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Nacktschnecken

Zwischen der Premierenfeier und der Diagonale bot sich die Gelegenheit für ein Gespräch mit dem Regisseur Michael Glawogger über seinen aktuellen Film »Nacktschnecken« - ein Gespräch übers Scheitern, Sex, Graz und noch größere Städte.

?: Sie haben seit 1998 Dokumentarfilme gedreht und sich mit »Nacktschnecken« wieder der Fiktion gewidmet. Was können Sie zurzeit mit dem Spielfilm eher ausdrücken als mit dem Dokumentarfilm?

Michael Glawogger: Mir hat jemand einmal auf einem Festival ganz erbost gesagt: »Ihr Film ist kein Dokumentarfilm!« Das war zu »Megacities«, worauf ich erwidert habe: »Das macht nix«. Der Grenzbereich zwischen beiden ist etwas, was mich besonders interessiert. Ich mag Spielfilme, die aus einem dokumentarischen Ansatz herkommen und umgekehrt Dokumentarfilme, die sich die Freiheit nehmen die Dinge so zu zeigen, wie ich sie sehe. Und bewusst zu gestalten als zu verheimlichen, dass jeder Dokumentarfilm gestaltet ist.
Ich bin grundsätzlich immer in einem gewissen Grenzbereich unterwegs. Egal ob das jetzt die eine oder andere Seite ist. In »Nacktschnecken« gibt es beispielsweise eine Szene, in der alle auf der Couch sitzen und darüber reden, wie sie den Pornofilm doch noch machen können. Die Szene ist absolut nicht geschrieben. Meine Anweisung war lediglich: „Vergesst eure Figuren und sagt es so, wie ihr das selber sagen würdet.??? So sind etliche Szenen entstanden.

?: Sie sind ja als Filmemacher viel gereist: In San Francisco haben Sie eine filmische Ausbildung absolviert, für »Megacities« haben Sie Großstädte besucht und sozusagen »die Welt gesehen«. Wie entstand das Interesse einen Film über junge Menschen – eigentlich Studienabbrecher – in Graz und Umgebung zu drehen?

Glawogger: Erstens bin ich Grazer. Zweitens ist es so, dass ich es immer als Manko empfunden habe, dass in Österreich lustige Film nur in einer gewissen Art des Tonfalls stattfinden. An American Independent-Filmen habe ich immer spannend gefunden, dass sich das studentische Milieu immer in spezifischen Kleinstädten bewegt. So wie bei Richard Linklaters Filmen, dem Genre des »Slacker« oder im Film »Clerks«. Ich habe es immer bedauert, dass es so etwas in Graz bzw. in Österreich nicht gibt. Da gibt es einen spezifischen Humor und den habe ich in Graz wieder entdeckt. Deshalb war es fein dort einen Film zu drehen, wo ich herkomme. Den Humor, diese Wellenlänge, habe ich gut verstanden.

?: Was ist für Sie die lustigste Szene im Film?

Glawogger: Am lustigsten finde ich den Satz gegen Ende, wo der Johann sagt: »Es ist mir völlig egal wie viele Schweindln ihr seht.« Das bringt mich um, das finde ich total lustig. Ich finde, dass der Film nicht so gerade »Wuchtln« hat, es ist eher so ein schwebender Humor.

?: Der Humor der Protagonisten ist aber teilweise nicht unbedingt ausgelassen. Das Schokoladeessen beispielsweise hat auch etwas sehr angestrengtes.

Glawogger: Haben Sie schon mal versucht mit Messer und Gabel Schokolade zu essen? Das ist schon sehr anstrengend (lacht).

?: Im Film gibt es aber schon auch diese Momente des Scheiterns. Vielleicht kommt daher auch der Eindruck der Verbissenheit, ein Ziel zu erreichen. Der Zuhälter (Georg Friedrich) sagt doch einmal: »Einen Pornofilm drehen, das haben ja andere Leute auch schon zusammengebracht.« Die Figuren scheitern ja letztlich an moralischen Grenzen.

Glawogger: Nicht nur an den moralische Grenzen, sondern auch an den körperlichen Grenzen. Einen Pornofilm zu drehen, das ist eben etwas für Menschen, deren Job das ist.

?: Aber es gibt ja diese Szene, wo Johann und Mao abseits des Settings Sex haben wollen und Max eifersüchtig meint: »Soll ich die Kamera hinhalten. Sollen wir gleich den Film drehen?«

Glawogger: Diese Szene ist die Etablierung des Scheiterns. Da ist der Film wirklich weg. Die Kamera ist versenkt und es geht nur mehr um den einzelnen.

?: Wie ist der Soundtrack zustande gekommen?

Glawogger: Es war wahnsinnig schwer Rechte für Rock-Klassik zu bekommen. Wir haben ja hoch gepokert. Wir wollten Led Zeppelin, um von der Musik des Vaters zu erzählen. Und haben es immerhin zu Emerson, Lake & Palmer und Black Sabbath gebracht. Es hat ungefähr ein Jahr gedauert bis wir fünf gewichtige Nummern bekommen haben, die mit der Zeit zu verbinden sind. Die österreichischen Sachen sind so entstanden, dass mir der Patrick Pulsinger CDs in die Hand gedrückt und gesagt hat: »Die und die Nummern sind lässig.« Und aus dem haben wir den Soundtrack zusammengebastelt.

>> www.nacktschnecken.at

Home / Musik / Artikel

Text
Jürgen Plank, Marianne Schreck

Veröffentlichung
21.03.2004

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