»Adventurous compositions, fun improvisations and raw sound design using drums, electronics, vintage Yamaha keyboard, modular synths and a drum synthesizer.« So die Beschreibung der Debüt-Solo-EP »Gerri Jäger Live at Vrooom«, aufgenommen im Februar 2019 in Rotterdam und gleichzeitig die erste Veröffentlichung des neuen Amsterdamer Labels Flop Records »for obscure music«. Gemastert von Sandor Caron und Rick van der Ree, verspricht die Aufnahme: »Gerrie Jäger, his drumkit and his effects and electronic effects and synths; being a fully live one man band without compromising in fullness of sound, complexity or emotional depth.« Und man wird nicht enttäuscht. Beinahe unerhört, was Gerri Jäger uns hier vorsetzt. »Ho Nest To Go« (13:48), »Drone Geist« (04:04) und »My Armflap« (10:30) sind Drängen, Widerhall und kompromisslose Konfrontation. Es sind Konstruktionen, Abstraktionen, Fragmente und ein Ganzes zugleich. Die EP ist ein brüchiges Gebilde, dessen Bausteine sich immer anders ordnen, uns anders ordnen. Ihre Wirkung ist Synthese, Gerri Jägers Haltung vielmehr ein Verlautbaren. Es sind Übergänge, die sich zeigen, Zwischenräume, die sich auftun, ein Hervorbringen und Verschwinden.
Soundskulpturen
Gerri Jäger errichtet Gebäude, Räume, denen sich der Körper nicht entziehen kann. Was folgt ist ein Vibrieren, während sich dessen Substanz auszudehnen scheint. Es wummert um ihn herum, hämmert sanft auf ihn ein. Emphatisch umströmt der Lärm alles. Die Erwartungen sind hoch und sie sind berechtigt. Hat doch Gerri Jäger bereits eine langjährige Karriere hinter sich. Nach ein paar Augenblicken wird klar, was einem hier widerfährt, ist groß. Ein Konzert ist vielmehr Ritual eines anderen Spielens, Hörens, Wahrnehmens. Hier ist nichts mehr gewöhnlich. Gewaltige Parts werden von fein melodischen Zwischenklängen und -rhythmen am Leben gehalten. Ein Spektakel, zweifellos! Aber keines der üblichen hedonistischen Sorte, sondern eines, das ernst gemeint ist. Ein Live-Set gleicht einer Expedition, bei der hinter jeder Ecke etwas Neues, Aufregendes, Fantastisches zutage befördert werden könnte und wird. Analog-digitale Geräuschkulissen, die sich Stück für Stück vor dem Publikum auftürmen, um erklommen zu werden und dann wieder unter uns niederzustürzen. Bis Gerri Jäger erneut dazu übergeht, Bewegung in Klang in Raum zu übersetzen, einzelne Geräusche zu erzeugen, sie zu arrangieren, damit sie in unser Ohr, unser Gehirn, unseren Körper einziehen können. Es ist ein Versenken in subtile Laute und ein Widerspiegeln in der Musik. Man bekommt nicht genug, denn mal mit einer Wucht, dann wieder vorsichtig, mal schwer, mal direkt, mal komplex, mal leise, mal laut, mal leicht bewegt sich der Sound, den Gerri Jäger zu uns befördert.
Stimulation
1979 in Innsbruck geboren, lernte Jäger bereits mit neun Jahren das Schlagzeugspiel, sammelte Erfahrungen in der Blasmusik und im Grunge-Rock, studierte dann Jazz an den Konservatorien in Innsbruck und Amsterdam, wo er auch lebt. Genregrenzen existieren offensichtlich nicht. Hybride Strukturen scheinen für ihn viel reizvoller. Neben zahlreichen Kollaborationen arbeitet er aktuell unter anderem auch in den Bandformationen Knalpot und Grafwerk. Sein Drum-Set verwendet er dabei also, um analoge Synthesizer anzusteuern und (uns) zu manipulieren. An einer Vielzahl von Effektpedalen angeschlossen, mischt er Hörbares, das entschieden spürbar ist. Und wenn bei Minute 6 von »My Armflap« in einem stillen Moment ein »I love you, Gerri« dem Publikum entkommt, wundert das nicht. Ihm zuzuhören ist ein Fest.
Gelegenheit dazu gibt es im November 2019, wenn Gerri Jäger solo auf seiner »Live and Vrooom Tour 2/2« unter anderem in Österreich und Slowenien Halt macht:
18. November: Celeste Wien, Impro-Set | Martin Siewert
19. November: Folge Ton #3, Tresor Linz
20. November: Jalla Jalla, Metelkova Ljubljana
21. November: Interpenetration, ARTist’s Graz
22. November: Einbaumöbel Wien
Link: https://gerrijaeger.com/