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RTX – What the fuck is that?

RTX ist die neue Band von Jennifer Herrema, vormals bei Royal Trux am Mikrofon. Mit der Debüt-LP »Transmaniacon« holt sie sich nach wohldosierter Pause ihren Titel als amtierende Rock-Göttin zurück. Mit dem Gitarristen Jaimo Welch und Soundwizard Nadav Eisenman stellt sie darauf ein nicht ganz klassisches Power-Trio vor. Auf Tour wird sie in einem Quintett auftreten und verspricht für die Live-Umsetzung im Vergleich zum Studio-Labor: »The testtube will shatter and we will scatter.«

Ich möchte mich an dieser Stelle für mein Review von »Transmaniacon« im letzten skug herzlich entschuldigen. Verstörende, aus irrigen Erwartungshaltungen gespeiste Impulse und Zeitmangel verursachten eine auf Ignoranz basierende Text-Katastrophe. Ein besonderer Verständnismangel bezog sich auf die Produktion der Platte. Jennifer dazu: »Wir wollten uns an all dem erfreuen, was analog-orientierte Leute hassen. Als Produzenten interessierte es uns mehr, mit Mutt Lange (produzierte Shania Twain, AC/DC, Backstreet Boys, Anm.) oder echtem Radio-Stoff wie Nelly zu konkurrieren.« So viel zur Perspektive. Die Platte führt dann wirklich soundästhetisch alles ins Rennen, was sonst für Indie-Credibility verboten erscheint. Mit Kopfhörer genossen ist das ein überdrehter Rummel verbotener Ton-Früchte, bis weit über die Kante gefüllt aber dennoch mit Oberflächenspannung. Die internen Referenzen auf die Trux-Geschichte sind auch perfider und umfangreicher als ursprünglich angenommen. »Shockwave Rider«, ein ’93er Seitenhieb in Richtung Beck, der demonstrieren sollte, dass die Sampling-Formel ein Kinderspiel und nicht der Innovation letzter Schluss ist, taucht beispielsweise in komplett anderem Arrangement als »Joint Chief« und »Major Rock Contender« wieder auf. Das gesunde Selbstbewusstsein erscheint auch ganz passend, wenn man bedenkt, dass Royal Trux nichts weniger waren, als die einzige Rockband, die tatsächlich harmolodische Freiheitsprinzipien in ihrem Kontext erfolgreich nutzten, ganze Dekaden (Rock-)Musikgeschichte in Konzeptalben fassten, und sonst ungezählte Format- und Produktionsästhetiken unfassbar gewieft reflektierten. Ein imposanter, oft unverstandener Kanon, der sie für Leute wie Jim O’Rourke oder Ian Svenonius, deren Urteilskraft ich nicht anzweifeln möchte, zur wichtigsten Band der 90er macht.
Nach dem Split mit Neil Hagerty tauchte der Name Jennifer Herrema leider nur in Gossip-Rubriken mit unguten Berichten über fraglichen Substanz-Input auf. Neil hat mittlerweile sechs (!) LPs rausgebracht, als Produzent ordentlich aufhorchen lassen und sein zweites Buch veröffentlicht. »Transmaniacon« bricht nun das Schweigen und zeigt mit der Widmung an ihren verstorbenen Vater, dass neben Krypto-Metaphorik, Schamanismus, Todeskult, Junk-Visuals (Altamont/Hell’s Angels und manipulativ magisch gespeist) auch menschliche Empfindungen erstmals Einzug halten.

Warum gibt es erst nach so langer Pause eine neue Platte?

Das ist keine Pause. Dreieinhalb Jahre … das fühlt sich an wie vor einer Minute. Es gab einfach so viel Scheiße in meinem Leben, der ich mich stellen musste, verstehst du? Eine nächste Platte wird es immer geben, das war immer Teil des Plans.

