Wie es sich herausstellt, ist ein frei bestimmtes Leben hinter Klostermauern nicht zwangsläufig nur leise oder eintönig. »Hierdrin haben alle Kenntnis von meiner wilden Rocker-Vergangenheit«, sanft wischt Pater Bruno diese Bemerkung über das Equipment hinweg. Dass eben er ein ganz besonderer »Engel« sei, daran haben sich seine 85 Mitbrüder eigentlich nie gestört.
Nicht nur Musikfans mag der verzweigte Lebensweg des studierten Theologen verwundern. Pater Bruno war in seinem weltlichen Leben besser unter dem Künstlernamen Harry Stone bekannt. In einer der erfolgreichsten Schweizer Bands der 80er-Jahre, den Hardrockern Black Angel, bediente er die Keyboards. Zeichen und Wunder: Die sechsköpfige Band schaffte es gar, als Vorgruppe der berühmten Rocklegende Uriah Heep aufzutreten. Eine ausgedehnte England- und Schottland-Tour brachte sie dann mit den Headlinern Nazareth zusammen. Insgesamt 26 Konzerte waren es, die Schwarzen Engel wurden dabei stürmisch gefeiert, und das renommierte Metalmagazin »Kerang!« lobpreiste sie als eine neue Lichterscheinung. Die Band heizte die Basler St. Jakobshalle ein, ehe Whitesnake mit David Coverdale (Ex-»Deep Purple«) als rockender Säulenheiliger und himmlische Frontfigur aufdonnerte. »Wir haben fest an den Profistatus geglaubt. Uns fehlte jedoch der »Quantensprung«, um ernsthaft vorwärts zukommen«. Pater Brunos Erinnerungen sind lebendig, sein inneres Feuer für jenen lauteren Musikstil nicht gänzlich erlöscht. »Wir haben dann die Band aufgelöst. In jener Zeit habe ich viel meditiert und mich mit der Bibel beschäftigt«.
Auf der langen Reise nach Damaskus verwandelte sich Saulus zu Paulus, so steht’s geschrieben. Erlebte Harry Stone eine Epiphanie, hatte eine Erscheinung ihm den richtigen Weg ins Kloster gewiesen? Pater Bruno lacht. »Nein! Auch gibt es in meinem Leben keine vermutbare Bruchstelle«. In Winterthur geboren und in Langwiesen aufgewachsen wollte er seit seiner Kindheit Pfarrer werden, ein für die damalige Zeit üblicher Berufswunsch. Das Theologiestudium führte ihn nach Fribourg, wo er zunächst Jugendarbeit leistete. Später leitete er in Schaffhausen einen Kirchenchor, war Organist in den Kirchgemeinden Paradies und Eschenz (TG). »Ich ging jeweils in den Lederklamotten zum sonntäglichen Orgelspiel. Die Kirchengänger akzeptieren dies nicht gleich auf Anhieb, doch ich blieb mir stets treu«. In der Kirchgemeinde Eschenz lernte er einen Benediktiner Mönch kennen, vielleicht eine entscheidende Begegnung, um irgendwann mal doch noch die Lederkluft gegen Kutte einzutauschen. Bestimmt aber entstanden die »Black Angels« anlässlich von kirchenmusikalischen Auftritten. Die Jugendlichen musizierten bei diesen Gelegenheiten und formierten sich später zur legendären Rockband.
In nächster Zeit werde er etwas kürzer treten, er nähere sich ja bereits dem Pensionsalter. Pater Bruno gibt Religionsunterricht in 25 Schulklassen. Legendär geworden sind in Einsiedeln auch die abendfüllenden Spielfilme, die er jeweils mit der Abschlussklasse (3. Oberstufe) dreht. Acht Spielfilme, inzwischen mit sehr aufwendigen Drehtechniken, sind entstanden. Die neuste Produktion, in der üblich professionellen Aufmachung, bearbeitet Pater Bruno derzeit am Computer nach: »Das geht dann oft bis spät in die Nacht«. Doch er sei mit dem klösterlichen Leben sehr zufrieden. David Coverdale würde über Pater Brunos Entscheidung nur diese eine Zeile anstimmen: »Here I go again on my own«. Ihren konsequenten Lebensweg beschreiten letztlich beide.
((Kleingedrucktes))
www.genesisfilm.com; www.brunogreis.ch; www.kloster-einsiedeln.ch
»Hellvetic Rock I + II« (2006), CD-Compilations, u.a. mit den Black Angels
Weitere Tonträger, nur als Schallplatten:
»Hellmachine« (1981)
»Kickdown« (1983)
»Broken Spell« (1985)