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Mimi Secue – Die Assoziationsmaschine

Mimi Secue ist ein Haufen junger Burgenländer, zum Teil in Wien wohnhaft.
Mimi Secue versteht sich als Kollektiv, in diesem Sinne sind die Antworten der einzelnen Bandmitglieder auch nur jeweils mit »M« und nicht namentlich gekennzeichnet.
Mimi Secue macht große Musik, die jeden direkt in sein persönliches Kopfkino einführt. In diesem Sinne anfänglich meine, am Ende Mimi Secues Assoziationen zu verschiedenem.
Der Artikel zum vorliegenden Interview ist in skug 51 zu finden.

Als das Kind Kind war, war das die Zeit der folgenden Fragen:
Warum bin ich ich und warum nicht du?
Warum bin ich hier und warum nicht dort?
Wann begann die Zeit und wo endet der Raum?
Ist das Leben unter der Sonne nicht bloß ein Traum?
Ist, was ich sehe und höre und rieche nicht bloß der Schein einer Welt vor der Welt?
Gibt es tatsächlich das Böse, und Leute die wirklich die Bösen sind?
Wie kann es sein, daß ich, der ich bin, bevor ich wurde, nicht war?
Und das einmal ich, der ich bin, nicht mehr der Ich bin, sein werde?
(Peter Handke)

»Mimi Secues Selbstverständnis als Kollektiv bezieht sich nicht nur auf die im Inneren, sich verzweigende Arbeitsweise, sondern stellt auch eine Positionierung nach außen dar. Um den Vernichtungs- und Verwertungsfeldzügen eines imperialen Musik-Business so gut es geht zu entkommen, geben wir uns mit der Befriedigung unserer Individuen unter Anführungsstrichen nicht zufrieden, sondern suchen Anerkennung und Respekt für das, was wir gemeinsam machen.
Handlungsfähigkeit bildet sich aus, nachdem Personalien ihre Bedeutung verloren haben.«
Könntet ihr den letzten Satz dieses Textauszuges von eurer Homepage, den Zusammenhang zwischen Handlungsfähigkeit und Entpersonalisierung, erläutern?

M: Die Grundidee, die Entwicklung zu einem Kollektiv hin, hat sich so im letztem Jahr vollzogen. Der Hauptgrund für die Handlungsfähigkeit ist die Freiheit, die sich für uns daraus entwickelt hat durch die Art und Weise, wie wir im Proberaum miteinander umgegangen sind und gearbeitet haben. Soll heißen, das es früher, zu Beginn von Mimi Secue, noch teilweise Singer/Songwriter Strukturen gab und dann im Laufe speziell des letzten Jahres es sich zu einem kollektiven Ding gewandelt hat, wo jeder so seinen Teil beitragen kann wie er, in dem Augenblick, wo wir ein Stück spielen, will. Es gibt keine allzu fixen Vorgaben mehr.
Speziell gegenüber der Industrie war in weiterer Folge auch mehr das Arbeiten auf das Label Karate Joe hin wichtig, das ist auch ein unabhängiger, kollektiver Punkt im Vernetzsein mit uns und anderen Bands, die bei diesem Projekt dabei sind. Vernetzung ist so als Gegensatz zu einem Musikbusiness entstanden, welchem wir vielleicht nicht unbedingt ganz entsprechen.

Kann man eure Musik als Materialisierung von Zwischenmenschlichem sehen, eurer Beziehung untereinander – auch im Sinne eurer Selbstbeschreibung?
»Es gibt kein individuelles Schaffen. Jedes Musikstück ist das Ergebnis einer allmählichen Verfertigung beim kollektiven Spielen. Es gibt keine individuelle Kreativität. Alle Ideen und Einfälle waren schon vorher zwischen uns.«

M: Würde ich schon sagen, das kling sogar sehr gut! Das merkt man auch schon daran, wenn man gemeinsam im Proberaum ist oder ein Konzert spielt und es haut untereinander nicht hin, es ist irgendwer nicht gut drauf, dann kommt nichts Vernünftiges dabei raus. Es wirkt sich speziell bei Konzerten ganz brutal aus, wenn nicht das richtige Gefühl da ist, wir nicht alle gemeinsam fühlbar sind, dann funktioniert das nicht. Wenn man sich gegenseitig spürt, dann funktioniert es.

M: Um zum Kollektiv zurückzukommen, es war für mich nur eine Begriffsfindung für eine Sache, die sich im Arbeiten ergeben hat. Wir sind einfach, gerade im letzten Jahr, von einer Band zu einem Projekt geworden. Es sind mehr Leute dazu gekommen, es ist nach außen nicht mehr so stark abgegrenzt. Es hat bei den Konzerten Videos gegeben, wofür die Künstler und Künstlerinnen der Gruppe »wr« verantwortlich sind. Das Ganze hat für mich Projektstruktur, die über einer Bandstruktur steht angenommen und das hat den Begriff Kollektiv erst so richtig gerechtfertigt, der ist auch aus diesem Arbeiten erst hervorgekommen.

