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Schwimmen, nicht atmen

»Talea«, das Spielfilm-Debut von Katharina Mückstein, erzählt von einer 14-jährigen, die erkennt, dass man nicht unbedingt eine Mutter braucht, um Schwimmen zu lernen.

Die 14-jährige Jasmin lebt bei ihren Pflegeeltern. Als ihre leibliche Mutter aus dem Gefängnis entlassen wird, nimmt Jasmin Reißaus, um mit der anfangs widerwilligen Mutter ein Wochenende am Land zu verbringen. Die behutsame Annäherung zwischen Mutter und Tochter wird jedoch durch das Auftreten eines jungen Dorfwirtes auf die Probe gestellt.
Wäre das ein französischer Film, hätte Jasmin ein halbes Dutzend Freundinnen, man würde gemeinsam durch die Wirren der Pubertät rattern, Jungs dabei keck die lange Nase zeigen, während die Lebenslust der Mutter in einem Feuerwerk von lebenslustigen Szenen zelebriert wird. Ein Steven Spielberg wiederum würde Mutter und Tochter in einen malerisch fotografierten Krieg schicken, ein Pferd oder ein Außerirdischer würde ein herzzerreißende Rolle spielen und am Ende gäbe es mindestens eine Szene, in der eine Respektsperson ein flammendes Plädoyer für Familienwerte hält. Bei Quentin Tarantino wiederum wäre die Mutter Stuntfrau und die Tochter von einer geheimnisvollen Motorradgang entführt worden. Chaos und haarsträubende Dialoge wären die Folge und im Zuge des großen Shootouts am Ende würde vielleicht eine gigantische Penisskulptur explodieren. Aber Spaß beiseite. Weil wir hier in einem österreichischen Film sind, passiert nichts davon.
Es macht natürlich wenig Sinn, »Talea« für seine typisch österreichischen Stilmerkmale zu tadeln, für die karge Bildsprache, das bloß angedeutete Beziehungsgefüge, die zurückgenommenen Dialoge, die langsamen Einstellungen, die aber nie das Gezeigte transzendieren. Man kann stattdessen der Regisseurin Katharina Mückstein ihren beharrlichen, zugleich liebevollen Blick auf die Dinge zu Gute halten. Wir sehen Mutter und Tochter gleichermaßen stoisch wie störrisch in die Landschaft platziert. Wir sehen einen sehr weiblichen Blick auf zwei Frauen, der sich mehr für die flirrenden Zwischentöne einer Annäherung interessiert, mehr für die Details, für das Unausgesprochene. Wir sehen eine präzise spielende Nina Proll, die den Zwiespalt zwischen Mutterrolle und Lebenslust authentisch weil sperrig verkörpert, wir sehen die ebenso toll aufspielende junge Sophie Stockinger als pubertierende Jasmin. Wir sehen außerdem zwei lange Kamerafahrten in »Talea«, einmal die lange Fahrradfahrt entlang der Raffinerie Schwechat, einmal die Tanzszene in der Landdisco zu den eigens für den Film komponierten Stücken von Veronika Eberhart oder Wolfgang Möstl (abgemischt von Patrick Pulsinger und Martin Siewert). Beide Szenen fallen ein wenig aus dem Rahmen, unterstreichen aber doch auch den Charakter des Films. Ûberhaupt fällt ein wenig auf, dass »Talea« von der Thematik an »Atmen« von Karl Markovics erinnert, aber nicht ganz an dessen Dichte heranreicht. Der Vergleich erklärt auch warum. Wo Markovics seinem Jugendlichen in ein detailreiches Berufsmilieu folgt, das auch in thematischer Nähe zur Geschichte steht, da führt »Talea« seine Protagonistinnen weg vom Alltag, hin in eine etwas zu allgemeine Ausnahmesituation. Und während sich in »Atmen« die gezeigte Gewalt auf ein Trauma bezieht, dessen Bewältigung auch filmisch großartig aufgelöst wird, so kommen die beiden Gewaltszenen in »Talea« eher ein wenig out of the blue daher. Und die Auflösung findet eigentlich im Off statt, man sieht nur das Resultat. Das ist schade, hier wäre mehr drinnen gewesen. Dennoch ist es ein feiner, ein kleiner Film, mit dem sich Katharina Mückstein da vorstellt. »Talea« bedeutet übrigens Steckling oder Spross.

Katharina Mückstein: »Talea« / La Banda Film
Ab 13. September im Gartenbaukino
Wien-Premiere am 13.September 2013, 20:00 (ab 22.00 Konzert: Tirana, anschliessend DJ-Line), in Anwesenheit von Katharina Mückstein, Nina Proll & Sophie Stockinger 


Weitere Termine:

Das Kino (Salzburg), Premiere am 11. Sept. 20.15 in Anwesenheit von Katharina Mückstein & Nina Proll. Kinostart: 14. September

Moviemento Kino (Linz), Premiere am 16. Sept, 20.00 (ab 22.00 Konzert: Tirana) in Anwesenheit von Katharina Mückstein, Nina Proll & Sophie Stockinger. Kinostart: 20. September

Leokino (Innsbruck) Premiere am 19. Sept, 20.00 in Anwesenheit von Katharina Mückstein & Nina Proll. Kinostart: 20. September

Geidorf Kino (Graz), Premiere am 17. Sept., 20.30 in Anwesenheit von Katharina Mückstein & Sophie Stockinger. Kinostart: 20. September

Weiters läuft Talea in folgenden Kinos an (Ohne Premiere)

Apollo Kino (Wien): 13. September
Volkskino (Klagenfurt), ab 27. September
Cinema Paradiso (St. Pölten) 21., 22., 28. u. 29. September

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Text
Curt Cuisine

Veröffentlichung
09.09.2013

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