Sudan Archives ist das musikalische Alter Ego von Brittney Denise Parks, einer in Cincinnati, Ohio geborenen und mittlerweile in Los Angeles ansässigen Musikerin. Der Name Sudan Archives bezieht sich einerseits auf einen selbstgewählten Namen, den die Künstlerin aus Unzufriedenheit mit ihrem ursprünglichen Namen annahm, und andererseits aus einer Leidenschaft fürs Plattensammeln und einer Faszination mit dem Feld der Ethnomusikologie. Nach zwei EPs ist mit »Athena« nun das erste Album von Sudan Archives auf dem ebenfalls in Los Angeles ansässigen Label Stones Throw Records erschienen. Der Albumtitel bezieht sich auf die altgriechische Göttin der Weisheit und eine spielerische Freude an Gelehrtheit ist eines der Elemente, die die Anziehungskraft von Sudan Archives ausmachen. Ein weiterer möglicher Bezug besteht zu der umstrittenen, aber einflussreichen Black Athena Theorie des Historikers Martin Bernal.
Sudans Hauptinstrument ist die Geige in Verbindung mit einem Loop-Pedal. Durch die Linse einer Ethnomusikologin beschäftigt sich die Künstlerin mit verschiedenen Geigentraditionen, die sie mit HipHop-, Trap- und R’n’B-Beats und Elementen experimenteller elektronischer Musik zu einem so eigenständigen wie eingänglichen Soundgebräu vermischt. Über die Dauer des gesamten Albums ist es erstaunlich, wie scheinbar leicht es Sudan Archives gelingt, auf den ersten Blick schwer verbindbare musikalische Elemente sowie auch eine Reihe an Kollaborateur*innen zu einem Ganzen zu verbinden, das immer unverkennbar Sudan Archives ist. So basiert zum Beispiel das von Will Archer co-produzierte »Glorious«, eines meiner persönlichen Highlights des Albums, auf einer keltisch/appalachisch anmutenden Geigenfigur, die sich nahtlos in den massiven HipHop-Beat einfügt und auch einen perfekten Hintergrund für den Gastauftritt des Rappers D8 bietet. Auf »Confessions« nehmen die Geigenparts beinahe orchestralen Charakter an und dienen einerseits als rhythmische Ergänzung zu den Beats, umspielen an anderer Stelle die Stimme melodisch. »Confessions« geht nahtlos in »Black Vivaldi Sonata« über, das trotz seiner Kürze einen zentralen Platz auf dem Album beansprucht. Die LP-Version des Albums beinhaltet eine Partitur des Stücks, in dem Sudan Archives über einen von Black Taffy produzierten stolpernd-hypnotischen Beat geloopte bzw. mehrspurige Pizzicato-Geigenparts webt, die an Harfen erinnern und damit eine klangliche Referenz zu zentralen Black-Avantgarde-Figuren wie Alice Coltrane und Dorothy Ashby herstellen. Textlich setzt sich Sudan Archives in diesem Track mit der Figur Luzifers als gefallenem Engel auseinander. Generell scheinen Dualitäten ein roter Faden in den Lyrics des Albums zu sein. So werden zum Beispiel in der einleitenden Nummer »Did You Know?« kindliches Selbstbewusstsein mit erwachsenen Ängsten und Unsicherheiten kontrastiert.
Das abschließende, von Kenny Gilmore koproduzierte »Pelicans in the Summer« ist ein perfekter Neo-Soul Groover, in dem die Geigen wiederum fast wie Streichersynths wirken und zu der psychedelischen Grundatmosphäre beitragen. Sudan Archives ist mit »Athena« ein hervorragendes Debütalbum gelungen, das es schafft, eine eklektische Auswahl an musikalischen Elementen zu einem sehr eigenständigen und wiedererkennbaren Stil zu fusionieren. Sie liefert damit ein psychedelisches R’n’B-Highlight, das ähnlich wie früher in diesem Jahr bereits Solanges »When I Get Home« tief in der Musikgeschichte verwurzelt ist und gleichzeitig eindeutig in die Zukunft der Musik weist.