Dieses wird mit einer kreativen Hommage an das heuer 50 Jahre jung werdende Album »In a Silent Way« von Miles Davis, dessen Titelstück aus der Feder der österreichischen Jazz-Legende Joe Zawinul stammt, am Freitag im Kunsthaus Nexus wohl zu absoluter Höchstform auflaufen.
Von Bach bis Klezmer
Im Anschluss wird in derselben Location das Trio Aïrés rund um die französische Trompeterin Arielle Besson unter Beweis stellen, wie Stücke von Bach oder Ravel Jazz-Umtriebe beeinflussen und antreiben können. Der Freitag findet schließlich seinen krönenden Abschluss mit dem ungarischen Kollektiv Grencsó Collective Special 5, das von der Chicagoer Free-Jazz-Legende Ken Vandermark unterstützt und veredelt wird.
Tags darauf darf man sich unter anderem auf das sanft-radikale Émile Parisien Quartet freuen oder sich an der intensiven Musikalität von Klaus Paier und Asja Valčić berauschen. Zudem versucht sich das italienisch-amerikanische Sextett Ghost Horse am Samstag an einer Neuformulierung des politischen Jazz. Ein Highlight verspricht außerdem das Solokonzert des österreichischen Cellisten Clemens Sainitzer zu werden, der am Sonntag mit seiner genreunabhängigen Herangehensweise an sein Instrument im Bergbau- und Gotikmuseum Leogang in erstaunliche Gefilde vordringen lässt. Den Konzertreigen beenden könnte man dann auch schon an ebenjenem Ort mit dem zum zweiten Mal auftretenden Akkordeonisten Klaus Paier, der am Sonntag auf den Saxophonisten und Klarinettisten Gerald Preinfalk trifft, die gemeinsam den Blick in Richtung Balkan, Klezmer und arabische Tonkunst wagen.
Fazit
Wird man nach eingehender und intensiver Rezeption der Konzerte von »3 Tage Jazz« wissen, was Jazz in der Gegenwart ist und bedeuten könnte? Eher nein. Man wird aber seine vielfältigen Positionen und Möglichkeiten kennengelernt und seine Geschichtsversessenheit ebenso wie seinen Zukunftsfanatismus erlebt haben. Und allein das ist schon ein großes Geschenk.