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Urbs & Cutex – HipHop Talks!

Im Herbst 2003 lancierten Urbs & Cutex ihr neues Album »Peace Talks!« (Hongkong Recordings/Soul Seduction), mit dem sie erfreulich entspannt dem Goldenen Zeitalter klassischen HipHops die Reverenz erweisen.

Vor zehn Jahren trat eine bekannte Wiener Zeitung an mich heran, etwas über bzw. gegen Gewalt & Sexismus in Dancehall und Rap zu schreiben. Ungeschickt in jeder Hinsicht, versuchte ich zuerst eine Rechtfertigung, dann, entmutigt, eine Erklärung der Genres. So oder so – man wollte es nicht. Stile, die Buju Banton oder N.W.A in den Medien-Headlines hatten, durften nur unter dem soziologisch-zoologischen Blickwinkel einschlägiger Textzitate besprochen werden. Das hat sich inzwischen – immerhin – ein wenig geändert … Als ich vor wenigen Wochen meinen jungen alten Freund Paul Nawrata aka Urbs über den Weg lief, kam die alte HipHop-Sache wieder ins Rollen. Eine Vorab-CD des neuen Albums »Peace Talks!« und ein DJ-Set im Flex machten mir Lust auf mehr. Zum 3-Stunden-Interview kam dann auch David Schuller aka Cutex mit einer Tasche voll Vinyl. Wir ließen ein gutes Vierteljahrhundert HipHop Revue passieren.

The Whole Lotta Interview (4-Seiter in der skug-Printausgabe Vol. 57) going on:

Paul zeigt mir sein Lieblings-HipHop-Mag »Grand Slam«:
Ein bahnbrechendes Interview mit MC Serch schon alleine. Siehst eh wie ausführlich, und alles O-Ton. Dann eine Story über den Fotografen, der alle Biz Markie-Covers gemacht hat. Wie gesagt, das (Interview) mit MC Serch ist auf zwei Issues verteilt. Arge Storys, die er erzählt, weil in erster Linie war er ja Talente-Scout und hat Nas entdeckt und Non Phixion und OC und was weiß ich, wen allen. … (Paul legt die neue Ghostface Killah auf) Wie gesagt, allein die Geschichte von diesem George Dubose, diesem HipHop-Fotografen, ist schon ein Hammer. Das muss echt ein lustiger Typ sein, der wirkt eher so wie wenn er Lower-East-Side-mäßig unterwegs wäre, ein New Yorker Künstler-Typ. So was find ich ja total super: oben eine Frage – und dann eine ganze Seite Antwort. Und das Beste bei der letzten Frage: »Willst noch irgendwas sagen?« Und er: »Ja ich brauch Jobs, gebt mir Jobs. Hier meine Website. Kontaktiert mich, ihr könnt Originale kaufen.« Ich glaub, dass das früher dieses »Big Daddy«-Magazin war, und die sich umgetauft haben. Ich weiß nicht, ob du das kennst?

Ich finde es schwierig in der letzten Zeit, mich bei gutem aktuellem HipHop auf dem Laufenden zu halten.
Ja es ist schwierig, weil man muss sich bei HipHop mittlerweile bei so viel Schrott durchkämpfen; es ist irgendwie schlimmer wie bei Techno. Einfach Tonnen von Platten anhören. Du kannst nach gar nichts mehr gehen, weil’s halt leiwande Kommerz-Sachen gibt und leiwande Underground-Sachen, und es ist wirklich schwierig im Moment. Zu sagen: die Sachen sind ein Trend, und die kauf ich mir immer, und das lass ich aus – es gibt kaum mehr eine Crew, wo du dir alles kaufen kannst, mehr oder weniger. Aber die Kritiken hier drin (»Grand Slam«) sind sehr gut eigentlich.

David kommt von der Arbeit an »The Message«, dem Wiener HipHop-Fanzine:
Ja ich mache das Layout für »The Message«, die mittlerweile 16. Ausgabe. … Die komplette Grafik eigentlich, außer dem Grafitti-Teil, den machen meistens irgendwelche Grifitti-Künstler. Aber sonst mach ich alles selbst außer den Anzeigen. Das ist ein ganz gutes Ding. Wenn’s sich ausgeht, du kannst eigentlich eine ganze Zeitung kontrollieren, layouttechnisch. Weil das ist immer so eine Gschicht mit Zeitungsdesign. Früher hab ich die »Jazz Zeit« gemacht. …
Das »Message«, um nochmals darauf zurückzukommen, habe ich auch deshalb übernommen … weil ich irgendwie auch ein bissl so eine idealistische Arbeit gesehen habe. Also ich kann erstens machen was ich will, ich krieg ein bissl ein Geld, und es ist eine Aufbauarbeit insofern, als man das von einem Schülerzeitungs-Level auf ein gehobenes Level bringt. Es entwickelt sich schön langsam wirklich gut, ich glaub die Neuausgabe ist inzwischen wirklich frei von irgenwelchen Volkschulaufsätzen, und das ist schon einmal gut. Es schreiben auch ganz gute Leute, der Jakob Weingartner, der Trishes, Preddy. Und einer der Leute, die mitarbeiten, ist der Daniel der super talentiert ist und Fotos macht und so auch die ganze Linie vorgibt von dem Heft, wie’s ausschauen soll, auch durch seine Fotos – und der macht inzwischen auch Partys so einmal im Monat im Roxy, wo wir auch immer wieder auflegen. Also wir sind Residents, und das ist ausnahmsweise wieder einmal seit ewigen Zeiten, dass eine HipHop-Party gut rennt ohne irgendwelche Dogmen erfüllen zu müssen. Und das sind nicht nur irgendwelche HipHop-Kids, die eh nur Party-Töter sind. (…)

Das englische Magazin »Mojo« hat in einer seiner letzten Ausgaben eine Interview-Collage zur Golden Era des HipHop 1987-1992 (»Criminal Minded« bis »The Chronic«) mit den Protagonisten, der Tenor: Copyright killed HipHop.
Paul: Leiwandes Magazin im Prinzip. Die Rock-Sachen sind immer gut … Ich hätt halt ’93 echt noch dazugezählt, vom Goldenen Zeitalter.
David: Das Goldene Zeitalter von Sampling, oder wie?
Bis Sample Clearing und die anhängigen Prozesse – wie behauptet – diese Musikform kaputtgemacht haben.
David: Also, der erste Prozess, der alles ins Rollen gebracht hat, war halt der Biz Markie mit dem (gegen O’Sullivans expliziten Wunsch verwendeten) Gilbert O’Sullivan-Sample ??? und das war 1993, und ganau ab da kannst sagen, dass die Kurve runtergegangen ist. Und das hat natürlich dem HipHop ein bisschen das Blut entzogen, weil das die Grundlage war. … Jedenfalls hat das viele Fälle ins Rollen gebracht von alten Platten, die alle vor den 90er Jahren schon herausgekommen sind, das ist halt alles danach nach und nach angegangen worden, bis dann eigene Agenturen gegründet worden sind, die sich spezialsiert haben auf das Herausfinden und auf das Rechte-Checken für die Artists, so genannte Sample-Clearing-Agenturen.
Paul: Das sind halt so Mega-Anwaltbüros, wo’s dann halt nur noch um die Kohle geht. (…) Wenn wir hergegangen wären und bei unserer Platte alle Samples gecleart hätten, wären wahrscheinlich fünf Nummern weniger drauf, und es würde in zehn Jahren rauskommen oder so. Es ist vollkommen illusorisch frei mit Samples zu arbeiten und das auch wirklich noch zu veröffentlichen in einem großen Rahmen. Man kann das eigentlich eh nur total umgehen, oder man lasst sich wirklich drauf ein und macht dann die Platte, die irgendwelche Anwälte wollen, dass man macht, mehr oder weniger. … Du scheißt einfach im Prinzip mehr oder weniger drauf. Die ganze Welt ist voller ungeclearter Samples. Anders kannst nicht locker irgendwie HipHop produzieren und einen Track nach dem anderen machen, wennst bei jeder Sache fragst, ob du das jetzt samplen darfst oder nicht. Und insofern ist das halt eine schwer illegale Sache, die man da so betreibt im großen und ganzen. Aber dafür kann man dann halt auch noch HipHop-Platten machen, die sich so anhören wie früher. (…) Wenn bei uns ein Anwalt in Amerika sagt: wir wollen 200 Prozent vom Umsatz, dann macht ihn das auch noch immer nicht glücklich. Man kann also nur schauen, dass es nicht zu bekannt wird. Und rein theoretisch gesehen, das was die Leute wirklich kratzt, sind ja Sachen, die wirklich gut verkaufen und in die Charts wandern, die Geld bringen. Aber bei so Sachen wie eine Gang Starr-LP kann es schon passieren, dass da ungeclearte Samples drauf sind – oder dieses Jazzy Jeff-Album (»The Magnificient«), von dem alle sagen, dass das ein reines George-Benson-Album mehr oder weniger ist, von dem kein einziges Sample gecleart ist. Naja, die guten HipHop-Platten umgehen die Anwälte.
David: Man kann halt sagen, dass jetzt gerade HipHop auf dem Level stagniert, wo er in den 80er Jahren schon stagniert hat oder halt aufgehört hat, kreativ zu sein: wie die Drum Machines da waren und das Sampling noch nicht verfügbar bzw. erfunden war. Das war dann erst wieder eine Energiespritze für HipHop wie das (Sampling) so 1986/87 losggegangen ist. Oder dass Leute halt die Revox-Maschinen benutzt haben, dann ist es halt erst richtig wieder losgegangen mit dem Sampling. Da ist ja auch schon
davon gesprochen worden, dass das ausgelutscht war, das mit den Drum Machines, das hat der Marley Marl auch gesagt, dass er das eigentlich wiederbelebt hat, dass er einfach den Sond rundum erneuert hat. Genauso ist es jetzt wieder; jetzt ist es mit Sampling heiklig, und du kannst nix verwenden, ohne dass du dir die Fingern verbrennst in den Staaten. Aber New York gibt den Sound vor, so ist es einfach: Jeder verwendet jetzt die Keyboards. Das ist halt Geschmackssache, ob einem das gefällt oder nicht, aber das ist jetzt der Sound in den Staaten oder New York. Und in Europa ist es halt immer noch ein bisschen so wie früher, nachdem es hier ja nie so akut war ??? weil man das hier ja nie so vor sich hat, warum es so ist, wie es ist – ist halt immer noch so eine, wie soll man sagen, so eine Nostalgie und irgendwie auch noch so ein Nicht-Loslassen-Wollen von dem Ganzen, weil das ja wirklich auch die goldenen Zeiten waren und sicher die kreativste Phase von HipHop.

