Lieber Robin,
Ich weiß, es ist hart. Ich weiß, dass du seit der Veröffentlichung von »People Are Like Seasons« vor zwei Jahren immer noch dem verdienten Erfolg hinterherläufst, und ich weiß, dass es gerade in dieser Lage gut für dich zu wissen ist, wo du geliebt wirst. Österreich ist so ein Ort. Und die zwei Konzerte, die du uns damals 2004 geschenkt hast, (die FM4-Tour natürlich nicht mitgezählt), gehörten zu den brillantesten Erlebnissen, die sich ein Konzertgeher so wünschen kann. Brillant, weil sie schon im Keim eines melancholischen Songwritings – meistens schon im ersten Akkord – immer MIT Band und OHNE Weinerlichkeit schlicht und ergreifend Gänsehaut erzeugen. Dafür mögen auch die famosen Streicher hergehalten haben, dafür mag deine gute Laune hergehalten haben, dafür mag die Bühnengröße der Szene hergehalten haben. Ich weiß es nicht.
Aber mittlerweile weiß ich: Eng und klein ist nicht so fein. Für Sophia-Konzerte oder zumindest für eine Hälfte davon. Dass du Vito, deine neue Lieblings-Backingband auch als Support eingespannt hast, war ein recht vernünftiger Schritt. Schade, dass wir außer der angekündigten Sigur Ros/Low-Mixtur nicht mehr gekriegt haben von Vito, aber das reicht ja auch manchmal. Vito sind ja auch eine Band, die zum Ausufern keine Ozeane braucht, da reichen fünf Quadratmeter schon mal. Und die kleine, familiäre Atmosphäre des Abends machte eigentlich nicht wirklich Lust auf was Größeres. Umso passender war es, als du – allein mit deiner Klampfe – die Bühne einnahmst, für eines der schönsten Akustik-Sets, die ich je gehört habe.
Seien wir ehrlich: Deine Songs sind immer an der harten Grenze ins absurde Kitschige, ungut Depressive zu fallen, immer verflucht riskant, offen wie ein Buch, angreifbar. Dafür lieben dich die Leute auch. Das ist es, was Sophia ausmacht, so wie auch, dass du live eben auch offen mit den Leuten umgehst, klar machst, dass du keine God Machine-Songs spielen wirst (was du natürlich jedes Mal wieder gefragt wirst), oder am Anfang erst mal ein paar Wünsche notierst, damit dein Set dem Publikum entspricht. Das ist alles so fein und gut.
Und ich muss ja schon zugeben: Der Moment des Sichgehenlassens, den du immer so sÃ¼ß Â»blow-your-heads-away« taufst, der Moment also, wo Sophia zu einem Rock-Ozean wird, der ist schon verdammt gewaltig. Da bin ich jedes Mal erstarrt in Ehrfurcht, wenn du den »River Song« angespielt hast. Weil solche Monumente eben Ehrfurcht erzeugen wollen und sollen. Aber bei einem kleinen, familiären Gig ist an so Monstren wie »River Song« nicht zu denken. Noch dazu akustisch? Forget it. Dass du am Ende deines Sets dann Vito auf die Bühne geholt hast, um uns endlich die Schädeln wegzublasen, hat leider nichts geholfen. Vielleicht war das Ambiente zu klein, die Band zu unsophiaesque. Aber bei dem Gemurkse war kaum was von der Größe und Opulenz des »River Songs« zu verspüren. Dafür hast du natürlich geschickt gekontert und mit den zwei Nummern von deinem Guteschlechtealtezeiten-Nebenprojekt The May Queens uns gehörig den 70s-Rock um die Ohren geschmissen. Das machte Spaß, und fühlte sich nicht deplatziert an.
Weniger Spaß machte, dein Alkoholkonsum. Ich liebe dich natürlich auch für deine Anekdötchen, für deinen offenen Umgang mit dem Publikum … aber bitte, lieber Robin: Erspar uns das nächste Mal Geschichten über »Woman«, wo du dich bei Lesben-Kongressen für die Lyrics entschuldigen wolltest, und dann festgestellt hast, dass Frauen auf Frauen beschimpfende Lyrics stehen (auch wenn sie nur aus einer extremen Laune/Situation entstanden sind), um dann auf die große Frage zu kommen, dass, wenn wir Männer mal Frauen das an den Kopf werfen würden, was sie uns immer antun, ein Weltkrieg ausbrechen würde. Bitte. Erspar uns so was. Oder trink weniger. Aber bittebittebitte: Schreib weiterhin Songs, die Leben retten können.