Live at tube’s Graz (c) Lucija Novak
Live at tube’s Graz (c) Lucija Novak

Jung, mutig, steirisch: Gerhard Ornig

Das Release-Konzert seines aktuellsten Projekts, der Gruppe 4Seasons, im Wiener Radiocafé, haben wir zum Anlass genommen, um ein wenig mehr über den viel beschäftigten Trompeter herauszufinden.

1990 in der Steiermark geboren hat er sich bereits einen Namen als einer der besten Trompeter des heimischen Jazz gemacht. Dabei stammt er, wie er selbst sagt, aus einer eher unmusikalischen Familie, was ihn aber in seiner Experimentierfreude und Umtriebigkeit nie eingeschränkt hat. Die Wahl der Trompete als Hauptinstrument war dank einer Trompete-spielenden Cousine und der, wie er sagt, allgegenwärtigen Blasmusik schnell getroffen. Durch einen Freund für den Jazz begeistert, begann Ornig bereits mit 15 sein Studium am Johann-Josef-Fux-Konservatorium, das ihn im weiteren Verlauf auch nach Amsterdam und an die Manhattan School of Music in New York brachte. 2015 wurde Ornig zur Riga Jazz Stage eingeladen, wo er die Kategorien »Bester Trompeter« sowie »Best Improvised Jazz Solo« für sich entscheiden konnte. Seither geht es für ihn kreuz und quer durch die Extreme der heimischen und internationalen Jazzwelt.

Gerhard Ornig bei der Riga Jazz Stage 2015.

Debuts als Leader und Co-Leader
Zwischen seinen Engagements beim Ed Partyka Jazzorchestra, dem Jazzorchester Steiermark und vielen mehr war 2017 nun das Jahr, in dem sich Gerhard Ornig als Bandleader und Co-Leader profilieren konnte, im Herbst erschienen gleich zwei Platten unter seinem Namen. Mit dem lettischen Saxophonisten Toms Rudzinskis entstand das Album »Locomotion« in Quartett-Besetzung, das am 13. Oktober 2017 erschienen ist. Nur wenig später folgte das Debüt als Bandleader mit der Trio-Platte »First Flow«, die über Freifeld Tonträger das Licht der Welt erblickte. Erstmals war hier die volle Bandbreite seines Könnens zu hören, mit dem Amerikaner Matt Adomeit am Bass sowie dem aus Ungarn stammenden Attila Gyárfás an den Drums sind hier bestens geeignete Mitmusiker versammelt. Der Opener »Vecuk« wartet mit typischen Bebop-Läufen über einen stoischen, entschleunigten Groove auf, »The Enlighted Pyramid« zeigt in seinem Viertelton-gespickten Intro starke orientalische Einflüsse. Mit einer Ausnahme sind alle Stücke auf »First Flow« Eigenkompositionen von Gerhard Ornig, immer luftig und mit der Komposition im Vorder- und den Egos im Hintergrund stehend umgesetzt.

Das Gerhard Ornig Trio live mit »Blues«, der Schlussnummer des Debutalbums, ein gutes Beispiel für die Räume, die durch die sparsame Instrumentierung entstehen.

4Seasons
Kurz nach »First Flow« erscheint auf Freifeld Tonträger ein weiteres Album, an dem der Steirer wesentlich beteiligt ist, nämlich das Debüt-Album des Quartetts 4Seasons. »Long Ride« wurde mit Karel Eriksson (Posaune), Vasilis Koutsonanos (Bass) und Luis Oliveira (Schlagzeug) als akkordinstrumentloses Quartett eingespielt. Sechs der elf Kompositionen stammen aus der Feder Ornigs, vier von Karel Eriksson und eine von Vasilis Koutsonanos. Es gibt viel Raum für Improvisation, den sich hauptsächlich Ornig und Eriksson teilen, nicht selten gemeinsam. In den Passagen, in denen die beiden solieren, kommt Ornigs erster großer Jazz-Einfluss ans Tageslicht: Louis Armstrong. Die einzige Platte, die er je von seinen Eltern bekommen hat, sagt er, war eine Louis-Armstrong-Platte, und der ist für ihn seither einer der wichtigsten. Wenn Eriksson und Ornig sich an verschiedenen Stellen auf »Long Ride« den Impro-Ball zuspielen, fühlt man sich in gewisser Weise in die Straßen von New Orleans des frühen 20. Jahrhunderts versetzt, allerdings ohne dabei zu verstauben, denn der Kontext bleibt stets modern.

4Seasons improvisieren sich in akkordloser Umgebung durch die Ornig-Komposition »Long Ride to Diemen«, den Opener des Albums »Long Ride«. Obwohl das Stück langsam und schwerfällig ist, sind vor allem im Zusammenspiel von Eriksson und Ornig die Louis-Armstrong-Einflüsse nicht zu überhören.

Formationen von ganz groß bis ganz klein
»Locomotion«, »First Flow« und »Long Ride« sind allesamt Alben, auf denen es kein Akkordinstrument gibt. Ein Zeichen der Reduktion, eine Ode an den Raum, ein Fest der Luftigkeit wird hier gefeiert. Zwar verstehen die jeweiligen Combos auch den Raum stellenweise zu überfüllen, meist ist es aber die nur von Bass und Schlagzeug begleitete Improvisation, die diesen Werken so viel Leben einhaucht. Auf die Tendenz zu akkordlosen Combos angesprochen, erwidert Gerhard Ornig, dass er die Abwechslung zwischen ganz großen und den kleinen Besetzungen schätze. Und davon gibt es in seiner musikalischen Laufbahn genug: Als fixer Bestandteil des Ed Partyka Jazzorchestras ist er im Jazzbereich im wohl größtmöglichen Kontext zu hören, ebenso als Bestandteil des HGM Jazzorkestar Zagreb. »Meine allererste Gruppe war doch ein Quintett mit Klavier und Tenorsaxophon, also ein klassisches Jazzquintett, das ich vielleicht auch wieder installieren werde. Aber im Moment bin ich gerade da und es macht mir mörderisch Spaß. Dadurch, dass ich in vielen verschiedenen Formationen gespielt habe, habe ich die unterschiedlichen Rollen kennengelernt. Im Trio bist du dann nicht nur Solist, sondern eigentlich alles. Du bist der Sänger, der die Stücke vorstellt … eben alles. Dann aber auch wieder nicht, wenn man ehrlich ist. Gerade wenn man solche Leute hat wie in einem Trio, kann man sehr viel offenlassen. Das ist genau das Schöne an so kleinen Partien, dass alle so frei sein können.«

Hier ist Gerhard Ornig als Solist mit dem HGM Jazzorkestar Zagreb zu hören. Das Stück »Der Paukenspieler« stammt von Jim McNeely, mit dem Ornig im Zuge seines Studiums bereits gearbeitet hat.

Selten ist Ornig in kleinen Formationen mit Akkordinstrument zu hören, hier ist jedoch eine Aufnahme im Quintett mit Klavier.

Der österreichischen Szene wird er, so sagt er, voraussichtlich treu bleiben, denn seine Formationen sind jetzt schon international besetzt und in Zeiten des flexiblen Reisens sieht er keinen Grund, wegzugehen. Das freut uns, denn so können wir von Gerhard Ornig noch viele bereichernde Beiträge zur österreichischen Jazzszene erwarten. Was da wohl als nächstes kommt? Wir bleiben gespannt!

Links:
https://gerhardornig.com
https://www.freifeldtontraeger.com/gerhard-ornig-trio
https://www.freifeldtontraeger.com/4seasons

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