Es hätte sie amüsiert. Dass sich jemand an Allerheiligen/Allerseelen hinsetzt und einen Nachruf auf sie schreibt. Mit ihrem unvergleichlichen Lächeln hätte sie sich still gefreut. Dabei kannte ich sie gar nicht gut. Einmal, nach einem Arbeitstag als Volontärin beim mica – music austria, fragte mich Heike, ob ich sie begleiten will. Ich weiß nicht mehr warum, ich glaube, ich wollte ihren damals noch kleinen Sohn kennenlernen. Auf jeden Fall gingen wir in ein sündteures Blumengeschäft, in dem Blumen einzeln präsentiert wurden und circa 40 Euro das Stück kosteten. Keine Ahnung, wieso die so teuer waren. Es war ein riesiges, ziemlich leeres Blumengeschäft, mit weißem Boden. Heike kaufte einen Strauß, der mit Metern an Tüll nicht umwickelt, sondern umkränzt wurde und der sie wohl ein Wochengehalt kostete. Der teure Strauß war für niemanden Bestimmten gedacht, nur für sie selbst. Der Sohn sah auch edel aus, mit Popper-Frisur, und wurde sehr liebgehabt, sie strich ihm ständig über den Kopf, unter dem Vorwand, seine Haare zu richten. Eine edle Frau, dachte ich damals, wohl aus gutem Hause, mit viel Sicherheit im Hintergrund und finanziell abgestürzt, denn sonst kam sie mir nie besonders reich vor – vor allem als Alleinerzieherin. Aber sie hatte hohe Ansprüche auf ihre spezielle Art von Ästhetik.
Begrüßungskomitee im Transit
Genauso edel war ihre Einstellung zum Leben – sie war zu jedem und jeder freundlich, auffällig im mica, mit seinen Angestellten, die sich eher heraushielten, wenn Besucher*innen eintraten. Heike war für den Bereich Frontdesk und Publikumsservice angestellt. Ihre Aufgabe war, Personen zu begrüßen und zu bewirten, so auch Mamadou Diabate den ich dort in der Küche interviewte. Sie saß an ihrem Schreibtisch in einem Zwischenraum, im Transit zwischen Küche und Eingang, als eine Art einköpfiges Begrüßungskomitee oder Empfangsdame. Immer cool, meistens gut gelaunt. Den größten Teil ihrer Zeit verbrachte sie dort im Transit, sie erschien nicht so oft in den anderen Räumen. Zumindest nicht in der Zeit, in der ich dort war. Ich hielt das mica mit seinen männlichen Hierarchien und finanziellen Großprojekten schwer aus, aber das ist eine andere Geschichte.
»Laid back«-Schlagzeugerin
Eine Seitenbühne im ehemaligen Ost Klub, ein großes Fest. Heike am Schlagzeug. Nonchalant spielte sie immer eine Spur zu lässig, eine Zehntelsekunde hinterher – »laid back« nennt sich diese Art zu spielen. Es war die Frauenband Propella mit noch zwei Frauen. Die anderen waren gewöhnt an ihre Spielweise. Sie spielte ein Solo, an das kann ich mich erinnern – mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Sie freute sich am Leben, an den Momenten. Der Ost Klub war sowieso Kult. Damals schrieb ich nichts über sie, denn ich hatte nichts zu schreiben mit bei dem Fest und ohne Mitschrift fehlen mir die Details. Ich wartete auf das nächste Konzert, doch dazu kam es leider nie. Nach Propella (bis April 2015) spielte Heike Mangold bei der Wiener Gitarrenband PUCA Schlagzeug und hat in den Bandmitgliedern gute Freunde gefunden, die ihr während der schweren und langen Zeit ihrer Krankheit beistanden.
»She starts playing in a punk band called Open the Barngates and played with them for two years«, schreibt Robert Carrithers im Jahre 2010 über Heike Mangold. »She then went on to start an all-girl band called Mangold. Heike then had a child and stopped playing music for a few years, but couldn’t get the music out of her blood and played in a band called The Cover Versions, a project in memory of a band member who killed himself.«
Im September 2018 ist die nonchalante Heike Mangold leider mit erst 52 Jahren an Krebs verstorben. Bis zum Ende hoffte sie auf Heilung.