Am Morgen blickten die Helden auf das grünschimmernde Meer. War es Apoll, der turmhoch am sandigen Ufer stand? Oder waren es die Fäden der Erinnyen, die ihnen Aug’ und Ohr betäubten? Unabwendlich wuchs in den Herzen der Kriegserfahrenen der Entschluss. Sie würden ihre schönwallenden Locken kämmen und nicht zögern, zu besteigen ihr schwerwandelndes Hornvieh, um – ungefähr 2.500 Jahre später – im 18. Wiener Gemeindebezirk rechtzeitig zum Salon skug im Teppichhaus Zamani einzutreffen, denn jede Odyssee muss einmal ein Ende haben. Und wo lässt sich das Ende des Herumirrens würdiger feiern als bei Sound und Debatte im Salon? Welcome, ye wretched wanderers!
Ätherische Klänge
Sperr die Lauscherchen auf, Orestes, hier singt dir wer ein Lied. Eines, das keine unsinnigen Grenzen zieht zwischen anatolischem Volkslied und griechischem Rembetiko. Can Erkurt und Odysseus Stamoglou spannen ihre Darmsaiten aus Polyamid über ihre hölzernen Lautgeber und bearbeiten ihre Instrumente so feinsinnig, dass liebend gern der türkische Kaffee mit Retsina nachgeschärft wird und man sich in eine schummrige Taverne, besser noch in ein gemütliches Teppichgeschäft wünscht. So zu finden, nach mehr oder minder langem Irren, bei Zamani Orientteppiche in der Währinger Straße 125, 1180 Wien, wo das Beste beider Welten aufeinandertrifft. Can definiert an der Gitarre die Sehnsucht neu, Odysseus führt uns an der Schalenhalslaute weit weg aus der Tristesse des Winters. Hier der zarte Vorgeschmack:
Dem nicht genug. Dass Joanna Quehenberger mit griechischen Gefilden vertraut ist, darf man ihren Gedichten entnehmen. Als Adelita Escapes vertont sie manch erlebte Reise, die sie von der »Fähre nach Piräus« über die »Wohnung in Korydallos« bis auf die »Straßen von Rafina« führt. Ihre Erinnerungen schicken uns ins Früher. Ihr Sound weht von ferner Melancholie über das unendliche Meer tiefer und träumender Empfindungen. Marie Vermont begleitet diese Reise mit einer ausgewählten Reihe von Kabel- und Tastengeräten, dem Space Gear. Weshalb es im Salon heißen wird: Adelita Escapes & Space Gear. Hier zum Vorlauschen:
Wie kollektiv lieben?
In der griechischen, der osmanischen oder der okzidentalen Tradition ist eines immer voll wichtig: Family. Fettgeil, so ein fester Verband, und deswegen auch ständig »trouble and strife«. Seit der Antike immer die gleichen Storys. Es hat wieder wer was falsch gemacht (Mord z. B.) und dann die anderen wieder so auf Rache, bis die Gött*innen die blutüberströmten Häupter schütteln. Das hatte alles ziemlich wenig mit Liebe zu tun. Ehre, Stand und Rechtstitel verbanden und trennten die Menschen zugleich. Leidenschaft war (den Beschreibungen nach) bestenfalls Devianz. Überschäumend und immer sehr gefährlich. So wird man nur schwer happy, weil alle Gefühle letztlich nur Spiegel der herrschenden Machtverhältnisse sind. Wie schlau war es da von der Menschheit, aus den sorgsam über familiäre Normen wachenden Gött*innen Witzfiguren zu machen, die allenfalls noch Woody Allen erheitern (Aussagen zu seinem Familienleben nur unter Folter). Was aber haben wir gelernt? Wie können wir es heute besser, freier, schöner, lustvoller machen? Anders gefragt: Wie fühlt sich Liebe an?
Es ist halb zwei in der Früh, leere Biergläser zieren den Beisltisch und die beste Freundin erzählt, dass sie seit neuestem mit mehreren Leuten Sex hat. Zwei Seiderl später kommt es zur Grundsatzfrage: »Aber wie ist es dann mit der Liebe?« Das zeigt, wie eng unser Denken über Liebe mit angelernten sozialen Normen verknüpft ist. Dabei geht es nicht darum, alternative Beziehungsformen zu verteufeln oder zu romantisieren. Wer am Ende des Tages glücklich ist, soll lieben, wen er*sie will. Dass Lieben aber politisch ist und die unsichtbaren Gesetze einer toxic monogamy culture unser Denken darüber erschweren, wird gerne ignoriert. Warum? Weil uns die Sprache dafür fehlt. Das Denken über alternative Beziehungskonzepte wird als Luxusbeschäftigung abgestempelt.
Diesem Diskurs wollen die Autor*innen von »Unter Palmen« etwas entgegensetzen und widmen ihre neue Ausgabe »Kollektiv l(i)eben« diesem so persönlichen wie politischen Thema. Deshalb bitten wir für das skug Talk-Panel Autorinnen Caroline Schmüser und Hannah Wolf sowie Grafikerin Ninon Marx auf den Teppich. Mit ihnen besprechen wir Fragen des kollektiven Liebens, queere Familienpolitik und die grundsätzliche Frage, wie sich Liebe anfühlen kann. Dabei halten wir die wunderschöne neue Ausgabe von »Unter Palmen« in die Luft und feiern das gut designte und klug argumentierende Heft. All das am 10. Februar 2023 ab 19:30 Uhr bei freiem Eintritt. Wir freuen uns auf euch!