M: Es gibt nicht nur einen rein musikalischen Kern, der miteinander arbeitet, es gibt eben auch eine zweite Gruppe, die für die Videos da ist, man tauscht sich dabei auf verschiedenen Ebenen aus, über verschiedenen Ideen.

Das heißt also, die Videos kommen nicht von euch selbst.

M: Sie kommen insofern auch von uns, weil die Musik ja von uns ist, die wiederum in der Videogruppe stark gehört wird, wodurch die Bilder entstehen. Irgendwo ist es schon so, dass sie auch von uns kommen, aber wir machen sie nicht technisch.

Passiert das auch umgekehrt, dass ihr Bilder seht und euch diese inspirieren?

M: Das ist so bisher noch nicht passiert, zumindest nicht so, dass wir uns gemeinsam ein Video angeschaut und gesagt hätten, dazu machen wir jetzt einen Song. Es kann schon sein, dass jemand in seiner Musikschaffendentätigkeit von Bildern angeregt wird, aber nicht so…

M: Ich denke, dass es ein unglaublich schwerer Prozess ist, Musik zu einem Bild machen, umgekehrt ist es sicher einfacher.

Noch ein mal zurück zum Kollektiv: Ich darf Godspeed You Black Emperor bemühen, die sich ja auch als Kollektiv verstehen und dies als Gegenposition zur Überhöhung von Individualismus sehen. Sie sind auch eine sehr politische Band, wenn dies auch nicht explizit ist. Wie ist das bei euch, ihr seid ja im Umfeld der Volkstheaterkarawane zu sehen gewesen?

M: Da gab es aber keinen direkten Zusammenhag, da waren nur mal zwei verschiedene Veranstaltungen am selben Ort. Wir waren da einmal im EKH bei einer Soliveranstaltung für die Leute, die nach Genua gefahren sind und dafür Geld gesammelt haben. Die hat 2 Tage gedauert, an einem davon wurde ein Theaterstück präsentiert, danach spielten dann zwei Bands, darunter wir. Organisiert hat dieses Fest einer aus der Video-Gruppe, so hat sich das ergeben.
Also von uns kann man nicht sagen, dass wir eine politische Band wären.

Der Entwurf vom Kollektiv ist somit auch kein gesellschaftlicher oder politischer?
M: Nein, das ist nur aus der Arbeitsweise heraus entstanden.

M:
Vor allem ist das kollektive Denken bei uns nicht gegen etwas entstanden, sondern für etwas.

Zur Musik: Flächen, Soundscapes, sind bei uns hauptsächlich bekannt aus der improvisierten und elektronischen Musik, nicht so sehr von Gitarrenrock verwurzelter Musik.
Ist das einfach so gewachsen bei euch oder gibt es schon Verbindungen zu elektronischer und elektroakustischer Musik, bringt ihr elektroakkustoische Klanglandschaften zurück ins Land des »Rock’n’Roll«?

M: Sowohl als auch würde ich sagen. Bis zu dem Status, wo wir jetzt sind, da war schon sehr viel Arbeit dahinter. Das hat sich so ergeben durch lange Improvisationsgeschichten im Proberaum, aber auch durch Einflüsse von der Elektroakustik, vor allem von mir, da ich mich auch in dieser Musik bewege und versuche, das zu kombinieren. Mir als Person ist dies im Kollektiv wichtig, ich habe auch versucht elektroakustische Sachen den anderen näher zubringen, indem ich solche Sachen vorgespielt habe. Das ist überhaupt wichtig ist bei unseren Proben, dass man auch zusammensitzt und sich verschiedenste Sachen anhört, um neue Inputs zu finden, Einflüsse zu sammeln.

M: Das ist so eine Art Ritual, bevor wir anfangen zu spielen, sitzen wir zusammen und hören Musik im Proberaum. Da das schon seit drei Jahren so ist, spiegelt sich das alles wider, ob es Gitarrenmusik ist oder Elektroakustik.

M: Die Grundidee, die Wurzeln der Musik gehen aber auf jeden Fall in den Rock, das Elektronische ist eher Beeinflussung.

M: Von wirklichen Elektronikeinflüssen würde ich gar nicht so sprechen.

M: Was mir ungemein gefällt und, glaube ich, uns allen ein Anliegen ist, das ist mit minimalsten Mitteln etwas zu vermitteln. Keine großartigen Ausschweifungen zu machen.

Reduktion passiert also bewusst?

