Zwei Scherzvögel der »Daily Show« haben sich einmal einen Spaß erlaubt: Sie gehen durch New York und stapfen in öffentliche Gebäude rein. Der eine von ihnen ist angesoffen, nur leidlich in abgerissenen Fetzen adjustiert und hat wirklich miese Laune. Der zweite ist in feinem Zwirn, höflich und völlig ruhig. Reingelassen haben sie immer den ersten. Der zweite wurde sorgfältig kontrolliert und teilweise hat man ihm den Zugang verwehrt. Und, schon erraten? Ganz richtig, der erste war weiß wie eine Kalkleiste, der zweite aber schwarz. Diese Art von bitterer Alltagsdiskriminierung ist im Zusammenhang mit Exekutivbeamt*innen häufig tödlich. In einem völlig unerträglich hohen Maß werden Farbige häufiger kontrolliert als Weiße und mitunter enden diese Kontrollen dann mit dem Tod von unbewaffneten Farbigen. Der US-Footballer Colin Rand Kaepernick hat dies eines Tages nicht mehr ausgehalten und fiel während der Nationalhymne auf die Knie. Er kniete nieder im Gedenken an all die Opfer der Rassendiskriminierung und aus Verbundenheit zur Bewegung »Black Lifes Matter«. Sekunden später lief der Medienzirkus so heiß, dass die Zahnräder glühten.
Niemand will den Mist mehr machen
Es gibt da diesen Senioren im Weißen Haus, der bekanntlich nicht mehr richtig tickt, und der sah in Kaepernicks unterlassenem Strammstehen bei der Hymne einen Verstoß gegen nationale Ehre und uralte Traditionen. Nun, die Hymne wird bei NFL-Spielen erst seit einigen Jahren gespielt und ob man sein Land nur lieben kann, wenn man während des »Star-Spangled Banner« aufsteht und bedeutungsschwanger zum Himmel schaut, ist nicht ganz so eindeutig. Alle machen das jedenfalls nicht im Stadion – man ist ja nicht in Nordkorea. Ironiker*innen erklären die Aufregung so: Man befände sich gerade im 158. Jahr des amerikanischen Bürgerkrieges und da Trump ein Südstaatenpräsident sei, hetze er eben gegen die befreiten Sklaven und deren unerhörtes Verhalten. Außerdem hätten sie im Süden noch lange nicht diesen Barack Hussein Obama II verdaut und deswegen sei ihnen jede Gemeinheit Trumps recht, denn diese böte Satisfaktion. Wunden heilen nur langsam.
Der Quarterback Kaepernick erhielt viel Unterstützung für seine emanzipatorische Geste und verlor seinen Job. Seit zwei Jahren will ihn kein Verein mehr unter Vertrag nehmen. Sport und Politik bilden eine schwer durchschaubare Melange. Es mag durchaus sein, dass die Leistungen Kaepernicks schlechter geworden sind und er deswegen nicht mehr in die Startformation eines Top-Teams passt, warum ihn allerdings niemand für die Ersatzbank haben will, ist rätselhaft. Viele vermuten hier die Folgen des sogenannten »Blackballing«. Früher wurden geheime Clubwahlen vollzogen mittels Kugel, die verdeckt in ein Fach gelegt wurden. Eine schwarze Kugel (black ball) symbolisierte das Veto. Im übertragenen Sinn bedeutet dies, wenn nur eine Person im Verein (ein Sponsor oder Funktionär) Bedenken gegen die Publicityfolgen der Einstellung Kaepernicks hat, dann unterbleibt diese. Von wem das Veto stammt, darf geheim bleiben. De facto hat somit der Spieler Kaepernick keine Chance mehr, je in einen Club aufgenommen zu werden. Die rassistische Ausschlussmaschine läuft gut geschmiert. Kaepernick klagt jetzt dagegen.
