Pünktlich zum Sommerbeginn hat DJ Koze ein neues Album produziert. Und wie sich das für einen deutschen Superstar und selbstbetitelten Quatschkopf der elektronischen Tanzmusik gehört, wird er bereits jetzt dafür gefeiert. Weniger aus einem ersichtlichen Willen zur Innovation und Weiterentwicklung heraus, als vielmehr eben jener Muße willen, einmal mehr tief in die verlotterte Mottenkiste von Techno und House gegriffen, seine früh-anarchischen HipHop-Einflüsse wiederkauend ausgespuckt und die Zusammenarbeit mit einigen anderen KünstlerInnen als heißesten Scheiß des Sommers verpackt zu haben. Denn das, was sich als Album über 16 wild durcheinandergewürfelte Stücke definiert, klingt in etwa so, als hätten die beiden Herren von Daft Punk ihre verspiegelten Vollvisierhelme seit zwanzig Jahren verkehrt herum getragen. Zum Trend ließe sich selbst so etwas nicht instagrammen. Bekannterweise erstreckt sich das Erinnerungsvermögen von Menschen aber ohnehin nur auf die flüchtige Dauer zwischen ihrem letzten Status-Update und der Erkenntnis, dass sich wieder niemand für den literarischen Erguss von heute Morgen erwärmen konnte. Dementsprechend lässt sich alle zwei oder drei Jahre auch locker eine ausgemachte Techno-Nummer produzieren, die mit ihren endlos wiederholenden Akkordabfolgen zum Sommerhit avanciert und für die verdiente Altersvorsorge des gerissenen Produzenten herhalten darf.
Ein Sommer wie damals
Die als Single so erfolgreiche Albumauskopplung »Pick Up« wird derweil schon als instant classic beklatscht. Der Sound des Sommers sei das, yeahh! 2018 wird voll super, weil es so klingt wie 1998! Tatsächlich gibt es nicht nur keine Unterschiede, sondern auch keine Anstrengungen, diese nicht vorhandenen Unterschiede anders klingen zu lassen. Hört euch zum Vergleich einfach Stardust mit ihrer French-House-Hymne »Music Sounds Better With You« an. Thomas Bangalter von Daft Punk war da übrigens federführend als Roulé Labelchef mit dabei – und überhaupt und generell war das eh alles super, was Ende der 1990er von Frankreich aus die Welt eroberte. Nicht überzeugt? 2001 gab es von Modjo mit »Lady (Hear Me Tonight)« den nächsten Hit, der so klang wie heute DJ Koze klingen möchte. »Pick Up« lässt musikalisch und visuell (das Video ist so etwas wie die untertitelte Beschreibung dessen, was über die sechs Minuten lange Albumversion passiert – und das ist wenig) »Raum für Imaginationen«, wie es in der Beschreibung des Titels so wunderbar umschrieben steht. Die Leute werden also nicht nur mit dem aufköchelnden Dasein von untotem French-House konfrontiert, sie dürfen sich in ihrer Begeisterung auch gleich noch alles selbst erschließen. Spitze Zungen nennen das den Techno-Taylorismus. Wie großzügig, Herr Koze!
Zwanzig Jahre zu spät
Zugegeben: Kozalla ist bei weitem nicht der Einzige, der sich auf derlei einfache Mittel beschränkt – und überhaupt wäre es vermessen, ein Album einzig an dessen vermeintlichem Hit aufzuhängen. Allerdings tut sich auch sonst reichlich wenig, das nicht auch von jeder beliebig anderen, gerne mal als Querdenker titulierten Figur der zum Kommerz übergelaufenen Techno-Szenerie kommen könnte. Die zahlreichen, von außen kommenden Einflüsse tragen selten zu einer Erweiterung des eigenen Anspruchs bei und zeugen eher von der potenziellen Breite seines Adressbuchs. »Moving In A Liquid« stolpert mit Autotune-verfremdeter Stimme in die Arrested-Developement-Nummer »Colors of Autumn«, für die eigens Todd Thomas alias Speech ein paar Zeilen zum Besten gibt. »This is my Rock« ist mit Sophia Kennedys Zutun zu einem seltenen Lichtblick geworden. Die US-Amerikanerin veröffentlichte im letzten Jahr just auf Kozallas Pampa Records ihr tolles Debut und steuert ihre Stimme dankenswerterweise noch auf einer weiteren Nummer bei (»Drone Me Up, Flashy«). Zwitschernde Vöglein (wie idyllisch!) leiten inzwischen das schon damals nur schwer zu ertragende Gesäusel von José Gonzáles ein, den ein paar Altbackene vielleicht noch von der schwedischen Band Junip kennen, aber das ist mittlerweile auch schon gefühlte Lichtjahre (2013) her. Spätestens nach einer halben Stunde fragt man sich, wohin die ganze experimentelle Leichtigkeit verschwunden ist, die auf »Amygdala« noch so hervorgestochen hat. Kurt Wagner (ja, der von Lambchop) geht im ewig gleichen Einheitsbrei aus persönlichkeitsentfremdeten Effektgeräten unter, und auch die bessere Hälfte der ehemals ganz erfolgreichen Moloko, Róisín Murphy, kann letztlich wenig ausrichten. »Knock Knock« ist zwanzig Jahre zu spät – klingt so elektronische Clubmusik im Jahr 2018?