Paul: Es wäre vollkommen unleistbar und unrentabel eine Platte wie unsere zu veröffentlichen und alle Samples zu clearen, vollkommen illusorisch, abgesehen davon, dass sie etwa zehn Jahre später rauskommen würde wegen diverser Rechtsstreitigkeiten. Also gehen wir einen Weg, den nicht mehr viele gehen, beinhart drauf scheißen und samplen und aus. …

Was kann das kosten?
Paul: Das kommt immer drauf an, wie mächtig der Typ ist, der auf den Rechten draufsitzt. Die Musiker haben im Normalfall eh nichts zu melden, weil da eh irgendwer anderer auf den Rechten draufsitzt und Geld damit machen will. Normalerweise ist es halt heutzutage so, dass die Leute sagen: Super samplets uns, wir sind sofort dabei, zahlts uns das, das, das …, ist also überhaupt kein Problem, nur muss man Geld dafür auf den Tisch legen.

Ich lege »Silent Weapon« von den Next Men feat. Cutty Ranks auf.
Paul: Cutty Ranks, der ist irgendwie so totgesamplet worden, ich könnt dem Cutty Ranks hundert Platten vorspielen, wo er drauf ist, wo er nichts davon weiß. Das ist halt so ein Punkt: Ab einem gewissen Moment werden gewisse Stimmen im HipHop oder im Dancehall, oder gewisse Sätze werden quasi zu Instrumenten, die sich verselbstständigen, so wie dieses berühmte »Fresh!«. Das ist mehr oder weniger schon ein eigenes Instrument im HipHop. Also die Sounds verselbstständigen sich mit der Zeit. Oder wie manche Leute sich halt daran stoßen, dass gewisse Samples immer wieder vorkommen – da kann man dann als HipHop-Head sagen: Nein, das ist Schwachsinn, weil das gewissermaßen zu einem eigenen Instrument innerhalb des HipHop-Spektrums wird. So wie der »Funky Drummer« von James Brown. (…) Ja, der beste Dancehall MC aller Zeiten (Cutty Ranks). Ich hab ihn angerufen im Hotel am Tag danach (nach seinem Szene-Wien-Gastspiel). Aber theoretisch ist das gar kein Problem, man kann mit dem Cutty Ranks sofort etwas machen. Wenn man ihm eine Kohle gibt. … Ja, ein paar Bekannte um den Vitaminski haben sich etwas ausgemacht, aber es ist dann auch nichts geworden, und ich wollt mich da anhängen und ihm ein paar Lyrics abknöpfen. Wie gesagt, es war halt am Vormittag nach dem Konzert, und er ist dann gleich weitergefahren am Nachmittag. Es ist sich alles nicht ausgegangen. Prinzipiell hat er irgendwie gemeint, für Dub-Plates legt man ihm halt 200 Dollar hin oder was er halt kriegt, und wenn du’s veröffentlichen willst, musst du einen Vertrag machen mit ihm, so in der Art. Aber sonst ist er bei allem dabei. … Ja ist eh ein ziemlich traditioneller Sound (zum Next-Men-Track).
Wennst da anschaust, die erste De La Soul oder die zweite Beastie Boys: Da sind drei Trilliarden Samples drauf. Das ist vollkommen unleistbar, allein schon vom bürokratischen Aufwand, das zu checken, woher das kommt, wer die Rechte hat und so. Absolut abgefahren, ja. Und so schauen eben die Alben auch aus. Wennst heute ein aktuelles HipHop-Album kaufst, von an Typen, den sie groß rausbringen wollen, dann hast halt irgendwie ein Sample von einer Nummer, die jeder kennt, so in der Art, dann noch drei Samples von einer Nummer, die nur Insider kennen, und der Rest ist Sample-frei ??? so stellen sie HipHop-Alben heutzutage mehr oder weniger zusammen. Und so Sachen wie »Done by the Forces of Nature«, da sind in einer Nummer zehn Funk-Klassiker drinnen; das ist sicher nimmer machbar.

Und was gefällt euch von diesen neuen Sachen?
David: Die Neptunes machen das so.
Paul: Das ist ja das Schwierige heute. Man kann nicht mehr sagen, man steht auf das oder das, man muss sich halt aus allen Sub-Genres seine Sachen zusammensuchen. Und man hat dann einen Platteneinkauf, wo man zwei Underground-Maxis hat, eine Neptunes und eine Puff Daddy. Und vier Platten sind super, so auf die Art. Früher hättst halt gesagt, du stehst eher auf den Sound und das lasst halt aus. Das geht irgendwie nimmer, nachdem Underground und Mainstream so zusammengewachsen sind, kann man das nicht mehr sagen. So wie die Neptunes, das ist so eine neue Art dreckiger Sound, der Sampling ersetzt: Die spielen halt Gitarre ein, die ungefähr so klingt wie Curtis Mayfield und machen ihren Standard-Beat dazu. Und dann klingt das schon irgendwie dreckig. Wie geschehen auf dem neuen Neptunes-Album »Clones« bei der Jay-Z-Nummer, die so ein bisschen nach Curtis Mayfield klingt.

Jay-Z hab ich total versäumt.
Paul: Absolut einer der besten Rapper. Er ist für Außenstehende nicht so wirklich wahrnehmbar. Was halt das Markanteste bei ihm ist, ist dass er extrem erfolgreich ist und trotzdem immer noch super Reime hat und halt hingeht und mit seiner Stimme und ein paar Sätzen alles rausreißt. Das kann er schon besser als viele andere oder die meisten anderen. Ein echter Super-MC. (»Yeah Jigga My Nigga«, parodiert ihn David)

