Die Tanzperformance von Dana Michel zeigt auf der Odeon-Bühne ein Wesen. Nicht definiert. Nicht fixiert von Genderkörperbewegungen. Jede Sekunde bleibt offen. Offen für ein Staunen, für ein Überraschtwerden. Eine Kreatur erscheint. Sie nimmt sich die Stille der Langsamkeit des Moments, absichtslos. Das Publikum ist nah, es könnte die Künstlerin berühren, sitzt mit ihr auf der großen Bühne des Odeon. Ein Ausgesetztsein, das berührt. Dazwischen verschwindet das Wesen hinter dem und im Publikum, löst die klassische Theatersituation zwischen Schauenden und Angeschauten auf. »No Fixed Positions No Fixed Positions No Fixed Positions« (Dana Michel).
Die Poesie eines tanzenden Wesens
Dana Michel bleibt nackte Kreatur. Sie transformiert sich mit Kleidungsstücken, die an- und wieder ausgezogen werden. »Just a playful form.« Ebenso agiert sie mit Alltagsgegenständen, daraus entsteht eine Kontinuität im Tanz, der in der Interaktion mit sich und den Dingen Sound produziert. »An amalgam of intuitve improvisation, choreography, and performance art, my artistic practise is rooted in exploring the multiplicity of identity. I work with notations of performative alchemy and lucid dreaming – using personal history, current preoccupations, and future desires to create an empathic centrifuge of live moments between myself and witnesses.« (Dana Michel). Das erotische Begehren bleibt in dieser Performance virulent in der Frage: Wer/was bist du? Dana Michel entzieht sich einer sexuellen Objektivierung, entlässt auch das Publikum aus diesem Status. Mit dieser Freiheit, amorphe und verletzliche Subjekte zu sein, sich ständig verändern zu können, gehen die Zuschauenden in die Nacht. Plurale Identitäten sind einfach schöne Seinszustände. »Cutlass Spring« ein poetisches Stück, das ermutigt und zutiefst berührt.
»The Selfie Concert«
Ivo Dimchev betritt den Raum im Untergeschoß des Leopoldmuseums mit einer Tasche voller Perücken und Blumengirlanden, geht singend mit Mikrophon und Smartphone ins Publikum, um sich und dieses zu fotografieren und zu filmen. Vor dem zweiten Song, ein Keybord auf den Oberschenkeln, stellt er klar, dass er sofort zu singen aufhört, wenn nicht mindestens drei Menschen ein Selfie mit ihm machen. Es gibt ungefähr drei Singpausen in dieser Stunde, das Publikum ist überaus aufmerksam und unterstützend. Und da ist sie, diese großartige Stimme, die in und aus seinem präsenten Körper tönt. Seine poetischen Lyrics in seinen musikalisch komplexen Liedern erfüllen den Raum: »I-Cure«, »Travelling Light«, »Lucky Day«, »Raise Me«, »Rain« und neue Lieder. Ein wunderbares Konzert, das eine bessere Tonakustik verdient hätte – irgendwann, hoffentlich in baldiger Zukunft, wird Ivo Dimchev im großen Saal des Konzerthauses singen– und wir werden dort sein!