Das Spiel mit dem Feedback ist der Dialog mit einem Geist, den man ruft, womöglich zu beherrschen sucht. Es ist jedoch auch die Hingabe an eine andere, von »außen« kommende Energie: Feedbackende stoßen sie an; und, wenn sie dann auf sie zukommt, können sie sie in ihr Spiel einbauen. Im Bewusstsein, dass sich diese Dynamik nie (total) kontrollieren lässt. Im Gegenteil: Das Ganze wird erst bei weit fortgeschrittener Hingabe idyllisch.
Zu welch hohem Anteil Michael Fischer aus Musik besteht, zu welcher Hingabe er imstande und bereit ist, offenbart das im Mai 2024 bei Klanggalerie veröffentlichte Album »Feed Back Saxo Phone«. Es wurde am 19. Juli im Rahmen eines kurzen Konzertes im Wiener WUK vorgestellt. In der Fotogalerie – dort wo das Album auch aufgenommen wurde. Fischer operiert dabei mit einem (wunderschön abgenutzten) Saxophon, das mit einem Mikrophon bestückt ist und das er gelegentlich zusätzlich über ein weiteres Mikro hält.
Mittels unterschiedlicher Techniken erzeugt er auf dem Sax Töne und Geräusche: durch heftiges, klopfendes Betätigen der Klappen, ohne und mit Anblasen; durch »normales« Spiel (Anblasen des Mundstücks zur Tonerzeugung), durch In-das-Saxophon-hinein-Reden, -Singen, -Schreien, während das Tenor teilweise wild bewegt wird. Bewegungen – etwa hin zur bzw. weg von der Lautsprecherbox – modulieren die Rückkopplungen. Das Sax klingt dabei manchmal so ähnlich wie eine heiße, verzerrte Gitarre. Manchmal wie ein Stehbass, oft wie resonante Trommeln, und nach vielem mehr.
Kraftvolle Zirkel
Fischer steigert sich im Laufe des Spieles in dasselbe hinein, entwickelt einen äußerst lebendigen, kraftvollen Zirkel. Hörende, die solche Töne nicht gewöhnt und/oder lautlichen Exzessen verschlossen sind, werden sie als circuli vitiosi betrachten (sofern sie überhaupt dazu bereit sind, länger als ein paar Sekunden zuzuhören). Die Stücke auf »Feed Back Saxo Phone« sind vielfältig, erdig, exzessiv, griffig, überirdisch, teilweise durchaus diabolisch.
Das Album beginnt mit vorsichtigen Schritten. Erste Feedbackschleifen mischen sich in perkussiv geschlossene Klappen, wir denken an ein Gehen, an Trommeln aus Indien oder Lateinamerika, auch an einen Stehbass; wippen dankbar mit, wenn Fischer damit beginnt, die Klappen rhythmisch und meist forsch, in chromatischen Auf- und Abgängen zu schließen. Es ist, als ob unser Schreiten an dieser Stelle in den Tanz übergegangen wäre. Im Unterschied zum Titel »In Substance And Principle« erzeugt der Song in mir ein leichtes, heiteres Lebensgefühl.
Ganz anders das schwere, wellige, harte, »Luminous Spectra«. In diesem Lied beginnt Fischer erstmals auf dem Album, die hohe Energie der Rückkoppelung auszureizen. Er bleibt auch nicht sprachlos. Ab einem gewissen Vitalitätsniveau setzt er seine Stimme ein. Auf sprachlicher Ebene verstehen wir ihn nicht, auf emotionaler Ebene können wir ihn weit besser empfangen. »The Fountain Began« kehrt (ähnlich wie »Within Starry Skies«) wieder zurück zum meditativen Schreiten. Subbass-Frequenzen berühren uns, erreichen jedenfalls unser Stammhirn, unsere Instinkte. Das Stück wirkt nachdenklich und beruhigend.
Vorstellung vom Paradies
»As The Ends Of Heaven Met« liefert uns eine Vorstellung von Fischers Vorstellung vom Paradies: lebendig, aufwühlend, couragiert, entschlossen und letztlich melodiös. So wundert es uns nicht, dass dieser Weg »To Eternity« kein leichter, sondern ein lauter sein wird. Das kurze »Sevenfold Vision Reveals« besteht aus einem zügellosen Gurgeln. Wobei das alte Sax als eine Art Flüstertüte fungiert. Krass ist der Gegensatz, wenn danach »Broad Path« einsetzt. Elektrisch, laut und mit heftigen Rückkoppelungen, die in schrillen Schreien ausarten. Die schrillen Töne mögen manche an Folter erinnern. Für mich ist es ein befreiendes Geheul, ein äußerst puristischer Ausdruck später Lebensfreude.
Einen feinen Abschluss bildet »Out Of Sinken Vells«. Lebendig, verspielt – bis Fischer in einen beinahe klagenden, zumindest anklagenden Diskurs einsteigt. Großes Kino sind die Wechsel zwischen Feedback, Growls, Klappen-Perkussion und exzessiven, angeblasenen Saxophon-Läufen. Ein überaus reiches, drastisches, atemloses Stück über beinahe zehn Minuten, die beim Abhören wie im Flug vergehen. Es steht zu befürchten, dass nur eine geringe Anzahl von Musikliebenden diesem Album durch wiederholtes, aufmerksames Abhören eine echte Chance geben werden. Jene aber, die sich auf »Feed Back Saxo Phone« einlassen, werden reich belohnt.
Michael Fischer: Musiker, Komponist und Dirigent von Instant Composition. Neben seinen langjährigen Kollaborationen, wie dem Duo Bagg*Fish mit dem Schlagzeuger Marcos Baggiani, gründete Fischer 2004 das Vienna Improvisers Orchestra. Er hat eine individuelle Handzeichen-Praxis entwickelt, ähnlich den Butch Morris Conductions. Bereits seit 1999 verbindet er das elektroakustische Phänomen Feedback mit seinem Saxophon-Spiel und entwickelte das Feedback-Saxophon.
Was ist Feedback? Die Lautkette »feedback« wird im Deutschen gegenwärtig hauptsächlich als Lehnwort benützt, um »Kritik« zu ersetzen. In einigen gängigen Definitionen findet sich kein Hinweis auf das akustische Phänomen der Rückkoppelung. Dieselbe wird – wohl ursprünglich als Umdeutung eines glücklichen Fehlers – in der Musik seit Langem eingesetzt. Meine Generation kennt sie insbesondere von einigen Soli diverser Hardrock-Gitarren-Helden. Jimi Hendrix’ Version des »Star Sprangled Banner«, vorgetragen 1969 zu Woodstock, fällt mir dabei spontan ein.