Klaus Waldeck und der Sängerin Patrizia Ferrara ist 2018 mit »Atlantic Ballroom« ein würdiger und kurzweiliger Nachfolger zu den »Ballroom Stories« von 2007 gelungen. Die Feature-Liste beinhaltet auch die Langzeit-Weggefährtin Joy Malcom und den in Wien lebenden Big John Whitfield. Am 14. und 15. Oktober präsentiert Klaus Waldeck an zwei Abenden im Rabenhof Theater Wien seine jazzig-bluesigen Piano-Figuren, gewürzt mit Blechbläsern und eingängigen Gesangslinien. Entspannte Nostalgie flirrt durch elektronische Illusionen einer phantasmatischen Ära.
skug: Welche Bevölkerungsschichten, denkst du, hören Waldeck?
Klaus Waldeck: Das lässt sich ja mittlerweile mit dem Trackingtool Google Analytics ganz gut eruieren. Generell mehr Männer als Frauen, die Altersgruppe von 25 bis 45 Jahren ist die größte. Interessant ist auf jeden Fall die Länderstatistik. Amerika ist dabei mein größter Markt, dann kommen Deutschland, Frankreich und Spanien. Österreich kommt erst auf Platz 18. Das macht die Vermarktung in Österreich schwierig, weil in absoluten Zahlen habe ich wahrscheinlich mehr Hörer*innen als, sagen wir, Wanda, aber im lokalen Markt doch nicht den Hebel. Die Hörer*innenschaft ist eben über den gesamten Globus verteilt. Istanbul ist die Stadt mit den meisten Hörer*innen, dann kommen erst Paris und London.
Gab es ein Schlüsselerlebnis in deiner Laufbahn als Musikproduzent?
International wahrgenommen und angenommen zu werden, hat mein Selbstvertrauen gestärkt. Es begann mit dem Erfolg in Frankreich Ende der 1990er-Jahre mit den Alben »Northern Lights« und »Balance of the Force« auf dem österreichischen Label Spray Records – welches in weiterer Folge von Bertelsmann BMG gekauft wurde.
Du hast ja Anfang der Nullerjahre dein eigenes Label Dope Noir Records gegründet. Welche Überlegung steckte hinter der Labelgründung?
Das war 2001, als ich das Label gegründet habe. Und ich kann nur sagen, ich habe keine Minute bereut, es hat sich auf jeden Fall für mich bezahlt gemacht, auch weil ich jederzeit den Laden zusperren könnte, wenn ich kein Interesse mehr daran hätte. Wenn man einen Vertrag mit einem Major-Label hat, tut man sich da schon schwerer, wenn man schon einen riesigen Vorschuss kassiert hat. Der Linzer Kollege Parov Stelar ist ja sehr erfolgreich den anderen Weg gegangen.
Das neue Album heißt »Atlantic Ballroom« und nimmt damit anscheinend auch Bezug auf das Album »Ballroom Stories« von 2007. Wie erklärt sich der Name »Atlantic«, kann man Waldeck als Import-Export-Unternehmen verstehen, das Musik nach Übersee und wieder zurück verfrachtet?
Ich habe versucht, einen Namen zu finden, der bei Rezipient*innen ein zur Musik passendes Bild erweckt. Lange Zeit hatte ich den Arbeitstitel »It Might Be French«. Es war diese Achse des gegenseitigen Einflusses von Paris und der Ostküste der USA, dieser starke Austausch im Bereich der Jazzmusik in den 1960er-Jahren. Ich habe das jetzt aber nicht musikhistorisch recherchiert. Das »Atlantic Ballroom«-Album ist ein Tribut an die Fans, die ständig nach einem Nachfolgealbum »im Stil von« gefragt haben. Das war eine Zwickmühle für mich, weil musikalisch entwickelt man sich ja weiter. Trotzdem versucht man, vielen Ansprüchen gerecht zu werden. Natürlich könnte man auch sagen, als Künstler sollte man immer nur das machen, was man selber will. Und das habe ich eh mit dem letzten Album »Gran Paradiso« versucht.
Die Electro-Swing-Fußfessel haftet an deinen musikalischen Fersen. Du wirst ja nicht zu Unrecht auch zu den Begründern des Electro-Swing gezählt.