Unter den farbigen Top-Acts des Landes kam es deswegen zu einer unerwarteten Solidaritätsaktion. Die eigentlich vorgeschlagene Rihanna sagte ab. Cardi B ebenso. Auch weiße Acts wie Pink sagten »Nö, lasst mich raus« und die Komikerin Amy Schumer zog sich aus der Teilnahme an einer Werbung zurück. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass sich das Fernsehjahr in den USA um den Super Bowl dreht. Die Einschaltquoten verzehnfachen sich, die eigens für den Abend produzierten Werbefilmchen sowie natürlich die Half-Time-Show sind nicht selten wichtige Karriereschritte für die teilnehmenden Künstler*innen. Früher hätte man getötet für die Chance, heute winken viele ab. Ob sich gerade die Lage im Ganzen wandelt, schließlich will auch keiner mehr die Oscarverleihung moderieren, ist noch nicht abzusehen. Die Solidaritätsbekundungen dürfen dennoch zunächst einmal ernst genommen werden – soweit überhaupt irgendetwas im Big Business des Entertainments ernst genommen werden darf.
Ach ja, die Show
Zum Top-Act und Opener der Show nur ein Satz: Wer gerne in Läden wie »Forever 21« oder »Pimkie« geht, um dort die Musik zu genießen, findet mit Maroon 5 sicherlich die ideale Beschallung auch für daheim, für alle anderen muss schleunigst ein Mantel des Schweigens (z. B. schwarz-kariert mit Bindegürtel und Kunstfellkragen) gekauft und über die Band ausgebreitet werden. Nach dem Start durch die müden, rockig-sanften Maronen werden dann die Hoffnungen des Publikums grausam in die Irre geleitet. In einer Videoeinspielung scheint sich Sponge-Bob anzukündigen, dann erscheint aber im per Videotrick zur Erde gefallenen Meteorit doch nur Travi$ Scott. Travi$ ist aktueller Meister des ADHS-Hiphop. In seinen Videos muss er ununterbrochen dokumentieren, dass spärlich bekleidete Frauen gerne mit ihren Hintern vor seiner Nase wackeln, der Meister aber am liebsten kifft. Wohl bekomm’s. Nach drei Travi$- Songs kann man leicht eine veritable Autotune-Allergie bekommen, deswegen spielt er auch nur zwei. Puh – beim Duett von Travi$ mit den Kuschelrockern wird klar, dass 13 Minuten im Showbiz eine Ewigkeit sein können.
Nachdem Travi$ verschwunden ist, entzünden Teenage-Girls erleichtert Lampions, auf die sie fromme Wünsche mit Permanentmarker gekritzelt haben. »Feel«, »Smile«, »Overcome«. Sie lassen die Lampions andächtig zum Himmel fliegen. Der Super Bowl ist die Feierstunde der marktkonformen emotionalen Manipulation. Natürlich weiß man, auf was man sich einlässt, aber bei dieser Aktion sei eine Zwischenfrage erlaubt: »Glaubt ihr, dass wir alle komplett verblödet sind?« Übrigens fliegen die Lampions gar nicht wirklich, war alles nur ein CGI-Effekt. Ist ja auch viel zu gefährlich. Dann kommt endlich Big Boi, der für die Konzeption seines guten Auftritts sicherlich mehrere Sekunden gebraucht hat. Im Cadillac fährt er mit Goldketterln und dickem Pelz umhüllt vor. Er bringt ein bisschen Musik, Coolness und so etwas wie Humor mit. Nach zwei Nummern (die im Stadion nicht sonderlich zünden) wird dann der zweite farbige Hiphopper von den Kartoffelrockern von der Bühne komplimentiert.
Zu Big Boi noch eine abschließende Anmerkung: Wer eine Diskriminierungserfahrung in den Knochen hat, bekommt ein anderes Verhältnis zum Reichtum. Denn Geld ist in einer kaputten, kapitalistischen Gesellschaft die einzige Möglichkeit, Anerkennung zu finden. Preise, Ämter und solches Zeug bekommen schließlich fast auch immer nur die Vermögenden. Deswegen ist im rassistischen Amerika Vermögenssicherung alles andere als farbenblind. Das Problem, das sich hieraus für die Schwarzen ergibt, hat Chris Rock gut zusammengefasst: »When a white man gets rich, he will be rich and his children and grandchildren also. When a black man gets rich, it’s countdown ’til he’s poor again.« Deswegen sind den Hiphoppern ihre Unternehmungen und das ganze Bling-Bling so wichtig. Nur damit können sie sich selbst und dem Rest der Welt ihren gesellschaftlichen Status belegen. Unter dem »Südstaatler« Donald Trump darf man leider tatsächlich befürchten, dass ihnen alles andere weggenommen werden kann. Dagegen hilft letztlich nur Reichtum.