In einem schicken Club mit Liveband, tanzenden Paaren, schummrigem Licht und gediegener Atmosphäre – hier soll Alma Felser (Maren Eggert) ihr Blind Date treffen. Alma fühlt sich sichtlich fehl am Platz. Die überaus freundliche Dame von der Partnervermittlungsagentur (dargestellt von Sandra Hüller) stellt ihr Tom (Dan Stevens) vor, der nach allen Mitteln der elektronischen Datenverarbeitungskunst ihr Traummann sein sollte. Alma ist alles andere als begeistert. Schon Toms erstes Kompliment – »Augen wie zwei Bergseen« – kommt bei Alma ganz und gar nicht an. Sie stellt ihrem Rendezvous-Partner mehrere Fragen, gibt ihm eine Rechenaufgabe zu lösen, versucht offenbar, ihn aus seinem Romantischer-Abend-Konzept zu bringen. Tom beantwortet alles exakt und bleibt plötzlich wie eine defekte CD hängen, wiederholt ein und dasselbe Wort unaufhörlich. Mitarbeiter des Clubs führen ihn diskret aus dem Raum. Die freundliche Agentur-Dame versichert Alma, dass der Schaden bald behoben wird. Denn Tom ist ein Roboter mit künstlicher Intelligenz, gebaut und programmiert, um der perfekte Partner für Alma zu sein. Doch Alma hat kein Interesse an einer Partnerbeziehung, schon gar nicht mit einem Androiden. Die Wissenschaftlerin, die als Expertin für Keilschrift im Berliner Pergamon Museum arbeitet, willigt ungern ein, »ihren Menschen« ein paar Wochen lang zu testen. Im Gegenzug zum Test und abschließenden Bericht werden ihr Forschungsgelder in Aussicht gestellt. Und so zieht Tom in Almas Wohnung ein.
Was eine Liebesbeziehung ausmacht
In Maria Schraders Komödie »Ich bin dein Mensch« nach einer Erzählung von Emma Braslawsky geht es um zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere um die Frage, was eine Liebesbeziehung ausmacht. Gleich vorweg: Das Modell Zweierbeziehung wird nicht in Frage gestellt. Etwas boshaft formuliert: Jeder Topf findet seinen Deckel, wenn nicht »in freier Wildbahn«, so auf Bestellung, sogar maßgefertigt. »Ich bin dein Mensch« ist Science-Fiction, Romantic Comedy mit einem Touch Screwball, Gesellschaftssatire, etwas vorhersehbar, ein bisschen klischeehaft und dennoch sehenswert. Im Gegensatz zu Sandra Wollners äußerst verstörendem, ebenfalls zurzeit im Kino laufenden »The Trouble with Being Born«, in dem ein*e Androide als Kinder-/Sexpartner*in-/sonstiger Menschenersatz dient, ist Schraders Film großteils Wohlfühlkino. Das ist nicht abwertend gemeint, es gibt viele Wege, sich Themen zu nähern.
Von K.I., künstlicher Intelligenz, und der Gefahr oder dem Nutzen, die sie der Menschheit bringen sollte/könnte, ist in letzter Zeit viel zu hören. Algorithmen, Roboterprogramme usw. sortieren und selektieren unsere Internet-Angebote, Bots gaukeln »echte« Kommunikation vor, vom Datenabsaugen ganz zu schweigen. In Schraders Film geht es nicht um Gefahren wie Beherrschung und Manipulation durch künstliche Wesen – ihre Befürchtungen, was der androide Lebensmensch als Ersatzpartner*in auslösen kann, formuliert Alma in ihrem Testbericht. Jedoch, die Weltherrschaft der K.I. gehört nicht zu ihren Ängsten. Tom ist ein lernfähiges Wesen und gut. Er steht in einer Reihe wohlwollender Androiden, wie Data (Star Trek Next Generation), die von Winona Ryder dargestellte Call in »Alien: Resurrection« und die zumindest ambivalenten Androiden der »Blade Runner«-Filme.
Sind Androiden die besseren Liebhaber*innen?
Die Überlegung, dass Androiden die besseren Liebhaber*innen und Lebenspartner*innen sein könnten, verfolgte schon Marge Piercy in ihrem Roman »He, she and it« aus dem Jahr 1991. Angeregt durch Donna Haraways »Cyborg Manifest« entwirft Piercy ein dystopisches Zukunftsszenario, in dem nach einem Nuklearkrieg und Umweltausbeutung Megakonzerne und ihre abgekapselten Territorien die Zentren der Macht bilden, Staaten im heutigen Sinn gibt es nicht mehr. In einer kleinen, unabhängigen jüdischen Gemeinschaft, einer Art Stadtstaat, schaffen ein genialer Erfinder und die unorthodoxe Programmiererin Malkah einen künstlichen Menschen, der die Gemeinschaft vor Angriffen schützen soll. Yod, so heißt der anthropomorphe Roboter, ist eine perfekte Kampfmaschine, doch Malkah programmiert und lehrt ihn, ein guter Mensch zu sein. Als ihre Enkelin Shira nach ihrer Scheidung zu ihrer Herkunftsgemeinschaft zurückkehrt, werden sie und Yod ein Liebespaar.
Während Piercy ihre vielschichtige Erzählung in einer lebensfeindlichen und bedrohlichen Welt des Morgens spielen lässt, entwickelt sich »Ich bin dein Mensch« in einer Welt und Zeit, die die unsrige und heutige ist. Unsere Welt, jedenfalls unsere unmittelbare Lebenswelt, ist eine künstliche, von Menschen geschaffene. Gesellschaftliche Strukturen, unser Umgang miteinander, sind nicht naturgegeben, sondern Ergebnis historischer und andauernder Aushandlungsprozesse, wir lernen uns zu verhalten. In Maria Schraders neuem Film können wir dem Roboter Tom beim Lernen zusehen. Das ist ganz schön lustig. Dem entgegengesetzten Prozess scheint Almas zunehmend verwirrter Vater (Wolfgang Hübsch) ausgesetzt, ihm wird die Welt zusehends zum Rätsel. Das ist eher traurig. Auch Alma lernt. Ein bisschen milder (zu sich selbst) sein, weniger verbissen sein, sich was gönnen. Vielleicht geht es in »Ich bin dein Mensch« gar nicht so sehr um perfekte Roboter, sondern vielmehr um die vielen imperfekten, »normalen« Menschen.