Eine italienische Kleinstadt irgendwann in den 60er-Jahren: Als Kleinkind bekommt Accio Benassi (Elio Germano) den Beinamen »Ekel« verpasst, denn ständig rauft und streitet er mit anderen herum. Auch in seiner Familie wird er nicht anders genannt. Ständig wird er dazu angehalten, sich ein Beispiel an seinem älteren Bruder Manrico (Riccardo Scamarcio) ein Beispiel zu nehmen, auch seine Schwester Violetta wird ihm vorgezogen. Von Manrico, dein aktives Mitglied der Kommunistischen Partei ist, lässt sich Accio überzeugen, das Priesterseminar zu verlassen. Doch aus dem erwünschten Studium der Literaturwissenschaften wird auch nichts – die resolute Mamma (Angela Finocchiaro) stellt sich quer. Einen Freund und Ersatzvater findet der sich unverstanden fühlende Accio in Mario Nastri (Luca Zingaretti), dessen bullige Gestalt und kahlgeschorenes Haupt nicht von ungefähr an den Duce erinnern. Mario ist Faschist und schwärmt von einer glorreichen Vergangenheit. Accio schließt sich aus Begeisterung und aus Widerspruch zu seiner pro-kommunistisch eingestellten Familie den Faschisten an.
Zeitgeschichte
Zwischen der Linken und der Rechten kommt es immer wieder zu Reibereien. Handgreiflichkeiten und verbale Störaktionen werden von zerstörerischen Gewaltakten abgelöst, als es im Laufe der Jahre zur Radikalisierung beider Lager kommt. Accio verlässt die Faschisten als diese dazu übergehen, die Autos ihrer Gegner abzufackeln. Aber auch Teile der Linken driften immer weiter in den Bereich der Kriminalität ab, was Accio in seiner Naivität und auch aus Solidarität zu Manrico, mit dem ihn trotz aller Ambivalenz familiäre und freundschaftliche Loyalität verbindet, nicht erkennt. Was für ihn als eine Art Räuber-und-Gendarm-Spiel begann, endet für Accio auf der Seite der Illegalität. Nach dem nicht auf Deutsch erhältlichen Roman Il Fasciocommunista von Antonio Pennacchi inszenierte Regisseur Daniele Luchetti eine Familiengeschichte, die gleichzeitig ein Kapitel der Zeitgeschichte beleuchtet.
Familiengeschichte
In den vergangenen Jahren setzte sich das italienische Kino oft mit dem aus der Studentenbewegung hervorgegangenen linken Untergrund der 70er-Jahre auseinander. Etwa in »Buongiorno, notte« einer spekulativen Arbeit um die Entführung Aldo Moros oder Mimmo Caloprestis »La Seconda Volta« mit Nanni Moretti und Valeria Bruni-Tedesci in den Hauprollen. »Mein Bruder ist ein Einzelkind« zeigt die Ereignisse meist indirekt, als Teile einer persönlichen Biografie, wo Geschichte und Familiengeschichte miteinander verbunden sind. Es ist ein Film, der nicht erklärt und auch ein wenig an Hintergrundwissen verlangt, manchmal vielleicht bewusst Lücken lässt und der auch keine Angst vor Klischees hat.
»Mein Bruder ist ein Einzelkind« (R: Daniele Luchetti, Frankreich/Italien 2007)
Zurzeit in österreichischen Kinos