M: Ja, auf jeden Fall. Vielleicht auch technisch, weil wir alle nicht so diese super Musiker sind, aber das ist auch gar nicht nötig.
Es bewegt sich viel in den Grenzen eines Kinderliedes. Das Arbeiten mit den Defiziten des Instrumentenhandhabens war sicher auch wichtig und hat dazu geführt, immer weniger zumachen.

M: Aber ist es nicht so dass wir, nur weil wir nicht mehr können, nicht mehr machen, es ist uns schon ein Anliegen, so zu arbeiten. Es ist nicht richtig zu sagen, dass wir nicht spielen können.

M: Wir machen alle schon etwa 10 Jahre oder länger Musik, da ist eine gewisse Entwicklung da.

Im Proberaum sagtest du wird viel improvisiert, eure Konzerte aber klingen sehr ausgefeilt.

M: Ja, die Nummern, die dann hinausgehen, ob auf CD oder beim Konzert, sind sehr strukturiert und es gibt so gut wie keine Improvisationen dabei. Jeder auf seinem Instrument ein klein wenig, aber es gibt keine improvisierten Stellen in den Songs. Also die entstehen aus der Improvisation, werden aber dann stark verfeinert und ausgearbeitet.

M: Es wäre aber auch sehr gut, darauf hinzuarbeiten, aber ich glaube, das trauen wir uns noch nicht, weil wir Angst haben vor einem Blackout. Es wäre ideal, wenn man sich im Konzert einen Freiraum lässt, zur Zeit ist der Song eben sehr abgesteckt und danach ist dann nichts. Vielleicht können wir das alles einmal verbinden.

Auf eurer Homepage steht zu lesen:
»Mimi Secue möchte die Korrelation von auf der Bühne sichtbarem und im Körper spürbarem, die der Musik auf ihrem weg ins Computerinnere verloren ging, nicht nur wiederherstellen, sondern auf eine andere Ebene weiterführen.«
Steckt da der Mythos elektronische Musik sei kalt und seelenlos drinnen?

M: Das klingt jetzt sehr elektronikfeindlich, nicht?

M: Da kann man wenig dazu sagen, aber die zitierte Passage ging aus von einem ganz speziellen Lied und einem ganz speziellen Video, Sigma, das Lied mit dem Ringelspiel. Ich denke, dass speziell diese Nummer schon in einem krassen Gegensatz steht zu Elektronischem, Ton und Bild zusammen sind eben so spürbar.

M: Für mich ist Sigma fast eine elektronische Nummer, von den Strukturen her gesehen.

Eure Musik ist sehr intim, gebt ihr durch die Veröffentlichung einen Teil von euch preis? Hat das was Exhibitionistisches?

M: Nein, was Exhibitionistisches ist es nicht, es ist vielleicht ein näher Heranrücken, besonders bei Konzerten. Wie z.B. im Wirr, das war von der Location her eine der schönsten Sachen, weil wir und das Publikum so nahe zusammen waren.

War im Wirr kein Bruch zwischen Bühne und Zuschauerraum, so war das ganz anders im Porgy & Bess. Wie seid ihr mit dieser Erhebung der Bühne umgegangen, sie schafft ja eine strikte Trennung zwischen Musiker und Publikum, es werden wieder Rollen verteilt und eine der Intimität eher abträgliche Trennung etabliert.

M: Es ist immer von der Location abhängig, wir versuchen dann immer, aus der Location was zu machen. Im Porgy &Bess war das ein besonderes Konzert, dort hast du die große Bühne, aber du hast auch das Publikum und es war ein tolles Publikum – auch auf großer Bühne, weiter weg. Es ist nicht unsere typische Bühne, aber um die geht es auch gar nicht so sehr, sondern um das Herrichten des vorhandenen Raumes.

M: Das Wirr war ja auch bewusst gewählt, weil man da die Situation einer Wohnzimmeratmosphäre, Intimität hat. Der Raum war da prädestiniert, Soundtechnisch war es dann nicht so toll, aber gut.

M: Ich glaube, auch ein so großer Raum wie das Porgy & Bess kann so intim sein, wie das kleine Wirr, wenn das ganze Ambiente drum herum passt. Anders ist es natürlich, wenn du in einem großen Raum bist, wo nicht so eine intime Atmosphäre entstehen kann. Vor allem bist du in einem größeren Raum auf die fixen Gegebenheiten angewiesen, in einem kleinen kannst du das auch selbst checken und beeinflussen.

M: Auch in einem großen Raum wirkt glaube ich die Anordnung auf der Bühne der Atmosphäre fördernd, der Instrumententausch, diese ganzen Dinge.

Zur Stimmung eurer Musik: In einem Artikel über euch stand zu lesen »Mimi Secue: Heartbreaking impact on postmodern souls desire«. Wie würdet ihr das interpretieren?

M: Da müsste man jetzt in Schweden anrufen.

