Es wirkt fast so als ob sich die Diagonale und Pichler ob des Abganges und Leitungswechsels heuer traut, aus der in den letzten Jahren geformten Reihe zu tanzen – mit einem erfrischend ordinären Programm.
Dokumentarfilme sind ein wichtiger Bestandteil des Grazer Filmfestivals, das dem österreichischen Filmschaffen gewidmet ist. Jedoch scheint das Dokumentarkino heuer mehr aus dem Feld der fast schon journalistischen Dokus zu stammen, die sich neben Handwerk mehr auf den Inhalt und die tatsächliche Geschichte und nicht auf Namen und bloße Inhaltsideen konzentrieren. Es besteht also die Hoffnung, dass Totalaussetzer a la »Kick out your boss« von Elisabeth Scharang oder Ruth Beckermanns »Those who go, those who stay« ausbleiben.
Ûber die Jahre © Nikolaus Geyrhalter Filmproduktion
Nikolaus Geyrhalter wird mit einer Retrospektive gewürdigt: gezeigt werden u. a. »Pripyat«, 1999 mit dem großen Diagonale Preis ausgezeichnet , und die neue Produktion »Ûber die Jahre« – die in Graz Österreichpremiere feiert. Darin hat Geyrhalter 10 Jahre lang Angestellte einer Textilfabrik in Niederösterreich filmisch begleitet. Arbeitslosigkeit, die Warterei, dass etwas passiert und Hoffnungsschimmer in beklemmenden Bildern – ein definitives Highlight heuer.
Ebenfalls mit Spannung zu Erwarten ist Paul Poets Film »My Talk with Florence«. Nach einer von Missbrauch, Misshandlung und Vergewaltigungen geprägten Kindheit und einer Jugend auf der Straße findet die Protagonistin vermeintlichen Frieden in Otto Mühls Kommune Friedrichshof, wo ihre Hölle aber erst richtig beginnt. Ungeschnitten und in zwei Stunden erzählt Florence ihr Leben. Unglaublich intim macht sich dieser Film auf die Suche nach Wahrheit und den Grenzen des Voyeurismus.
My Talk with Florence © Paul Poet
Auf Distanz hingegen geht Nathalie Borgers. Und zwar auf Distanz zu Kärnten und den Mythos Jörg Haider. In »Fang den Haider« geht die belgische Filmemacherin der omnipräsenten Faszination am skrupellosen, populistischen Politiker und dem scheinbar nicht auszutreibenden Wunsches nach einem »Landesvaters« nach – obwohl bereits fast sieben Jahre seit Haiders Unfalltod vergangen sind und der blaue und später orange Landeshauptmann für das gigantische Hypodesaster ursächlich verantwortlich ist.
Die Grazer Nächte werden während der Diagonale von der »Nightline« diktiert. Die Partyschiene lädt an drei Abenden ins Festivalzentrum im Kunsthaus Graz zum Clubbing. Mit Freude erwartet werden »The Florian Horwath Ensemble« am Mittwoch, die Glam-Disco mit Djane Adriana Celentana am Donnerstag sowie das große Abschlussfest mit dem Sofa Surfers DJ-Team am Samstag im Orpheum.
Die Diagonale startet am Dienstag, 17.3. mit der Premiere von Karl Markovics’ »Superwelt«, und findet bis Sonntag , 22.3 in Graz in den folgenden Kinos statt: UCI Annenhof, KIZ Royal, Schubertkino und Filmzentrum Rechbauerkino.