Ich hab David die Dancehall Tapes gezeigt, die du mir früher gemacht hast, die könnt ich auch raussuchen, aber wurscht. Echt bahnbrechend, da fehlt eigentlich nichts drauf. Echt alle Anfang-90er-Dancehall-Hits drauf: Cutty Ranks, Chaka Demus & Pliers… »Ring the Alarm«? In irgendeiner Version sicher. In der von den superschnellen Rappern? David: Die Fu Schnickens! Die war super. Einer rappt glaub ich noch. Der Chip Fu oder so. Aber weißt eh, die haben alle keinen Vertrag, rappen alle im Wohnzimmer. Paul: Diese ganzen Helden von früher sind jetzt auf irgendwelchen obskuren Labels, die meisten sind irgendwie gedroppt worden von Raxkus oder Loud und sind jetzt Fat Beats, das ist so ein New Yorker HipHop-Laden, die auch ein Label aufgemacht haben, die diese ganze Flut von Rappern, die gedroppt worden sind von ihren Major Labels, auffangen. De La Soul sind dort gelandet, was irgendwie traurig ist. … In Amerika sind 200.000 (verkaufte Einheiten) schon nicht genug, glaub ich. So Leute wie KRS-1, A Tribe Called Quest oder … Gang Starr, die sind noch nicht gedroppt worden von ihrem Label, aber sicher bald. (Ein Album machen sie noch, dann ist der Vertrag aus – David) Und dann sinds sicher auch auf Koch Records oder so. Obwohl die Leute weltweit 200.000 verkaufen, aber das ist anscheinend zu wenig für diese Firmen. Was schon arg ist, irgendwie, nicht?
David: Na, das muss man eben schon auch dazu sagen, dass Major-Labels auch recht gut waren für HipHop, eh um besagte Zeit (1986???1993), weil die Major Labels sich halt drum gekümmert haben, dass das gscheit gemastert wird, gscheit verpackt wird, gscheit rauskommt, also im Sinne von … also das gibt’s halt nicht mehr, das war schon super, wie Brand Nubian oder Pete rock & CL Smooth auf Elektra rausgekommen sind und Biz Markie und Big Daddy Kane auf Cold Chillin, was von Warner Bros. dann vertrieben worden ist, das war ja alles super. Das war halt gut verpackt und gut vorbereitet, und es war eine Kohle dahinter. Und zusätzlich war es so, dass damals vielleicht noch nicht so sehr der Zwang zur Hit-Single war, Es hat gereicht, nein es war die Voraussetzung, dass da ein Hardcore-HipHop-Album daherkommt, weil es muss authentisch sein, dass es verkauft ??? aber es ist alles aber abmontiert worden über die
Jahre, also jetzt musst gscheit cheesy sein, damit du der Industrie gfallst und über ein Major rauskommst, oder du bist halt einer von den Untergrundlern, die dann auf Koch oder Landspeed landen. Und die Konsequenz davon? Nein, es kommt eh aller heraus, wie’s kommt halt, aber die Platten sind alle meistens nicht wirklich gut, ich weiß gar nicht wieso. Du siehst es halt auch mit dem Cover-Artwork, eine Beleidigung für das Auge meistens, und das Mastering ist schlecht, und der Vinyl-Umschnitt ist schlecht. Also wenn man verwöhnt ist von den früheren Standards, ist halt wirklich momentan nicht die beste Zeit. Auch die ganzen Underground-Acts, muss ich sagen, sind halt kein Gegengewicht zu der ganzen Major-Überflutung.
Paul: Es ist schon symptomatisch – du hörst dir beispielsweise zehn Platten an, und da ist mit ziemlicher Sicherheit die einzige, wo irgendwie etwas probiert wird, was es noch nicht gegeben hat, die kommerzielle Platte. Die Underground-Leute sagen: Äh, wir machen unseren Scheiß, wir ziehen das durch, unsere dreckigen Beats, und wir machen das… David: … halt dieses schlampige Demo-Tapes-Zeugs, und es ist alles so schleißig gemacht, wie zum Beispiel ??? mir fallen halt jetzt einmal Foreign Legion ein oder so. Ich hab mir sicher die eine oder andere Foreign Legion Maxi gekauft, aber ich hab sie mir dann nie angehört, weil wenn du es dir anhörst im Geschäft, ist es schön und gut, die verwenden auch Samples, die machen es nur auf sehr traditionelle Weise, es hat aber keine Kanten, es kickt nicht, es ist flach, ich weiß nicht… Es hat einfach schon Zeiten gegeben, wo ich keine Platten mehr gekauft habe, 1997, 1998, weil du bist überschwemmt worden von einer Milliarde White Labels, und mir hat aber nichts mehr gefallen davon. Da sind diese ganzen Streicher-Samples aufgekommen, diese Klassik-Sachen und Klimper-Pianos, das war aber alles nutzlos; das ist irgendwie schon HipHop, wenn du’s hörst, checkst du, dass es HipHop ist, aber es ist irgendwie wie ein Gulasch ohne Saft. … Klassik kann ja auch super sein, aber diese langweiligen Sachen; ein Sample machen von irgendwas, und dann tun wir’s loopen und das is der Song – das ist zu wenig irgendwie.

Die letzte Snoop Doggy Dogg find ich ganz gut, aber gekauft hab ich sie dann auch nicht. Obwohl, da ist ein Song mit einem Batucada-Drum-Sample…
Paul: Das ist das Outro von »Beautiful«, glaub ich, eh von dem Hit, der von den Neptunes produziert worden ist. Ja, da sind zwei außerordentliche Nummern drauf, die eine ist von den Neptunes »Beautiful«, die eh ein Hit war und ohne die keiner ausgekommen ist eine Zeit lang beim Auflegen, wirklich eine Supernummer, die eben Overground und Underground zusammenwachsen lässt, und ein Premier-Beat zum ersten Mal, der ist echt ein extrasportlicher Gang Starr-Beat plus ein Snoop Dogg.
David: Fast noch leiwander find ich die mit dem Snoop auf der neuen Gang Starr »The Ownerz«. Die ist auch ganz, ganz super, find ich, »In this Life«, heißt die. Also wie mir die Gang Starr eigentlich mittlerweiler immer besser, inzwischen ganz super gefällt. Da muss ich wirklich drauf halten, auf die Gang Starr. …

Die ist mir als CD dann einfach zu anstrengend als Ganzes. Wie die volle CD-Länge überhaupt viele Artist zu lang scheint. Eure CDs kann ich mir, bei aller Vorliebe fürs Vinyl, allerdings beide hintereinander anhören, ohne dass es mir fad wird.
Paul: (…) Man hat halt dann zehn Tracks irgendwie beisammen und überlegt, wie man sie dann ordnet. Wir sind ewig lang gesessen mit der Reihenfolge und wie man das dann macht. Beim Vinyl ist das sowieso eine eigene Sache, da geht’s eher um technische Dinge, wie man die Nummern ordnet, weil die äußeren Nummern halt fetter klingen und die inneren weniger fett, und weil’s halt vier Seiten sind. Bei der CD kann man’s so richtig arrangieren, wie ein Gemälde … oder wie ein DJ-Set halt. Und das ist bei der Neuen halt gut gelungen, dass man sie von vorne bis hinten so richtig gut durchhört. … Obwohl das CD-Format irgendwie das Stiefkind ist. Zuerst dankt man immer ans Vinyl, auch beim Cover-Machen, und dann sagt man: so jetzt haben wir das Cover, und jetzt müssen wir das CD-Cover machen, dann pfuscht man halt des irgendwie zu einem CD-Cover um, so auf die Art. (…)
David: Wir sind halt auch mit Alben aufgewachsen. Jetzt ist das anders, jetzt spielt halt auch keiner mehr mit der Idee, ein Album zu machen – vielleicht in zehn Jahr wieder, ich weiß nicht… Wird sind halt mit Alben aufgewachsen, und für uns bedeutet ein Album was, weil wir uns eben auch als Kinder hingesetzt haben, um eine LP zu hören.
Paul: Es geht halt auch um die Sache bei LPs, diese Ausgewogenheit zwischen einem Sound und einer Soundwelt, oder einer Linie und einem roten Faden, der sich durchzieht und trotzdem ist es abwechslungsreich ??? und die meisten Alben heute sind nur noch abwechslungsreich. Früher, so eine LP, wie die erste Main Source oder die zweite Gang Starr, hat halt von vorne bis hinten alles erklärt, mehr oder weniger. Da sind keine Fragen offen geblieben, und innerhalb dieser einen Stunde Musik ist alles abgedeckt worden, von langsam bis schnell, von traurig bis lustig, von bis… Es hat aber trotzdem alles irgendwie zusammengepasst. Und heute die Alben fangen einmalan mit einem Intro, und dann kommt ein R&B-mäßiger Track, dann einer, der einen fetten Beat hat für die Street-Leute, und dann ist ein Track, der ist eher fürs Radio und fürs Video, und das ist halt alles so wie ein Marketing-Konzept gestaltet, mehr oder weniger. … Sagen wir mal, das könnte man der Gang Starr (»The Ownerz«) vorwerfen, dass sie keine wirklich runde LP ist, sie ist ein bisschen monoton und durchgehend. (»Ich find sie super«, David) Man muss sie nur ein bisschen in Schutz nehmen, weil alle sagen, sie ist Scheiße, aber sie ist immer noch um so vieles besser, als alles Zeugs, das rauskommt, dass es eigentlich schon fast unverfroren ist, die Platte zu dissen. …

Bei der aktuellen The Roots bin ich ausgestiegen.
David: Ich find aber eigentlich eh nur die erste Roots super. Die »Do You Want More?!!!??!«, bzw. die ist auch auf Talkin Loud erschienen, aber unter einem anderen Namen. … Das ist ein Wahnsinns-Album, die »Do You Want More« Irgendwie alles, was danach gekommen ist, waren die Roots nie meine Tasse Kaffee.
Paul: Ich hab die erste Roots im »Chelsea Chronicle« besprochen, kann ich mich dunkel erinnern. Da hab ich mich so drüber aufgeregt, weil das irgendwie gekommen ist in der Zeit, wo’s geheißen hat: echte Instrumente statt Samples. Und ich hab halt damals irgendwie so geschrieben, scheiß auf das, HipHop ist eh so auch leiwand, warum muss man HipHop jetzt unbedingt zum Alternativ-HipHop machen, es passt eh alles so, wie’s ist, so auf die Art. Die Roots sind damals so dahergekommen mit Live-Band und so, dem hab ich damals nicht viel abgewonnen, aber es…
David: Na, mir sind schon die Ohren weggeflogen, weil ich …
Paul: Da muss man schon dazusagen, das war keine von den beiden, das war eine davor…
David: Das war dieses Frühwerk, ich weiß nicht, wie es geheißen hat, … Na, mir sind schon die Ohren weggeflogen, weil ich das das erste Mal gelungen empfunden habe, nach dem ganzen Acid-Jazz-Shit wie Brand New Heavies; mir hat zum Beispiel diese erste Brand New Heavies, »Heavy Rhyme Experience«, nie gefallen. Ich hab mir gedacht, da hast diese ganzen Wahnsinns-Leute auf einem Fleck wie Black Sheep und Main Source, damals die Creme de la Creme, und dann hast du diese laschen Acid-Jazz-Grooves-Playbacks dazu, und alles lasch eingespielt ??? und dann die Roots, eh von der »Do You Want More?«, die haben wirklich geschaut, dass sich das anhört wie alter Funk, wie die Drums aufgenommen waren, und schön transparent war und trotzdem gekickt hat. Deshalb gefällt sie mir bis heute, weil sie eine irrsinnig alte Funk-Sound-Ästhetik hat. Das war das erste Mal, dass das gescheit gespielt war mit Live-Instrumenten ohne Samples, weil sich das wi
rklich wie Samples angehört hat u.a., also die »Distortion to Static«, der Rest vielleicht eh eher weniger. Und der Rahzel war natürlich auch ein Hammer. Das ist ein eigenes Kapitel, also eine Superband, die aber dann versucht hat, jedem zu gefallen. Das Duett mit der Erykah Badu hab ich ganz, ganz jämmerlich gefunden, die »You Got Me«. Obwohl ich muss jetzt ehrlich sagen, die Seed 2.0 gefällt mir ganz gut, obwohl’s wieder was ganz was anderes ist, mit dem Sänger, Cody Chestnut.
Paul: Das ist eine Up-tempo-Funk-Nummer, die wirkt eher wie ein Lenny Kravitz oder so im Video, da sind die Leute ziemlich drauf abgefahren.

