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Schmetterling und Taucherglocke

Ein Schwerkranker steht im Mittelpunkt von Julian Schnabels neuem Film, der aber trotzdem kein Trauerspiel geworden ist.

Julian Schnabels dritte Arbeit fürs Kino ist eine Literaturverfilmung und Filmbiografie, nach dem Bestseller von Jean-Dominique Bauby. Bauby, damals Chefredakteur der »Elle«, hatte im Alter von 43 Jahren einen Schlaganfall und litt infolgedessen am »Locked-In-Sydrome«. Er konnte seine Umgebung sehen und hören, war selbst aber bewegungs- und sprechunfähig. Einzig ein Augenlid blieb beweglich, durch Blinzeln gelang es Bauby, sich mit seiner Umgebung zu verständigen. Es gelang ihm sogar auf diese Weise ein ganzes Buch zu diktieren, »Schmetterling und Taucherglocke« nannte er es. Eingeschlossen in seinen bewegungsunfähigen Körper fühlte Bauby sich wie ein Tiefseetaucher, ohne Möglichkeit zur Kommunikation, isoliert. Doch seine Krankheit ließ ihn ein neues Reich der Freiheit kennen lernen: Das Reich der Phantasie. Diese Entdeckung empfand er als neue Geburt, die er verglich mit dem Schlüpfen eines Schmetterlings.

Mitleid – nein, danke!

Wie in seinen vorherigen Filmen »Basquiat« und »Before Night Falls« beschäftigt sich Julian Schnabel mit der Lebensgeschichte eines künstlerischen Menschen. Jean- Dominique Bauby, so Schnabel, wurde erst in der Zeit seiner Behinderung und wegen dieser zum Künstler, zum Schriftsteller. Schnabel nähert sich der Figur Baubys poetisch, subjektiv. Der Film beginnt mit dem Erwachen Baubys nach dem Schlaganfall. Der Blick der Kamera ist der des Patienten, unfokussiert, wackelig, schlierig, verzogen. In der ersten Hälfte des Films sehen wir nur, was die Hauptperson sieht. Das Gesicht des Kranken wird erst dann gezeigt, als Bauby sich in einem Spiegel sieht. Hauptdarsteller Mathieu Amalric spielt seine Rolle ganz »natürlich« (kein method-acting), den von Krankheit gezeichneten nimmt man ihm ebenso ab, wie den lebenslustigen Draufgänger, der er vorher war. Humor, Phantastik, Verwirrung, Ängste, Schmerz, Spannung sind Elemente der Story, nur um Mitleid geht es nicht. Berührende Momente gibt es, etwa die Szenen zwischen Vater (Max von Sydow) und Sohn, aber ein Rührstück ist der Film keinen Fall.

»Schmetterling und Taucherglocke« (Le Scaphandre et le Papillon)
R: Julian Schnabel USA/Frankreich 2007
Mit: Mathieu Amalric, Emmanuelle Seigner, Jean-Pierre Cassel, Max von Sydow, Anne Consigny u.a.

Seit 28.03.2008 in österreichischen Kinos

Home / Kultur / Film

Text
Jenny Legenstein

Veröffentlichung
04.04.2008

Schlagwörter

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