Diese neuartigen Streaming-Vertriebsmethoden machen es einem noch schwerer, aus dem, was das Publikum will, auszubrechen. Wenn man ihm etwas Genrefremdes vorwirft, dann wird das von den Algorithmen nicht erkannt und vorgeschlagen. Das, was bei Spotify in der Musikwelt stattfindet, findet ja in anderen Bereichen genauso statt. Die Gesellschaft wird immer mehr in Filterblasen polarisiert.
Wo kommt diese Unbeschwertheit her, die man bei den neuen Songs raushört? Wenn man an die Anfänge denkt, Alben wie »Northern Lights« oder »Balance of the Force«, so waren die deutlich düsterer.
Einerseits war das damals in den 1990er-Jahren die Zeitströmung namens TripHop, von der ich nicht vollkommen losgelöst war. Dann ist andererseits eine Produktion wie die aktuelle vom Arrangement und den Mitwirkenden ungleich aufwendiger. Beim aktuellen Album waren über zwanzig Musiker*innen beteiligt. Die aktuellen Nummern sind auch kürzer als die damaligen TripHop-Tracks. Ich habe mittlerweile das Gefühl, in diesen drei Minuten alles sagen zu können. Ich möchte bei den Songs keine künstlichen Verlängerungen.
Was mir an den neuen Songs gut gefallen hat, ist diese Leichtigkeit und Vertrautheit, die sie erzeugen und womit sie wirklich nahtlos an »Ballroom Stories« anschließen.
Das ist schon gewollt, aber nicht immer leicht zu erzeugen. Eine lustige Anekdote dazu war, dass mein 16-jähriger Sohn seinen Schulfreunden erzählt hat: Mein Vater sitzt jetzt schon lange am Track-Listing. Ein Schulfreund sagte dann darauf: Ja, das kann ich mir vorstellen, das hat sicher ein paar Stunden gedauert. Darauf mein Sohn: Nein, das hat sieben Wochen gedauert.
Wie hast du die Sängerinnen ausgewählt?
Die Hauptsängerin Patrizia Ferrara ist durch ein »blessing in disguise« in mein Leben getreten. Bei der Albumpräsentation meines letzten Albums »Gran Paradiso« ist die damalige Sängerin Heidi sehr kurzfristig vor dem Konzert ausgestiegen. Ein paar Tage vor einem Konzert einen adäquaten Ersatz zu finden, ist natürlich unheimlich schwierig. Der Bassist Rüdiger Kostron kannte Patrizia Ferrara von einem Konzert in Linz. Und sie hat sich dann auch bereit erklärt, so kurzfristig einzuspringen. Erst im Anschluss an die darauffolgende Österreich-Tour hat sich herausgestellt, dass sie die anderen alten Waldeck-Nummern, die wir auch im Programm hatten, ebenfalls bravourös meisterte. Sie konnte sich stimmlich sowohl auf die italienischen als auch die jazzigen Nummern einlassen. Wir haben dann sofort nach der Tour begonnen, gemeinsam Songs zu schreiben. Ich hatte angefangene Sachen in der Schublade, die Patrizia mit ihren Songwriting-Fähigkeiten vollenden konnte. Anders war es aber zum Beispiel bei »Rough Landing«, dem Opener des neuen Albums, diese Nummer haben wir komplett neu komponiert.
Die Albumpräsentation ist nun am 14. und 15. Oktober im Rabenhof Theater.
Wir starten unsere Österreich-Tour im Rabenhof Theater. Ein paar Stücke, die auf das Album »Atlantic Ballroom« gefunden haben, sind dort schon einmal im Rahmen von Musicals meines Bruders Peter Waldeck präsentiert worden. Für mich ist es schön, dass sich sozusagen dieser Kreis schließt und Songs aus den Musical-Produktionen »Columbo Dreams« von 2012 und »Phantomas – das Action Musical« von 2008 auf das Album gefunden haben. Als Bühnenrequisite für die Konzerte im Rabenhof Theater habe ich mir einen Fadenvorhang ausgewählt, den ich auf einem alten Foto gesehen habe und gut für dieses Zeitgefühl auf dem Album empfand.
Link: http://waldeck.at/