Von der neuen Common war ich auch enttäuscht.
Paul: Die »Electric Circus« – da hat’s kürzlich eh erst die Theorie gegeben, dass die Erykah Badu alle ihre Männer verdirbt. Weil die Outkast haben zuerst HipHop gemacht, und jetzt machen sie Glam-Rock auf HipHop. Und jetzt ist der Common dran, weil der ist der aktuelle Haberer von der Erykah Badu, und jetzt macht der so auf 70er-Jahre-Outfit und »Electric Circus«, Ziggy-Stardust-of-HipHop-mäßig.
David: Und macht dann aber auch eine Single mit den Neptunes, was soll’s? Mir ist das Ganze ein bissl verirrt und leicht orientierungslos vorgekommen. Also irgendwie alles jetzt auf einmal auf ein Album zu packen, inkl. »Prince« und was weiß ich was alles. … Es ist auch so ein klassisches Album, das geradezu prädestiniert ist, von intellektuellen mitteleuropäischen Hörern gelobhudelt zu werden. Ja, da ist wieder einer, der versucht das anders, »besser«, innovativer zu machen. Oder einer, der steht drüber. Man muss aber gar nicht erneuern, es ist ja schon ein ganz guter Ansatz, es auf ein neues Level heben zu wollen, aber das passiert ja meistens intuitiv bzw. meistens geschieht das immer dann, wenn ein neuer Act erscheint, zumindest war das früher immer so, aber wenn dann einer daherkommt und sagt: so jetzt bin ich anders, jetzt zieh ich mich freaky an und mach halt jetzt irgendwie auf die ganze Black-Music-Geschichte aufarbeiten und auf ein Album bringen, dann ist es einfach schon von vornherein ein voll verkrampfter Ansatz und scheitert einfach voll. Ich hab die Platte gar nicht gscheit durchgehört – oder doch? Ich weiß gar nicht, aber die Singles haben mir nicht gefallen. (…)
Paul amüsiert sich über Ghostface Killah am Cover, beim Frühstück und beim Nasenbohren! Spielt ihn. (Super Platte)

Wu-Tang Clan gefielen mir eigentlich immer.
Paul: Da (bezüglich des Goldenen Zeitalters 1987???1992) muss man auch sagen, ’93 war das erste Wu-Tang-Album, das eine völlig neue Sampling-Welt eröffnet hat, mit diesen ganzen Stax-Samples und so. HipHop macht’s einem nicht so leicht, dass man das alles anfangen und abschließen kann. Wie gesagt, mit der ersten Wu-Tang ’92 oder ’93, da hat auch wieder eine völlig neue Art von Sampling begonnen, wo die Leute gesagt haben, wir scheißen jetzt komplett drauf und nehmen das Sample so, wie es ist, zerkratzt, oder geben keine Drums dazu oder nehmen ein Loop mit Stimme und rappen darüber – das war auch ein neuer Input, insofern kann man das Goldene Zeitalter ’93 nicht ganz abschließen.
David: Ich weiß, dass ich mich urlang verschlossen hab, bis 1996. Es war halt eine völlig neue Schule wieder, jenseits von fett oder so – oder von dieser DJ-Geschichte. Deshalb hab’s ich nicht verstanden, weil Wu-Tang waren eine der ersten Gruppen, wo vordergründig diese 8-Mann-Posse, wie soll man sagen, dieses Image, dieses Auftreten wichtiger war als der Sound zuerst, vielleicht ??? ja, super MCs waren sie eh, aber also ich hab mir immer wieder nur das erste Album angehört im Geschäft bevor ich es gekauft habe, und habe mich gewundert, warum und wieso das alles, weil das wirklich unfett war wie nur was. Und ein Jahr vorher ist die Pete Rock & CL Smooth herausgekommen. Also ich habe das alles nicht verstanden, und auch in »The Source«, warum das so explodiert ist damals. Ich hab es nicht kapiert. Erst als sich die ganze HipHop-Sound-Ästhetik verändert hat, bin ich dann auch immer mehr draufgekommen. Ich glaub Wu-Tang Clan war eine der ersten Bands, wo dieses Clan-Auftreten wichtig war – oder eben schon von der Business-Strategie her: lauter MCs, die zusammengehören, und die Hardcore-Grimey-Gschicht irgendwie. Und das hat’s ausgemacht, ich hab mir gedacht: die Musik steht hinten an irgendwie, aber ich hab die Meinung dann revidieren müssen, und weil die halt die Gruppe der Stunde waren, hat jeder irgendwie versucht, wie Wu-Tang Clan zu sein, und das hat das alles ein wenig abgefuckt dann, aber so ist das ja immer. …

Ich erinnere mich da an die fetten Samoaner?
Paul: Boo-Yaa Tribe. Ich hab die auch mal gesehen im Vorprogramm von Run DMC, die waren schon fetzig. … Was bei Wu-Tang – auch im Vergleich zu Boo-Yaa Tribe – angefangen hat: diese völlig neue Business-Strategie. Er (RZA) hat die ganze Truppe bei Loud gesigned und hat jeden einzelnen MC – jeder MC hat eine eigene Geschichte repräsentiert: der Method Man war für die Leute super und der Raekwon für die – verschiedenen Labels zugeschanzt, und diese Strategie hat sich extrem ausgebreitet: Jeder Rapper der Erfolg hat, zieht seine zehn besten Haberer gleich mit, so wie der Eminem jetzt halt mit D 12, seiner alten Gruppe, kommt und denen einen Major-Deal verschafft und dann wieder auf einem anderen Label was macht mit Obie Trice, usw. Also das war schon eine gewisse Revolution, die da passier ist.

Und N.W.A, im Nachhinein betrachtet?
Paul: Musikalisch eine untergegangene Welt eigentlich, kann man sagen. Da ist es eigentlich um Funk gegangen. Rein aussagemäßig hat sich das eh zum Mainstream entwickelt, mehr oder weniger.
David: Beide N.W.A-Alben sind eine Klasse für sich. Ich muss halt auch sagen, rein die Texte, ja so hin und so her, aber ich würd das nie anders wollen als die Texte, wie sie jetzt sind auf diesen Alben, weil das ist eine eigene – das gehört zu N.W.A.
Paul: Ja, weil wer das nicht auch mit Humor genommen hat, dem gehört sowieso irgendwie… entschuldige!
David: Alles, was halt da irgendwie nicht hineingepasst hat, in diese Blaxploitation oder Bob-Dylan-Covers von Black Soul Artist, alles was darüber hinausgegangen ist, ist auf extremes Unverständnis gestoßen. Und klarerweise haben sich erst dann diese Acts durchgesetzt, die so nah dran waren an diesem ganzen Hardcore-Rock-Zeugs: Ice-T, Public Enemy feat. Anthrax, und dann eh vielleicht N.W.A irgendwie auch, weil es dann eh Hardcore war, und der Hardcore-Geist ist übergreifend irgendwie, Szene-übergreifend, und dann verstehen es die Leute wieder. Aber Public Enemy, Ice-T, Ice Cube war dann erst einmal die erste Sache, die diese weiße Rock-Partie halbwegs verstanden hat, weil die halt nichts destotrotz mit diesen unheimlich platten Geschichten kokettiert haben, was mir überhaupt nicht getaugt hat, weil ich war halt meistens der, der…
Paul: Es war halt immer diese Frage: Ist es hart oder ist es nicht hart. Und in dem Moment, in dem ein Typ sagt: Na, ich brauch’s hart, wennst dem was Weiches vorspielst, hat er eh schon verloren, mehr oder weniger, weil es absurd ist, weil genau in dem Moment das Weiche für ihn etwas ist, das hart ist. Und das war ja eigentlich immer der Konflikt im großen und ganzen. »Is es nicht hart, is es nicht das Projekt« (zitiert er Rödelheim Hartreim Projekt).
David: Und der Überwahnsinn ist ja, dass es damals viel zu progressiv war, dass »Me, Myself & I« in die Top Ten eingestiegen ist, das war unglaublich, in die Ö3-Top-Ten, oder dass Technotronic »Pump up the Jam« sogar auf Platz eins gegangen ist, was eigentlich damals zuerst ein ziemlich progressiver Techno-Track war mit Vocals, das war schon das Einläuten von dieser Geschichte irgendwie, dass Techno konform mit HipHop schön langsam Charts-tauglich geworden ist, obwohl sicher Techno viel mehr ausgeschlachtet worden ist, kommerziell.

