Unsere Vergangenheit ist farblos, fast. Jedenfalls ausgebleicht: Marc Rothemunds »Sophie Scholl«, »Jud Süß – Film ohne Gewissen« z. B. und eben auch »Mein Kampf« sind im Bereich Farbsättigung recht weit im Minus. Ruzowitzky und Tarantino tauchten ihre WKII-Geschichten in Tiefbunt und unterhalten mit ihren Filmen auch ungemein. Zugegeben, ein Film, der Historisches bearbeitet, egal ob realistisch oder fiktional, muss nicht lustig sein. Aber langweilig sollte ein Film in keinem Fall sein. In Urs Odermatts »Mein Kampf« scheint die Fahlheit der Farben schon als Indiz für die allgemeine Blutleerheit des Films. Gerade noch in einer Traumsequenz wird das Ganze etwas sonniger, wärmer, doch das hilft eigentlich auch nichts.
Die aberwitzige Story
Die Geschichte spielt im Wien der Jahrhundertwende. Schlomo Herzl (der auf der Bühne zuerst von George Tabori selbst gespielt wurde) ist ein älterer, jüdischer Straßenhändler, der sich mit dem Verkauf von Büchern über Wasser hält. Er nimmt den jungen Adolf Hitler, der in das heruntergekommene Männerheim, in dem Herzl wohnt, hereinschneit, unter seine Fittiche. Bringt dem linkischen Burschen Umgangsformen bei, steckt ihm Geld zu, »stylt« ihm den Look, der später ein Markenzeichen des »Führers« sein wird. Der junge Mann vergilt Schlomo Herzl seine Güte schlecht, beschimpft, demütigt ihn, spannt ihm auch noch seine Freundin aus. Was dann in der Zeit des Nationalsozialismus geschah; wir wissen es und der Film deutet es an.
Große Schauspieler (ein paar davon)
Götz George stellt Herzl dar. In der Maske, die ihm da verpasst wurde, wirkt der Mann einfach nur verkleidet. Tom Schilling wiederum als blasses, mageres Bürschchen, mit eckigen Bewegungen, cholerisch, trotzig – ja, so stellt man sich den jungen Hitler tatsächlich vor. Dass Schilling wochenlang ein Sprechtraining absolvieren musste, um mit ostösterreichischer Sprachfärbung parlieren zu können, ist dann doch zu viel des Guten. Es gibt da noch die Figur des Fleischackers Himmlischt (Wolf Bachofner), eine Art böses alter ego des Bockerer, vielleicht die lebendigste Figur in diesen eineinhalb Stunden.
Realistische Postkarten-Vergangenheit
Tabori bezeichnete sein Stück als Farce. (Duden: Farce 1. derb-komisches Lustspiel, 2. abgeschmacktes Getue, billiger Scherz). Und Tabori wollte sicher auch kein Betroffenheits-Theater machen. Eine Literaturverfilmung muss nicht zwingend der Haltung ihrer Vorlage folgen. Und da ich das Theaterstück weder gesehen noch gelesen habe, kann ich den Film auch gar nicht damit vergleichen. In den Worten findet sich Witz, Aberwitz, wird die absurde Menschenliebe Herzls klar, aber in den Bildern ist davon nichts zu sehen und zu spüren. Und ein Film ist ja kein Hörspiel. Odermatt inszeniert realistisch eine Postkarten-Vergangenheit – auch wenn der Postkarte ein wenig Farbe abgeht. Nicht nur die Sehenswürdigkeiten der Wienerstadt auch die Elendsquartiere wirken etwas zu malerisch. Selbst, wenn das Männerheim (im Film ist es nicht das legendäre in der Meldemannstraße, in dem Hitler tatsächlich einige Zeit wohnte) ein wenig an ein KZ erinnert.
Lieber Farce als Langeweile
Wenn ich schreibe »realistisch«, dann meine ich nicht die im Film erzählte Story, sondern die Art der Bilder, den Duktus der Erzählung: Die tun so, als zeigten sie historisch verbürgte Wahrheit. Die realistische Darstellung der NS-Vergangenheit – und davon handelt »Mein Kampf«, auch wenn es zur Zeit der Monarchie spielt – hat vielleicht noch in »Schindlers Liste« funktioniert. Es heißt, die Geschichte wiederholt sich nur (= im Originalzitat) als Farce. Im Kino ist es möglicherweise so: Entweder als Farce oder als langweilige Nichtigkeit.
»Mein Kampf« (basierend auf dem gleichnamigen Stück von George Tabori) Deutschland/Üsterreich/Schweiz 2010. Regie: Urs Odermatt. Mit: Tom Schilling, Götz George, Wolf Bachofner, Simon Schwarz, Elisabeth Orth, Bernd Birkhan u. a.
Ab 26.3.2010 in österreichischen Kinos