Wer »Tage der Neuen Musik« googelt, landet zunächst in Zürich, Witten oder gar bei den traditionsreichen Musiktagen von Donaueschingen. Erst der Zusatz »Niederösterreich« holt die Neue Musik ins niederösterreichische Krems, wo sich dieses hübsch überschaubare Festival heuer vom 19. bis 21. Oktober zum dritten Mal ereignen soll.
Zeitgenössische Musik aufs Land, in die Provinz sozusagen, zu bringen, das ist natürlich stets ein Schulterklopfen verdienendes Unterfangen. Allerdings ist Krems in dieser Hinsicht ohnehin ein Vorzeigeort. Schließlich findet dort eine Woche vorher das traditionsreiche Kontraste-Festival statt, im Frühling überdies das Donaufestival. Muss man den Kremsern Neue Musik tatsächlich noch schmackhaft machen?
Scheinbar doch. Denn heuer werden die Tage der Neuen Musik erstmals mit »Neue Musi« überschrieben. Man verzichtet auf das »k« im Sinne eines Hauchs von Volkstümlichkeit. Es gehe aber um keine Anbiederung, sondern um die Frage, ob nicht »ernste« Musik zu oft als »enge« Musik verstanden werde, so der beim Festival vielbeschäftigte Christoph Cech. Ihm schwebe vielmehr ein »weites Land« der Neuen Musik vor. Dementsprechend prallen am Eröffnungsabend die NouvelleCuisine Bigband und die Trachtenkapelle Rossatz unter dem Titel »Brasslufthammer« aufeinander. »Explosive Wildheit« meets »Blasdinosaurier«, zumindest im ersten Teil des Abends, den Rest des Abends bestreitet die mehrfach preisgekrönte Nouvelle Cuisine Bigband alleine.
Am zweiten Tag wird viel diskutiert, vor allem über die Frage, wie man die anstrengende und sperrige Neue Musik dem Publikum näher bringen könne. Löblicherweise sucht man auch in Workshops gemeinsam mit Komponist Oskar Aichinger nach »Neuen Wegen der Musikvermittlung«.
Am Abend folgt das Gründungskonzert des Max Brand Ensembles, das ein neues Werk des international renommierten Jazzers Michael Mantler in spannender Besetzung zur Uraufführung bringt. »Chamber Music Eight« ist ein Kompositionsauftrag des Landes NÜ und ein wunderbares Tribut an den in St. Pölten aufgewachsenen Trompeter/Komponisten, der 1962 in die USA übersiedelte, um am Berklee College of Music seine Skills zu vervollständigen. Mantler war und ist mit der New Yorker Jazz Avantgarde eng verbunden, spielte u. a. mit Cecil Taylor und kollaborierte erfolgreich mit Carla Bley, seiner ehemaligen Ehefrau.
Max Brands aus den USA nach Niederösterreich überführter Riesensynthesizer wurde am Cover von skug Vol. 38 abgebildet, als sich Pulsinger/Tunakan intensiv mit dessen elektronischem Werk befassten. Grandioserweise wird nun das für die Musikwelt so wichtige Schaffen von Max Brand mit einem eigenen Klangkörper gewürdigt. Das Gründungskonzert des Max Brand Ensemble – Niederösterreichisches Ensemble für neue Musik steigt am 20. Oktober, 19.30 Uhr in der Minoritenkirche Krems, die ja den bestens programmierten Klangraum Krems beherbergt. Weitere Kompositionen sind von Friedrich Cerha und Bernd Richard Deutsch und außerdem werden noch zwei Uraufführungen aus der Taufe gehoben: Sonja Hubers »Visionen« und Johannes Kretz‘ »Entschleunigung für Ensemble und Elektronik«.
Leiter des Max Brand Ensembles ist, wie auch bei der Vortags-Bigband, Christoph Cech. Cech hat also viel zu tun bei diesem Festival. Sonntags aber darf er ruhen, denn am letzten Festivaltag werden die Preisträger des Kompositionswettbewerbs für Blaskapelle gekürt. Unter den Finalisten etwa Robert Brunnlechner mit der Komposition »Bekenntnisse einer Burenwurst« oder Norbert Rudolf Hoffmann mit »Pututu«. Offensichtlich stehen wir hier der »Musi« dann doch deutlich näher als dem Neuen an ihr. Trotzdem wird es spannend zu hören sein, wie die Annäherung zwischen dem Volkstümlichen und dem Neuen gelingt. Und vielleicht entdeckt man im Laufe des Festivals ja auch, dass man eigentlich in Richtung »Neue Volksmusik« gehen will und holt sich für 2013 den Herrn Reinhold Friedl mit ins Boot. Naja, nur so ein Tipp.