Könnt Ihr mit Techno was anfangen?
David: Mit Old School Techno schon. Das kommt immer drauf an, was da
s für einen Vibe vermittelt. Mit niederländischem Techno sicher nicht.

Und mit Bobby Konders‘ Old-School House?
David: Ja super, Bobby Konders ist super. Bobby Konders hat ja auch super Ragga-HipHop-Sachen gemacht: Massive B.
Paul: Klammer: HipHop-Mix
David: Ja, der Bobby Konders ist schon super. Es ist irgendwann eine neue Snow-Maxi erschienen in den letzten Monaten mit einem Bobby-Konders-Mix (lacht). Die hab ich mir sogar aufgehoben. …
(Ich lege »Let there Be House« auf.) David rapt: »This beat is Technotronic«. Weißt, was ich damals zuerst gecheckt habe, waren diese Detroit-Techno-Sachen, so 1988, da hat es diesen Detroit-Techno-Sampler gegeben mit Kevin Sanderson »Inner City«, Blake Baxter, Juan Atkins. Das hat mir total getaugt, was dann daraus worden ist, war Scheiße.
Paul: Der David war ja ein alter Acid-House-Typ.
David: Acid House, na ja, so die Sachen halt, die mein Bruder heimgebracht hat. Also ich muss immer Querverweise machen…
Paul: Ich muss kurz einwerfen, dass die Schullers eine Musik-Dynastie sind, weil sein älterer Bruder, der Geri Schuller, der auch auf einer Nummer (von »Peace Talks!«) dabei ist, auf der Hammondorgel, ist Session-Musiker, eh einer der bekanntesten in Österreich, mit den Rounder Girls… David: …Hallucination Company, also er macht halt leider viele so wacke Geldjobs, aber er muss halt leben davon und ein Kind ernähren. Und mein ältester Bruder (Wolfi) hat mich halt wesentlich beeinflusst, weil der viel gekauft hat; der Geri zum Beispiel, der hat immer nur Jazz hören wollen und so, und das halt mich halt damals nicht so interessiert. Mich hat damals die erste LL Cool J angefixt, die erste Run DMC, die erste DJ Jeffy Jeff & the Fresh Prince. Der Wolfi war auch der erste, der »The Message« heimgebracht hat. … Das war das, das mich am meisten geflasht hat, wovon ich nicht mehr losgekommen bin, und das hab ich einfach gehört, gehört, gehört, und ich hab noch immer andere Sachen aufgenommen, aber immer mehr Black Music vornehmlich, so 80er-Jahre-Soul-Sachen. Ich weiß genau, da hat’s auch viel Scheiße gegeben, die ich damals gehört habe; HipHop ist nie schlecht geworden, und ich hör das heute noch genauso gerne wie damals jeden Tag auf Kassette – und das sind die Klassiker jetzt. Ich hab mir damals, wissensdurstig wie ich war, alles auf Kassetten aufgenommen, was mir getaugt hat, aber HipHop war halt das, was es für mich war, das war der kleinste gemeinsame Nenner, die Essenz, und da bin ich voll picken blieben.

Was war der definitive Einstieg?
David: Von »The Message« habe ich damals schon das Video gesehen in den »Großen 10«, und das hat mich damals schon geflasht, kann ich mich erinnern, und allein dieses New-York-Video mit diesen Typen, die Stieferln und mit die Nieten. Und dann vier, fünf Jahre später, wie die »Radio« vom LL Cool J rausgekommen ist, die hat mein Bruder auch sofort gekauft. Der hat halt alles gelesen, »Sounds«, »Musikexpress«, »Spex«, »Face«, der wollt alles wissen, alles haben, es hat ihm alles getaugt, hat alles gekauft von dem Zeugs, und das war wichtig für mich …
Paul: Es hat immer so Phasen gegeben, wo einem irgendwas getaugt hat, und irgendwann hat man halt aufgegeben zu sagen: das ist jetzt nimmer leiwand, und jetzt ist halt das leiwand, es hat sich irgendwann einmal alles addiert zu einem gesamten Musikbild, und eine gewisse Rotzigkeit ist super im HipHop wie im Rock. Also es sind eher so Konstanten, wie prinzipiell auf etwas scheißen, auf irgendeinen Standard-Sound scheißen, es hat sich immer mehr alles addiert; es war zuerst Salt & Pepper »Push It«, was ich mir gekauft hab (das war super, das war mein erstes HipHop-Konzert, David), hab ich da, war meine erste HipHop-Platte. Da ist auch auf der Rückseite ein ziemlich funkiger, leiwander Track drauf.
David: So ich spiele jetzt einen von diesen frühen Berührungspunkten (Jazzy Jeff & the Fresh Prince). Das ist leider das wacke deutsche Cover von ZYX Records. Die haben da ein eigenes Cover-Artwork gemacht, das ist urbeschissen, der Wolfi (Bruder) hat die US-Pressung. Aber das Vinyl ist dasselbe; die erste LP, ich spiele »Rock the House«…
Paul: »Breakdance Sensation 84« war mein erster HipHop-Berührungspunkt, den hab ich mir mit einem coolen Habara in Mistelbach angeschaut, und wir haben sofort nach dem Film, nach Schweißtropfen in Zeitlupe, haben wir einen Breakdance-Club gegründet, wir haben es auf zwei oder drei Sitzungen gebracht – dann war’s das schon wieder mit HipHop. Also, man kann das nicht als HipHop-Karriere bezeichnen. Gleichsam ein erster Berührungspunkt, und später hat man’s quasi wiederentdeckt.
David: Das (»Rock the House«) ist ein Instumental-Stück, wo er scratcht, und damals schon Jazz-Sachen scratcht, das war 1986! Oder 1987.
Paul: Muss man sagen, dass Jazzy Jeff vom Scratchen einer der leiwandsten ist…
David: Und prägendsten ist…
Paul: Und völlig on point ist, das ist das Grundprogramm, das ein guter Scratcher draufhaben sollte, das der Jazzy Jeff geschaffen oder erfunden hat.
David: Er hat Bob James verwendet, alles, Donald Byrd…
Paul: Er scratcht irgendwie Sachen hinein, die erst später zu HipHop-Standards geworden sind.
David: Das ist auch das Album, wo oben ist »Girls Are Nothing But Trouble« mit dem Jeanny-Sample, »I Dream of Jeanny«, »Bezaubernde Jeanny«.
Paul: Allein in dieser Nummer ist ein Sample drinnen (Donald Byrd, David), das später ein Drum’n’Bass-Welthit worden ist, irgendwie eine der wichtigsten Drum’n’Bass-Nummern, Adam F.. plus dass (»I Will Overdrive«, Bobby Humphrey, David) urviel drinnen, was viel später erst zu einer Nummer gemacht worden ist, zu einer eigenen.
David: Ja, und es ist noch viel mehr so Scratch-Arbeit vom Jazzy Jeff drauf, und das hat mich damals auch schon gekitzelt irgendwie.
Paul: Ich hab mir erst jetzt einmal, weil ich mir’s damals nicht gekauft hab, das zweite Beastie Boys-Album, angehört, »Paul’s Boutique«. Was da einmal schon so alles kurz angerissen wird! Von Cut and Paste, was also heute wieder ganz eigene Blüten treibt, bis zu Groove plus HipHop bis zu explizitem Funk plus HipHop…

Die Beastie Boys waren ja angeblich konsterniert, dass das Konzept dann von allen übernommen wurde.
Paul: Da muss man auch dazusagen, dass »Paul’s Boutique« auch der Klassiker von den Beastie Boys ist, was Sound-Ästetik betrifft, und sicher das kommerziell unerfolgreichste Album war von ihnen. Das untergegangene Album mehr oder weniger. Von Country bis Groove.
David: »Licensed to Ill« ist irgendwie auch eine wichtige Platte, vom ganzen Flavor jetzt, die hab ich mir auch oft hineingezogen. Und ich glaube, die Beastie Boys wollten einfach nur beweisen, dass sie cool sind, mit dem »Paul’s Boutique«-Album, weil die hatten bis dato nur auf Bühnen zu stehen und die Mädels nackt auszuziehen und mit Bier zu beschütten. Und kontroverse Sachen gesagt. Die waren halt irgendwie die designete Skandalband. Und da waren sie, scheint’s, in einer Identitätskrise und haben sich die Dust Brothers angelacht aus L.A., und haben halt die Platte gemacht. Ich glaube, deswegen ist die Platte so geworden, wie sie geworden ist. Der Chuck D. hat dann zu »Paul’s Boutique« gesagt: Jetzt wissen wir, dass es die Beastie Boys ernst meinen. Das war so was wie Credits.
Paul: Das hat aber auch sagen müssen, weil er auch bei Def Jam war.
David: Na, das war auf Capitol das zweite Album.
Paul: Stimmt auch.
David: Ok, noch eine wichtige DJ-Nummer, die mich auch urgeflasht hat, das sag ich jetzt gar nicht dazu, was das is, das erkennts ihr eh gleich… Scheiße, hab ich nicht mit, hast du die erste Gang Starr?
Paul: »DJ Premier in Deep Concentration«.