Dahingehend, dass ihr in der »Postmoderne« die Sehnsucht der Seele nach Einheit und Geborgenheit stillt?

M: Ja, so könnte man es sagen. Aber um diesen Satz zu erklären, müsste man viel zu weit ausholen.

M: Es ist aber auf jeden Fall ein guter Satz.

M: Ich glaube auch, dass es eine Sache für jeden einzelnen Zuhörer ist, ob wir ihm mit der Musik was vermitteln, Melancholie wecken können, sofern die im Hörer schon mal irgendwie da ist.

M: Wobei es für mich schon lange nicht mehr das Hauptziel ist, Melancholie zu wecken.
Melancholie als Mittel zum Zeck sich Freude bewusst zu machen. Euch geht es, nehme ich an, schon auch um Freude am Ganzen. Als Gegenbeispiel muss ich an so manche Elektroakustiker oder Improvisatoren denken, wo Spaß verpönt zu sein scheint.

M: Na ja, das löst sich auch schon auf, das ist nicht mehr so verpönt, es gibt schon auch sehr schöne, melancholische Sachen.

M: Ich habe vor allem in früheren Bandzeiten gehört, unsere Musik wirke so unglaublich deprimierend oder so. Das ist mittlerweile gar nicht mehr so stark der Fall, das die Leute das so empfinden. Für mich war es aber eigentlich immer fröhliche Musik. In mir hat es immer Freude geweckt, das zu hören.

M: Es ist beruhigend, wohlig, es erzeugt ein freudiges Gefühl, es ist keine fröhliche Musik im eigentlichen Sinne, aber sie führt dort hin.

M: Ich glaube ja grundsätzlich, dass in der Melancholie, im Gegensatz zur Depression, immer ein Schritt nach vorne impliziert ist. Ich würde es also gar nicht ausschließen zu sagen, das ist fröhliche Musik, da sie etwas hat, das dich nach vorne wirft.

M: Der positive Begriff in der Melancholie muss immer rausgestrichen werden.

Ihr habt einmal gesagt, eure Musik sei intensitätsmäßig immer auf einem eher konstanten Level, da ihr immer so ausgeglichen seid.
Ist da nie das Bedürfnis nach Katharsis, nach Lärmausbrüchen quasi zur innere Reinigung?

M: Ich kann nur für mich reden, aber am Anfang bin ich einfach zu den Proben gekommen, habe die anderen noch nicht wirklich gekannt, und nur dort sein und spielen zu können war ein total wohliges Gefühl, ein irrsinnig angenehmes. So voll der Kopf vorher war, so leer war er nachher, angenehm leer nämlich. Das ist sicher bei jedem anders, aber ich glaube, dass man, wenn man sich auf das Ruhige einlässt, auch darin gut entspannen kann.

M: Ja auf alle Fälle, ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass wir schon auch Passagen drinnen haben, die so was wie eine Steigerung hervorrufen, nur natürlich ist es bei uns bei weitem nicht so extrem wie z.B. bei Godspeed. Aber für uns reicht das schon, um so was wie ein ausbrechen zu erreichen. Was aber grundsätzlich gar nicht so wichtig ist.

Abschließend möchte ich euch um Assoziationen zu verschiedenen Begriffen, die ich mit eurer Musik verbinde, bitten:

Spiritualität:
Hat Musik so wie so. Egal welche Musik.
Ich glaube, dass Spiritualität die Wurzeln irgendwo im Assoziationen bilden hat, insofern fließt da sicher ein bei uns.

Sinnlichkeit:
Ist so ein Begriff, den man aus der katholischen Kirche kennt.
Würde ich mal so beantworten, dass ich ja mit den Händen spiele, mit den Ohren höre und somit Sinne benötige.

Landschaften
Weite, notwendige Weite.
Wobei es auch schöne Stadtlandschaften gibt.
Parndorfer Heide.

Dunkelheit
Intim, angenehm, beruhigend.
Aber nicht absolute Dunkelheit.

Wiederholung

Hypnotisch.

Blues
Stilrichtung, Gefühl.
Schöne Gitarren und wunderschöne Verstärker, Traurigkeit.

Fortschritt
Je älter die Instrumente, desto besser klingen sie.
Kommt darauf an, Fortschritt ist breit, manchmal recht traurig, manchmal recht wichtig.
Sehr undefinierbar, der Begriff.
Fortschritt ist auch wichtig, z.B. bei uns.

Quiet is the new loud
Aufgesetzt.
Erinnert mich an Neubauten.

Schweinerock
Die armen Schweine.
Kleidungsstück.
Ich bin Vegetarier.

Web:
www.mimisecue.com
www.karate-joe.com

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Home / Musik / Artikel

Text
Stefan Parnreiter

Veröffentlichung
26.05.2002

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