Als Xiu Xiu das erste Mal in Wien auftrat, zur Fabulous Muscles Tour 2004, habe ich mir das erste Österreich-Autogramm von ihn geholt. Er schrieb aufs Tour-Plakat: »Dear Marko. The candy store will never close because of you. Love Jamie«. Es war eine kleine und familiäre Runde im Chelsea versammelt gewesen. Es war ein schöner Abend.
Zwei Jahre später hat Jamie Stewart sein vielleicht bestes Album »La Fôret« herausgebracht, und es hat sich langsam rumgesprochen. Wenn es einen störenden Aspekt an seinem Auftritt letzten Sonntag gab, dann war es die Überfüllung des Raumes. Bei der Nähe, die einem die Musik bietet, bei der emotionalen Vereinnahmung braucht man nicht noch zweihundert andere Leute, die sich über das Bier unterhalten. (Und es war das erste Mal, dass mich so was bei einem Konzert wirklich gestört hat.) Vielleicht war diese gedrängte Publikums-Atmosphäre auch der Grund, warum Jamie nur 40 Minuten auf der Bühne verbrachte. Aber 40 Minuten, die eben alles zu bieten hatten.
Xiu Xiu sind deswegen so unglaublich essenziell, weil sie schlicht und einfach an der Grenze des Sagbaren der Popmusik operieren. Weil dieses verstimmte Songverständnis, diese Instrumentenwahl und Jamies Art zu singen einfach Universen auftun, vor denen alle anderen Bands Angst haben. Weil es dort Sachen zu hören und fühlen gibt, die sonst immer unter der Oberfläche gehalten werden. Weil Xiu Xiu Tabubrüche und emotionalen Overkill als selbstverständlich ansehen, und dabei – mit all ihrer Schwierigkeit – im Endeffekt wunderschöne Musik produzieren (auch wenn Stewart diesmal gar nicht bis zum Hit »I Luv The Valley Oh!« kam…). So wunderschön, wie sich eine Kindheitserinnerung an einen Süßigkeitenladen anfühlen muss.