Die Medien hier waren ja voller Ablehnung, Aversionen: alles zusammengestohlen, nicht kreativ, Frauen-, Schwulen-, Juden-feindlich… Gewalt verherrlichend. Bei Filmen wie denen von Tarantino war das alles akzeptiert.
David: Das ist so, als wie wenn du dich über di
e ganze Menschheit aufregst, was willst machen, das ist halt so. Natürlich kannst du dich darüber aufregen, aber das ist ein riesiges Ding mit urvielen Spektren; das ist, wie wenn du nach einem Grund suchst, das pauschal zu verurteilen, dann ist das so. … Es ist halt einfach eine andere Schmerzgrenze jetzt, ja das ist eh super, dass du das ansprichst. Wahrscheinlich bei einem Film ist das nicht so wichtig, keine Ahnung. Ich weiß nicht, wie man das beleuchten soll. In England war das sofort ganz selbstverständlich, weil das ungeheuer funky dahergekommen ist, da hat man sich gar nicht viel Gedanken gemacht über die Lyrics. Beziehungsweise waren die immer mehr Hardcore; die haben ihre eigenen Hardcore-Acts gehabt wie Hijack und Silverbullet und so Sachen. Und da war das halt immer so… Ich glaub Österreich war da auch immer ein Entwicklungsland und ist es immer noch und wird es immer sein. Weil es ist ja noch immer so: Man redet jetzt ja so, als ob die Leute so viel Verständnis dafür hätten. Es ist akzeptiert, aber (aber es ist immer noch ein Missverständnis, Paul) wir sind in jedem Interview draufgekommen, dass du halt irgendwie… wir fahren hin und wieder nach Deutschland, auflegen und weil das Label in Hamburg ist (die Leute fühlen es einfach mehr, Urbs), die Leute, es ist selbstverständlich, da musst nicht immer auf die Zunge beißen, wenn du erzählst (dass HipHop Funk ist, Paul), du stehst auf HipHop oder du legst es auf. Das musst du hier sehr wohl, weil hier irgendwie alles so voll ist von bornierten Dünnbrettbohrern, Leute, die es einfach nicht verstehen und die einfach nicht drüberstehen, keine objektive Distanz haben zu dem ganzen Ding. Da ist es noch immer verschrien als Kindermusik.
Paul: Da ist es noch immer, auch wenn ich mir die wohlmeinenden Kritiken so durchles, so: Ja, wir haben eh Verständnis für die »Neger«, dass die so eine Musik machen. Und das ist total super, hört’s euch das einmal an, das ist eh super – so auf die Art.
David: Diese ewige Medienmonopol-Kultur, die da herrscht. Und die Leute sind… ok, das ist jetzt auch eine Pauschalverurteilung, ich sprech halt aus der leidigen Erfahrung. Für mich war das ja auch immer seit Kindheit super, mich von diesem ganzen österreichischen Mief abzugrenzen, und ich hab gewusst, mein ältester Bruder ist irgendwie meine Referenz, der steht drauf. Wenn ich X-Large schau, dass die das auch bringen. Und wenn ich Ö3 einschalt, Angelika Lang oder Eberhard Forcher, wer auch immer, puschen das auch, das sind die Disc Jocks meines Vertrauens, und ich weiß: Das ist super, passt. Und den DSL hab ich eigentlich auch schon ganz früh kennen gelernt, 1989, Februar 1989, und das war auch irgendwie eine Initialzündung, und da hab ich gewusst, das ist super, da gibt’s echt Leute, die auf das stehen und die das spüren oder so spüren, wie ich das spüre. Und da hat es überhaupt keine Zweifel gegeben, für mich war das eben super, mich von dem ganzen Schaß abzugrenzen, weil in Österreich hat ja immer nur ein scheußlicher Musikgeschmack geherrscht; und das war ja eindeutig super, einmal was zu finden und zu sehen, dass da etwas völlig Flashiges, Neues daherkommt, wie ein UFO, das da herniederkommt.
(…)
Paul: Ab einem gewissen Zeitpunkt hat es eine Musik gegeben, wo man nichts mehr dazu hat sagen müssen, es hat aber eine Heerschaft von Journalisten weiterhin gegeben. Das ist vielleicht auch das Problem. Was muss man bei House noch lang erklären. Wer da nicht mit muss, hat ein Pech gehabt.
David: Oder die Schreiberlinge hätten sich viel mehr spezialisieren müssen, oder sie hätten fachkundlich Bescheid wissen müssen. Aber die gib’s auch nicht hier, die Journalisten, die sich damit auskennen, deswegen gibt’s noch Leute, die ewig neue Elvis-Costelle-CDs besprechen oder was weiß ich…
Paul: Und dann muss noch der Musiker schwerstens gelitten haben in seinem Leben, eine Krankheit hinter sich haben, plus: dann, nur dann ist es authentisch, das ist so ein Grundzynismus, der Musikjournalismus halt immer begleitet.
David: Halt auch immer so ein Trend, das Ganze niederzuschwafeln. Der ORF, wennst das hernimmst, in den 80er Jahren, alle Jugendsendungen sind nur zerschwafelt worden von irgendwelchen Jungredakteuren mit runzelnder Stirn. Du hast nicht einmal Videos gesehen. Videos sind zwei Minuten angespielt worden…
Paul: Genau. Man hat gesagt: Was ist der soziale Effekt von Grafitti? Es ist aber keiner jemals hergekommen und hat gesagt, so du nimmst die Dose so in dem Winkel, kaufst dir die Düse und fangst irgendwie an, nie eine Anleitung; es ist immer nur so eine Art soziale Rundum-Aspekt gegeben worden.
David: Du hast nichts gesehen. Du hast nur die Rudi-Dolezal-Stimme im Off gehört oder den Rudi Dolezal in natura, was schlimm genug ist, der dir jetzt alles erklären muss, aber dir sagen muss, dass das alles nicht so ernst zu nehmen ist, weil (das is ja eh nur Musik, Paul) das ist ja alles nicht so ernst zu nehmen, weil es neu ist. (…) Und das ORF-Jugendformat hat sich dann logischerweise von selber abgeschafft, weil es viel zu schlecht war und nie am Puls der Zeit war. Das haben einfach immer irgendwelche 40-jährigen Typen gemacht, das Jugendprogramm, und klarerweise waren die einfach immer völlig überfordert und völlig überrumpelt von den neuen Trends. Das müssten Jugendliche machen, dieses Programm, da war vielleicht X-Large noch der letzte gute Versuch, sagen wir mal so, vom ORF, an das anzudocken.

Hört Ihr Radio?
Paul: Na, eigenlich kaum.
David: Und darum sage ich auch, dass die Leute alle verwahrlost sind, haben ja auch nie gescheit erfahren, wie man eigentlich an Musik herangeht, mit welchem Respekt man an die Sachen herangeht und wie man die zu verstehen hat. Es war einfach immer nur der alte Mief gültig, und das klarerweise das österreichische Schicksal, immer derselbe Trott und die Monarchie. Monarchie.
Paul: Monarchie und Alltag.
David: Das ist Mantronix, der war auch ein Wahnsinn, als Producer auch.

Erinner mich an Schoolly D.
David: Schoolly D, der war auch ein Wahnsinn, so ähnlich auch. Ich fass halt jetzt Mantronix wieder verstärkt raus, weil der halt auch ein Genie war mit Beats machen, und wie der die Sachen gemacht hat. Der war leider immer ein wenig abgekoppelt, weil er zu abgehoben war. Er ist halt dann auch oft gesampelt worden – und letztendlich auch gewürdigt worden, für diese Wahnsinnssachen, die er damals gemacht hat, wenig Ressourcen irgendwie, Computer technisch gesehen, nicht? Du hast halt damals nur mit Wasser kochen können, nicht mehr… Der rutscht, wie gesagt, immer wieder raus – aber den muss man halt auch immer wieder würdigen, obwohl er jetzt Scheiß-Musik macht.

Da fällt mir Grand Puba ein, der auch abgestürzt ist. (Ich ziehe die »2000« hervor.)
David: Die ist leinwand, ein Klassiker. Mir hat sie zwar am Anfang gar nicht so gefallen, aber in letzter Zeit hab ich sie mir uroft angehört, weil sie smooth ist und irre viel soulige Samples hat. Der Paul flippt auch total aus drauf, er flippt aus auf »Amazing« (singt es). Und die allererste Nummer gefällt mir auch, »Very Special«; und die Single »I Like It«. Die erste LP gefällt mir auch, die »Reel to Reel«. Ja man kann endlos schwärmen, da gibt’s so viele Sachen, aber es sind leider oft die alten Sachen, auf die man halt immer zurückgreift.

