Kirchen sind ein Ort des Leidens. Aufgrund der Kälte bewegt sich das subjektive Zeitempfinden in einer Kirche in Richtung Unendlichkeit. Oder Ewigkeit, Amen. Es ist daher etwas besonderes an einem solchen Ort drei polnische Akkordeonisten zu hören, die es vollbringen, diese Unendlichkeit in einem Moment musikalisch zu konzentrieren. Miriam Jessa meinte in ihren einleitenden Worten gar, das Motion Trio erfinde eine eigene, neue Musikrichtung – Motion Music. Fest steht, dass die drei jungen Polen facettenreiche Musik spielten, die von der Mimikry einer Orgel über eine musikalische Erinnerung an Chinatown bis hin zum finalen Tango reichte. Und das war noch nicht alles: Die einerseits zarten, melancholischen Klänge, die sich im Schiff der Votivkirche ihren Weg zu den vor Kälte zitternden Seelen bahnten, wurden sehr präzise mit den leidenschaftlichen und gleichzeitig andächtigen Blicken der Akteure verknüpft. Polen sind gläubige Menschen, siehe Papst. Und so schufen diese verrückten Polen – die auch letztes Jahr im Rahmen des Akkordeonfestivals als Vorgruppe zu Maria Kalaniemi gastierten und heuer völlig zu Recht selbst Hauptact waren – musikalische Anknüpfungspunkte zwischen Jazz und der Minimalmusic eines Philipp Glass, zwischen Kraftwerk und Yello. Im hinteren Teil der Votivkirche wurde sogar Wein kredenzt – ohne Hostien! Abgesehen davon war aber ohnehin schon zu vermuten, dass die Polen die sympathischsten Menschen Europas sind. Manchmal können auch Akkordeons Berge versetzen; und zwar immer dann, wenn das Motion Trio am Werk ist und seinen Instrumenten alle möglichen Klopf- Schnarz- und Blasebalggeräusche entlockt. Motion in alle Ewigkeit. Gegen eiskalte Füße hilft ja ganz einfach eine Wärmflasche – wenn man eine dabei hat. Jessas!
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