Wie wir unsere Musik hören, bestimmt auch ein wenig mit, was wir als Musik definieren. Sei es der aufdringliche Refrain eines Popsongs über Kopfhörer in den Öffis oder das andere »Extrem«, nämlich das bedächtige Lauschen von Feldaufnahmen zu Hause, mit dem Booklet in der Hand. Im Unterschied zu eingängiger Popmusik: Diese ist leicht verständlich und erschleicht sich auf perfideste Art die Aufmerksamkeit, ist zwischendurch und ohne jegliche Vorkenntnisse konsumierbar. Jene Feldaufnahmen hingegen entfalten ihre ganze Wirkkraft oft erst nach ernster Auseinandersetzung mit dem Gegenstand, dem man auch erst dann wirkliches Interesse entgegenbringen kann. Diese Aufnahmen ergeben Sinn durch die Idee, welche in ihnen verwirklicht wird und meist ausführlich (vom Künstler) beschrieben dem Werk beiliegt.
Gängige Popmusik hingegen kommt mittlerweile gänzliche ohne Artwork aus, ergo auch ohne Hintergrundwissen. Beispiel: »In diesem Fluss Y hat Bauer F. vor 20 Jahren regelmäßig nachts seine überschüssige Gülle ausgeladen, seitdem sind Flora und Fauna mehr oder weniger gänzlich tot. Tonkünstler X hat nun mit Hilfe eines Hydrophons Aufnahmen an verschiedenen Stellen des Flusses gemacht.« Manchmal wird das noch unterlegt mit Techno-Sounds, Glitch, einfacher Rhythmik oder wird hier und da bearbeitet, gedehnt oder gerafft. Manchmal entsteht eine Spannung und die Magie des Ortes kann sich entfalten. Man meint dann, die Geister der Fische klagen zu hören, integriert Bilder, hört dem Rauschen zu. Manchmal aber sind es bloß Eindrücke oder Tonaufnahmen fürs Archiv.
Der Raum Kino
Der innere Raum, dem man nun den Eindrücken gibt, füllt sich mit Bildern. Ein ähnlicher Raum, gefüllt mit Bildern, ist der, dem sich Michael Lightborne auf »Sounds of the Projection Box« widmet. Von 2016 bis 2017 dokumentierte er die Klänge der Maschinen, die sich, im besten Falle unbemerkt, an der hinteren Wand des Kinosaales befinden und den Filmprojektor verstecken. Der Wechsel von 35 mm zur digitalen Projektion wird an den meisten wohl unbemerkt vorübergegangen sein. Nur mehr wenige Kinos erhalten alte Projektoren, um das damit einhergehende analoge Erlebnis am Leben zu erhalten. Was auch kaum bemerkt wird (und das ist während der Filmvorführung auch gut so), sind die Geräusche, die solch ein Automat und die Arbeit mit ihm macht. Doch nicht bloß, um die Geschichte der Kinoprojektion zu dokumentieren, sondern ebenso, um zu zeigen, welche Möglichkeiten Feldaufnahmen der Forschung zu einem Gebiet wie eben diesem bieten. Das fand statt in einem Programm der Universität von Warwick, das sich mit der Geschichte der Kinoprojektion in Großbritannien beschäftigte.
Hinter den Kulissen
Man kann es als einen Eindruck der Arbeit von Filmvorführer*innen im 19. und 20. Jahrhundert sehen. Dazu gehört natürlich das obligatorische Knattern der auf Bildern im Gegensatz zu Heimprojektoren geradezu grotesk anmutenden Filmprojektoren. Jedoch ist das längst nicht alles. Auf Seite A ist zu hören, wie vier kleine Rollen auf eine größere gespult werden, von der sie dann projiziert werden. Das ist die Arbeit hinter den Kulissen, genauso das Zurückspulen auf die vier ausgeliehenen Filmrollen. Zwar bekommt man von all dem nichts mit im Zuschauersaal, doch der ausgewählte Film ist John Carpenters »The Thing«, und so dringen bekannte, epische Sounds in die Kabine und die Aufnahme. Auf der zweiten Seite der Platte sind zudem Aufnahmen mit Mikrofonen zu hören, die auch für die*den Filmvorführer*in nicht hörbare Töne aufnehmen. Ein Summen und Dröhnen, ähnlich dem, was ja unter Drone-Musik oder Harsh-Noise bekannt ist. Selbst digitalen Apparaten ist so mehr »Leben« zu entnehmen, als man gemeinhin denkt. Interessant!
Michael Lightborne: »Sounds of the Projection Box« (Gruenrekorder)