Die letzte von 2001 oder so ist echt schlecht.
David: Ich glaube auf Koch Records ist er gelandet. Es ist schade drum – er war ein super MC, der Grand Puba.
(…)
Ich hab zwischendurch die Meters gespielt, das ist auch eine Lieblings-Band von mir. Da ist ja auch ein guter Sampler erschienen auf Soul Jazz Records, ein New-Orleans-Sampler mit Dr. John, den Meters …
Stezo ist auch ganz super. Das ist auch eher eine ziemlich unbekannte Platte. Das war der Tänzer von EPMD, das Cover ist halt furchtbar, aber die Platte ist unglaublich leiwand, sehr funky, sehr state of the art. Super Rapper mit sehr prägnanter Stimme. Ich muss auch immer die Sachen pus
hen, die leider nicht so bekannt sind und auf der Strecke geblieben sind. Die EPMD waren ja auch auf dem Label, sehr fresh. Sleeping Bag war damals auch ein sehr witziges Label in New York, die haben ja auch Dinosaur L. und so Sachen gehabt, nicht nur HipHopper, auch Dance, Joyce Sims und so.
Aber was ich noch gar nicht so erwähnt hab: Prince! Auf Prince hab ich mir’s ja auch immer super gestanden auch in den 80er Jahren. Also, meine Geschwister waren Prince-Jünger. Und der Prince war, glaub ich, auch schon HipHop für mich. Weil er war eben auch extrem funky, innovativ und irrsinnig explizit einfach und in your face; und ich glaub, der Prince war auch so eine Geschichte, die die Österreicher nicht verstanden haben. Da gab es einfach nur eine eingeschworene Gemeinde, und alle anderen haben das nur belächelt…

Außer »Purple Rain«, die auch dem Rock-Publikum verständlich war.
David: …einfach unumgänglich, aber sonst war ihnen das zu abgefreakt, immer wenn’s zu sexy geworden ist, war das chancenlos. … Da fühlen sie sich bedroht, die Leute. Jedenfalls Prince war so eine Sache, über die hat man nicht diskutieren brauchen im Familienhaus, außer mit meinen Eltern. Na, aber Prince war ganz, ganz groß, war auch sehr einflussreich; und hab ich auch erst jetzt wieder entdeckt, kauf mir immer wieder was nach von ihm jetzt, weil vieles hab ich auch nur auf Kassette gehabt. Und »Sign of the Times« hab ich gesehen, das Konzert, das war mein erstes Rock-Konzert. … Die erste offizielle Prince-Platte ist von ’78, glaub ich, die hat »For You« geheißen, der war damals 19 Jahre oder 18, urjung; der war das volle Genie, der Prince, Multiinstrumentalist und mit 18 die Debut-LP auf Warner Bros., hat sofort einen Deal bekommen. Er ist so alt wie die Madonna…
Paul: Prince hat uns beide irgendwie bewegt, kann man sagen. Der hat seine erste Platte (übrigens) früher als ’78 gemacht, da kannst du deinen Arsch drauf verwetten…
David: …Es gibt eine Platte noch, das ist aber so eine halb offizielle Pressung mit so Frühmaterial, was er mit seiner Schulband gespielt hat.
Paul: Also ich hätte die erste auf ’76/’77 gedated…
David: …also die »For You«, wo er mit dem Afro drauf ist, ist von 78, und dann hat er in Jahresabständen…
Paul: …das ist die Hellblaue?
David: Die ist so bräunlich eher. Die zweite ist die Bläuliche, wo er mit so langen Federn auf einem Pegasus reitet, das Cover ist ein Wahnsinn.
Paul: Prince ist eine Legende. Und eben die Zeit: »Love Sexy«, »Sign of the Times«, so um ’87, bahnbrechend, genial.

Habt Ihr den letzten Spike Lee, »24 Hours«, gesehen?
David: Ist der gut? Ich verweigere Spike Lee ab sofort. Ich hab mir gedacht, ich geb ihm noch eine Chance und hab mir »Son of Sam« angesehen, und das war so ein unglaublich scheiße Film. Furchtbar. Für mich gibt’s irgendwie nur den »Gotta Have It«, »Do the Right Thing«; »Mo‘ Better Blues« war auch noch o.k., aber alle anderen: es ist immer dasselbe. Echt schlechte Filme muss man sagen… Spike Lee ist so komisch.
Paul: Er war eigentlich immer zu sehr plakativ im großen und ganzen, kann man sagen.
David: Immer das gleiche Schema. Die Italos sind immer die Trotteln und kommen immer extrem schlecht weg. Es ist immer das Gleiche.

Er hat auch dieses Mal so einen super-chauvinistischen Rap des italienisch-stämmigen Helden gegen alle anderen Ethnien dabei, es ist natürlich schon fast wieder komisch, o.k.
Paul: Der Taxi-Driver-Schmäh. Was spielst du?
David: Rotary Connection.
Paul: Das ist halt auch so eine Sache bei uns, die neuen Jazz-Einkäufe vorspielen. Das hat irgendwie die neuen Sachen etwas verdrängt. Die 60er-, 70er-Jahre-Werke.
David: Ja, ich glaube, das hat jetzt auch die zweite LP sehr beeinflusst, die Philosophie, das Feeling, das Cover-Artwork, das ist so richtig von dem hergekommen, weil wir beide das in letzter Zeit so richtig erforscht haben und drauf hängen geblieben sind, weil das war eine ganz eigene Geschichte, wie das rausgekommen ist, und die Labels und so und was die für Philosophie gehabt haben. Dass das einerseits schon sehr geschmäcklerisch war, jeweils immer nur eine Nummer auf einem Album super war und straight forward, andererseits aber richtig arge progressive Sachen entstanden sind. Da gibt’s schwer packbare Sachen, die einen halt irrsinnig inspirieren, und das bringt einen dazu, guten HipHop zu machen, wenn man sich mit so was beschäftigt, nicht wennst man einfach nur vorm Computer sitzt und dir deine Kicks und Snares und Hi-Hats aus dem Internet herunterlädts und versuchst, von der Struktur einen HipHop-Track zu machen – viele Sachen entstehen ja auch so: stümperhaft eben, deshalb ist es ja so langweilig geworden, wie es ist. Also du musst irgendwie aus einer gewissen… (Plattenkiste schöpfen, Paul). Es muss dich einfach was inspirieren. Die alten HipHop-Sachen inspirieren sehr, weil sie eben schon sehr jazzig sind, Vorlagen quasi schon verarbeitet drin haben, und dann musst du dir halt irgendwie… du kommst dann zwangsläufig über diese Geschichten auf die Originalvorlagen und fallst in einen ganz neuen Kosmos rein; der flasht dich dann aber ordentlich, weil dann siehst du, wo diese ganzen Stückerln rausgenommen sind. Du hörst jetzt nicht nur diesen 2-Sekunden-Teil, sondern das ganze Ding. Und das ist halt oft einWahnsinn, was sich dir offenbart. Du nimmst das alles in dir auf und versuchst, es wieder rauszuschießen.
Paul: Wenn du ein halbwegs denkender Mensch bist, dann gehst du halt dazu über, zu sagen, nicht nur dieses eine Motiv, das du samplest, ist super, du überlegst halt die Songstruktur und wie sich das alles auflöst und die Produktionstechnik und wie das alles klingt usw. usw. Insofern war eben dieses ins Jazz-Sammeln-Hineingeraten sehr prägend für die letzte Platte.
Es hat damit angefangen, dass man gesagt hat, man möchte jetzt das Sample im Original hören. He, da ist ja dieses Sample drauf auf dieser Platte, und jetzt hör ich mir einmal diese Nummer ganz an, und dann kommt man drauf, warum diese Nummer im Original auch schon super ist. HipHop hat uns so zu Jazz hingestoßen. So denkt man halt dann über Sound-Welten und Song-Aufbau und das Ganze nach, was man da eigentlich macht, wo man da eigentlich steht in der Musikgeschichte, das ist auch nicht so schlecht zu wissen, wenn man weiß, was es da für arge Typen gegeben hat.

Was sind eure Hauptquellen?
Paul: Die 70er Jahre. Es ist ab ’68 so richtig interessant geworden, glaub ich, klassisch das Jahr ’68. Ab da ist es irgendwie so frei geworden, wie Jazz gesagt hat: ja wir öffnen uns dem Funk gegenüber; oder Funk hat gesagt: wir öffnen uns dem Jazz gegenüber. Die 70er Jahre waren halt irgendwie die Fusion-Zeit, wo’s um Songs gegangen ist jenseits von Jazz und Soul und Rock und was auch immer. Wo Rockbands gesagt haben: Wir sind ur von Marvin Gaye beeinflusst; und Marvin Gaye hat gesagt, er ist von Led Zeppelin beeinflusst – oder was weiß ich was, so auf die Art. Wo halt die Musik so eine unschuldige Universellheit gehabt hat, wo alles zusammengewachsen ist.

Und Latin?
David: Ich habe gerade erst Mongo Santamaria entdeckt, und das ist sehr fett. Oder Ray Barretto, das ist ganz groß, super! Obwohl wir davor zurückschrecken, etwas Latin-mäßiges zu samplen, weil es dann schnell wieder so einen Gimmick kriegt, wir wollen das so gimmicklos wie möglich halten, also für unsere Begriffe gimmicklos.