Wie ist es zu deiner neuen Band gekommen. Sind das Musiker die du vorher kanntest?
Nein, das war ein Teil der zeitaufwendigen Arbeit. Ich sprach mit Neil, nachdem wir die »Pound for Pound«-Tour abgesagt hatten. Er war sehr schnell mit seiner ersten Solo-LP da. Ich sprach mit ihm über die Platte, die ich machen wollte und den Sound, den ich haben wollte. Wir haben mit so vielen Musikern zusammengearbeitet – wirklich großartige Musiker, einige zumindest. Sie standen alle zur Verfügung. Der Split mit Neil erzwang förmlich, alles neu zu machen, die Karten neu zu mischen und neue Dinge ins Spiel zu bringen. Ich entwickelte zuerst den Sound, das machte es einfacher, die restlichen Teile des Puzzles hinzuzufügen. Wenn du das Bild kennst, kannst du die Teile zusammenfügen. Vor etwa zwei Jahren war ich für ein Foto-Shooting zehn Tage in San Francisco. Ich wurde für eine Reihe verschiedener amerikanischer Magazine fotografiert. Der Fotograf war ein alter Freund von mir, der mit seinem Bruder in Berkeley lebte. Während der zehn Tage gab es viel Freizeit und er redete mit mir über … er ist ein fanatischer Gearhead, er ist besessen von Produktion und Tontechnik. Er stellte mir zwei Typen vor, die in der Nähe des Strandes lebten und überhaupt nie Teil irgendeiner musikalischen Szene waren aber totale Musikenthusiasten sind. Sie hatten einige Sachen aufgenommen und sie haben mir dann ein paar Monate später eine CDR geschickt. Ich hörte Jaimos Gitarre und wusste sofort, das ist perfekt! Das war genau … das war ein Teil des Puzzles. Dazu kam Nadavs Aufnahmetechnik; es klang wahnsinnig gut. Ich rief die beiden an und flog sie nach Virginia ein. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Jaimo wurde gerade 22, er ist voller Energie und das war echt inspirierend, aufregend und killer! Ich erklärte ihnen das Album, das ich machen wollte und zeigte ihnen das Zeug, an dem ich bislang gearbeitet hatte. Sie waren dabei und meinten: »Wir machen alles was du willst für deine Solo-Sache.« Ich sagte: »Nein, das soll keine Solo-Sache sein, das wird eine Band und ihr werdet euren Scheiß auch an den Tisch bringen müssen! Ich will damit auf Tour, ich will spielen, ich will eine Band!« Sie fanden nach langer Suche einen Übungsraum in Südkalifornien, aber es war ein fantastischer Platz. Der Raum war mitten in einem Vogelschutzgebiet im Feuchtland in Playa Del Rey, etwa 20 Meilen südlich von Hollywood, gleich am Ozean. Ein riesiger Betonbunker, keine Fenster, kein gar nichts. Du machst die Tür auf und bist mitten im Vogelreservat und siehst all diese großartigen Tiere. Du drehst dich um und bist vor dem pazifischen Ozean. Es gab keine Dusche, aber ich lebte dort vier Monate lang. Ich schrieb mich in einem Fitness-Club ein und duschte dort. Wir begannen mit den Aufnahmen, aber dann wurde mein Vater wieder sehr krank. Das war auch der Grund, warum wir die »Pound for Pound«-Tour abgesagt hatten. Sein Zustand entwickelte sich ganz furchtbar und deshalb flogen wir das ganze Equipment zurück nach Virginia und begannen dort von vorne.

Kannst du mir etwas spezifisches über diese Sound-Ideen erzählen? Die Platte klingt ja gänzlich anders wie alles, was du/ihr bisher gemacht habt.
Der Sound in meinem Kopf war die treibende Kraft. Ich wusste einfach, wie es klingen sollte. Ich wollte Unmittelbarkeit, ich wollte, dass man beim Hören sofort etwas bekommt, es sollte aber auch nicht völlig leer after the fact sein. Es sollte Tiefe haben, damit man weiterhören kann und mit der Zeit auch mehr hören kann. Es sollte aber auch nicht dicht bis hin zum Punkt eines chaotischen Überschwangs sein. Es sollte schon etwas Struktur und Organisation dabei sein. Ich wollte es auf Rock und Gitarren basierend haben, aber nicht in einem Genre verwurzelt, das vorher schon da war … Es sollte ein pures Rock-Album sein, das bedeutet, es sollte sich auf all meine Einflüsse beziehen … sozusagen eine Vergewaltigung dieser Einflüsse, die wir wieder zusammensetzen und in etwas neues hinüber retten. Das war in etwa das Ziel.

Mich hat überrascht, wie viele Effekte über die Stimme gelegt sind.
Auf »PB + J« gibt es den Vocoder, aber auf dem Rest ist der Effekt einfach nur das Resultat von drei und vierfach- Aufnahmen. Da gibt es nicht viele Effekte. Es ist das Zusammenfügen verschiedener Live-Tracks mit ein wenig Hall hier und etwas anderem kleinen da. Wenn du dann alle vier Tracks übereinander schichtest, bekommst du dieses Artefakt, das die Stimme ist.

Auf der Textebene gibt es Referenzen auf alte Trux-Songs wie »Shockwave Rider« und »Hot & Cold Skulls«. Ist das thematisch als Aufarbeitung und Zusammenfassung der Vergangenheit gedacht?
Das ist nicht das Thema der Platte. Es war einfach ein Weg, diese Texte in einen anderen Kontext zu stellen. Als diese Songs ursprünglich geschrieben wurden, waren sie im Kontext ihrer damaligen Songs. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie viel Raum für Interpretationen offen lassen. Das wollte ich diesmal ein wenig stärker herausarbeiten und ein paar Dinge davon wieder ins Spiel bringen. Wo die selben Worte in einem anderen Zusammenhang auftauchen und etwas anderes bedeuten.

Diesmal hast du fast alles alleine geschrieben. Wie war das
früher mit Neil?

Mit Neil gab es definitiv viel Zusammenarbeit aber genauso Songs, die klar meine und solche, die klar seine waren. Die beste Analogie ist: Wenn ich die Farbe rot bin und Neil die Farbe blau ist, dann ist Royal Trux die Farbe violett. Das jetzt ist das rote Album. Diese Platte filtert den Teil aus den vorherigen Zusammenarbeiten heraus, der von mir kam. Sie klärt auf, was mein Beitrag bei Royal Trux war.

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Text
David Mochida Krispel

Veröffentlichung
03.02.2005

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