Andreas Reiffer veröffentlicht seit bald 25 Jahren Bücher im nach ihm benannten Verlag, darunter welche von Carl Weissner, Frank Schäfer oder Wolfgang Welt und über diverseste Themen wie Turbonegro, R.E.M. oder das Burg Herzberg Festival. In der edition kopfkiosk erschienen nun unter dem Titel »Hat Hendrix gespielt?« die bisweilen bizarren »Erinnerungen« von Bernd Witthüser mitsamt einer Einordnung des Herausgebers Michael Fuchs-Gamböck und einem Interview mit Walter Westrupp. Das ist gut.
Zu trug es sich, dass auf dem hessischen Burg Herzberg Festival, dem einzigen Ort Deutschlands, an dem Kiffen schon vor dem neuen deutschen Kiffergesetz inoffiziell erlaubt war, jemand einem anderen jemand eine Sammlung von Texten übertrug. Der eine war Bernd Witthüser, der andere Michael Fuchs-Gamböck. Ersterer hat Zeit seines Lebens viel gekifft und einiges erlebt, beide haben ein Faible für die Kunst der Musik, die Persönlichkeiten harmonierten und so begab es sich, dass Witthüser den Redakteur und Autor Fuchs-Gamböck beauftragte, seine Tagebuchergüsse aus den 1970er-Jahren zu verantworten.
Die Aufzeichnungen entstanden in der Zeit, als Witthüser künstlernd mit seinem grünen Chevy durch Europa reiste, Deutschland und Italien vor allem, aber auch in Japan sollte er als Musiker unterhalten. Die Episoden hängen lose zusammen, sie sind mehr oder weniger verständlich, tragen sich mehr oder weniger auf der Erde zu. Es ist Witthüsers Drogenkonsum zu verdanken, dass der Handlungsort sich auch mal in extraterrestrische Gebiete verlagert. Aber das ist vielleicht auch gar nicht wahr: Im Grunde ist diese Hippie-Person doch sehr erdverbunden, und wenn es dann mal psychedelisch wird, dann spielen sich die Gegebenheiten vermutlich vor allem in den unendlichen Weiten seines Kopfes ab, auf der Erde, aber ganz weit weg vom »Normalzustand«.
Christentum, Tolkien, Pilze, Flipper
In den 1970ern war Witthüser ein großes Ding, also offensichtlich auch ökonomisch erfolgreich. »Lieder von Vampiren, Nonnen und Toten«, »Trips und Träume« und »Der Jesuspilz«, die Dreifaltigkeit des deutschen Krautrock, der im Grunde keiner ist, weil eigentlich eher Folk, aber mindestens genauso gut wie alles, was zu der Zeit veröffentlicht wurde, sind ein Zeugnis gegenseitiger kreativer Fruchtbarkeit. Christentum, Tolkien, Pilze und Flipper der Delfin sind ihre Themenschwerpunkte. Aber zugleich war man wohl zu kauzig, zu eigen und zu wenig an »Erfolg« interessiert. Es gab Familie, Kinder, Verantwortung. Witthüser zog am liebsten einfach los und machte Musik, wo es ihm gefiel, trat auf, als Liedermacher, vor kleinem Publikum, unabhängig. Schön so.
Seiner lebhaften Fantasie, dem sarkastisch-albernen Humor sind diese zum Schreien komischen, manchmal sehr plastischen, manchmal eher schwerer verständlichen Texte zu verdanken. Helge-Schneider-esques (der kommt ja aus derselben Generation und einer ähnlichen Bubble) haben Konstruktionen wie »Eichenholzsarg aus Fichtenimitat«. Und seinem Talent als Bühnenperson, vielleicht auch einer draufgängerischen, den Tod verachtenden Art, gerät er scheinbar von Moment zu Moment in erzählenswerte Geschichten, die von Konzerten, Trips, Frauen oder Zusammenkünften mit der Polizei handeln. Oder mit Jimi Hendrix. Ob er nun jemals auf ihn getroffen ist, weiß vermutlich nur Witthüser selbst. Wenn überhaupt. Auch die Lektüre dieses Buches verrät da – Achtung Spoiler! – nicht viel mehr, lässt Fragen offen, was aber tatsächlich nur mehr Lust macht, wieder in sein zeitloses Werk abzutauchen und abzuheben.
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