Latin-Jazz ist halt schon sehr auf dem Punkt, das kann man nicht mehr toppen.
David: Oft stellt sich die Frage, ob man’s noch samplen kann oder soll.
Paul: Sample-Ethik sit sowieso eine ganz eigene Sache, was man samplet und was nicht. Es fängt schon mal damit an, dass man sagt, man nimmt nicht grad das Grundmotiv von einer Nummer oder den Refrain oder so, dass man sagt, man hört sich das ganze Stück einmal an – und plötzlich: He, das ist die Stelle! Und man springt auf und dreht das zurück und denkt sich: Moment mal, das als Loop,
da würd sich was ergeben. Also, es gibt schon so Sachen, wo man sagt, das Loop ist jetzt ein bisschen beinhart oder feig oder zu gewagt; ober man sagt: He! Mit dem Loop hab ich echt kein Problem, weil es ist so mitten drunter unter der Nummer irgendwo, und das ergibt so was völlig Neues, wenn man sich das im Loop irgendwie anhört, dass es eine ganz eigene Geschichte ist. Das ist halt irgendwie schon ein erfüllender Moment, wenn man sagt, man hat irgendwie ein Loop gefunden, das keiner gefunden hätt, wenn er sich nicht die Platte wirklich angehört hätt von vorn bis hinten. Sample-Ethik hat auch viel mit Musik-Entdecken zu tun.
David: Also ich geh auch weiter und sag, dass ein Loop halt nicht unbedingt die Musik macht. Wenn du weißt, was du machst, dann geht’s auch ohne Loop, du kannst ja auch mit einer Drum-Machine einen Beat programmieren – und es ist halt nur ein Beat. Wenn das für sich so steht und so geht, dann passt das schon. Es kommt halt immer darauf an, was für Ingredienzen hast du? Mehl, Butter, Milch – was machst du draus? Eventuell schon einen Kuchen. (…) Oder eine Malakov-Torte? Nein, es muss nur passen, es muss von der Rezeptur her stimmen, vom Feeling, vom Geschmackssinn. Weil eben dieses Reduktionistische sehr reizvoll ist. Einfach auch, dass nur ein Drum-Loop super geht, fünf Minuten lang. Es geht eigentlich ums Strippen, Strippen ist wichtig, und dass man es auf einen essenziellen Nenner bringt.
Paul: Absolut, weil, sagen wir mal, ich würd dir eine Platte vorspielen, die uns total bewegt hat, sagen wir mal aus den 70er Jahren, es hätt halt trotzdem nicht unbedingt wirklich etwas damit zu tun, was wir eigentlich machen, eher geht’s im großen und ganzen um Stimmungen, die Leute mit ihren Saxophonen oder was immer ausdrücken.

Was hat euch denn zum Beispiel bewegt?
David: John Klemmer… (Gelächter) Eine, die mich geflasht hat, ohne dass ich gewusst habe, was es war, ich habe halt immer nur Stückerln gehört, und ich hab für mich interpretiert, dass das immer nur ein und dieselbe Nummer sein kann aufgrund des Sounds, war Bob James »Nautilus« von der ersten.
Paul: Ich spiel’s einmal. Also, wenn wir beide sagen müssten, wir müssen uns auf zehn Nummern einigen, dann könnten wir uns beide auf die einigen.
David: Und natürlich hab ich als Kind schon aufgepasst und hab die »Kunststücke«-Signation gehört, die damalige, und die »Kunsstücke«-Signation war das Motiv von Nautilus. Und dann hab ich halt immer wieder Samples gehört, zum Beispiel Run DMC »Beats to the Rhyme«, da habe ich aber noch nicht gewusst, dass es die ist oder dass es das sein kann, das war dann erst auf der Salt’n’Pepper »Black’s Magic«, weil die dann das »Kunststücke«-Theama verpackt haben und auch diesen Pfeifton. Also, was ist das für eine Nummer im Original? Das ist ja ein Wahnsinn. Und dann hab ich mir ein Bootleg gekauft, wo das drauf ist, und ich hab’s urlang gesucht, derweil ist es eh nicht so eine seltene Platte. Mittlerweile schon, weil’s jeder entdeckt. – Oder wann hab ich das gecheckt? Auf der Ultramagnetic MCs, auf der »Critical Beatdown«, da hab ich mir gedacht, das kann nur das sein, das gibt’s ja nicht.
Paul: Also genau dort, wo’s zum Interessant-Werden anfängt, da, wo die »Kunststücke«-Signation endet, da ist’s aus ist für die »Kunststücke«.
David: Bob James hat selber gesagt, dass das Stück so etwas ist wie eine Fahrt mit dem U-Boot.
Paul: Das ist es. Genau das ist es.
David: Und es blubbert auch irgendwie alles so dahin.
Paul: Das bringt’s echt auf den Punkt. Es ist definitiv eines der besten Stücke der Musikgeschichte.
David: Der Bob James hat auch selber gesagt, dass er selbst damals nie gewusst hätt, dass das so eine Bedeutung erlangt das Stück, erst durch das Sampling, weil das ist auch die letzte Nummer von der zweiten Seite und vielleicht nur so ein Füller.
Paul: Man muss dazu sagen, dass der Bob James einer von den Typen ist, die das kapieren, was das für einen Impact gehabt hat überhaupt, während der George Benson sagt: Nein, ich will nicht, dass mich die Leute samplen, weil die sollen was Eigenes machen. Und der Bob James ist eben zu haben für diverse Geschichten, der hat schon so Alben gemacht mit DJ, wo er dazugespielt hat und versucht nachzuvollziehen, was es ist, was die Leute da so super finden. Und das zeichnet ihn als Typen halt schon einmal aus gegenüber vielen anderen.

Chick Coreas Return to Forever, das war doch auch der Sound.
Paul: Ja ungefähr die Spielwiese.
David: Das wird auch hoch ratifiziert unter HipHop-Producern, Return to Forever: »Rainbow Warrior« wird oft als Lieblingsplatte genannt. Weather Report, natürlich, Joe Zawinul, das sind auch so Geschichten, die ein bisschen da hin langen. Aber dieses Stück ist ein Wahnsinn, weil das so viele spooky Teile hat die dich echt an der Gurgel derwischen.

In einem Artikel über Miles Davis stand kürzlich, dass seine Fusion der frühen 70er von Weather Report und ihresgleichen verwässert worden sei.
Paul: Ich galub ja, dass die ganze Szene damals nur gebremst worden ist von der Angst der Journalisten vor Synthesizern. Und vor neuen Sounds. (Und vor E-Pianos, David) Die Typen waren halt extrem geil auf alles, was alles irgendwie neuen Sound gemacht hat. Die wollten keine Gitarre mehr hören, die wollten: Ah super, endlich ein Synthesizer, alles, was irgendwie einen anderen Sound macht. Und die Leute haben die Sounds nicht entcodifizieren können. Die wollten Gitarren hören, weil Gitarren waren so und so und so belegt von Bob Dylan und (Jimi Hendrix, David), während Synthesizer eben völlig neu waren mit Herbie Hancock und Stevie Wonder…
David: Aber Gitarren sind ja auch auf der »Bitches Brew« ordentlich.
Paul: Ja, aber das hat man ihm ja auch immer wieder vorgeworfen, dem Miles Davis, dass er diesen Kompromiss eingeht und Gitarren nur deswegen verwendet, weil…
David: Aber das ist so was von kompromisslos, wenn ich mir »Biches Brew« anhöre…
Paul: Aber das muss man auch sagen, der Miles Davis hat halt irgendwie bei John Coltrane in der Band gespielt, wo fünf Typen waren, die mit jedem Ton, den sie von sich gegeben haben, Musikgeschichte geschrieben haben. Und danach ist ihm das, was er mit 25 Musikern zelebriert hat, den Crossover zwischen den verschiedenen Stilen und Fusion, total übel genommen worden, quasi als Verrat an seiner improvisatorischen Kunst, die er in sich birgt. In Wirklichkeit war Miles Davis der, der gesagt hat: He, stop it Coltrane! Weiter geht’s nicht. Es geht nicht weiter als »A Love Supreme«, und er hat gesagt: Wir machen Popmusik, das ist immer noch Popmusik, was wir da machen. Das haben ihm die Leute übel genommen, obwohl sie nur deshalb die Musik noch hören, weil es eben Miles Davis gegeben hat.
David: Und der Walter Richard Langer auch bis zuletzt, weil wir von Österreich gesprochen haben und den Journalisten. Für »Time After Time« hat er auch Schläge einstecken müssen. »Tutu« ist auch eine super Platte, die »Amandla« ist, glaub ich, nimmer so super. Die 80er-Jahre-Platten, die »Man with the Horn« ist super, »Decoy« ist doch super. … Die Leute wollten immer nur Standard-Jazz hören, aber Jazz ist halt nicht Jazz, Jazz ist so ein ständiges Weiterstricken, Weiterentwickeln, und das war es bis zu den 80er Jahren eh noch. Und Jazz stagniert halt jetzt genauso wie alle anderen Sachen auch, wie HipHop, wie Popmusik generell, wie Rockmusik, alles stagniert halt, jetzt ist es aus mit den neuen Ideen.

Paul: Ich glaube, die Leute wollen nicht spüren, die wollen immer an gewissen Dingen festhalten, wollen sich nicht gehen lassen. Wollen immer gewisse Listen abhakerln, ob eh alles erfüllt worden ist, was quasi gefordert worden ist grad in dem Moment. … allein schon so ein Typ wie der John Klemmer, der in der Musikgeschichte dasteht als der Schmusesaxophonist aller Zeiten, es zieht alles nicht, es geht alles irgendwie an dem vorbei, was ein Musiker mit seinem Schaffen ausdrücken will, das wird aber immer irgendwie dem widersprechen,
was ein Journalist gerne hätte, m

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Text
Hans Grausgruber

Veröffentlichung
22.12.2003

Schlagwörter

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