Manfred Miersch gehört zu jenen Künstlerpersönlichkeiten, die ihre Kunst nicht nach Art oder Genre einteilen. Seine Arbeiten können Bildelemente enthalten; akustische, olfaktorische oder haptische Komponenten. Studiert hat Miersch Bildende Kunst in Hamburg und Berlin. In der Szene künstlerisch aktiv war er während und auch schon vor seinem Studium, etwa mit Klangperformances oder in der Fluxus-Bewegung, z. B. mit einem detailliert choreografierten Konzert für Autos und Automotoren, der »Arie für ein Parkhaus« am 8. November 1986 im Parkhaus der Deutschen Oper Berlin. Oder mit der Installationsreihe »Hertz Kammer Ton« für zwei Akteure, basierend auf akustisch verstärkten Herzschlaggeräuschen, anno 1986 in der Hochschule der Künste Berlin.
Die Galerie Pankow setzte im Oktober 2015 eine multimediale Vortragsreihe fort, das Thema war »Klang Farbe«, das Musikalische als die »im weitesten Sinne ursprünglichste – nicht nur – menschliche Geste der Kommunikation«. Miersch war dafür der ideale Referent. Den früheren Punkgitarristen holte anno 1996 ein Objekt der Ausstellung »Berlin–Moskau« zur elektronischen Musik. Das 1920 von Lew Termen, später Leon Theremin, erfundene und nach ihm benannte, berührungslos zu spielende Instrument. Miersch baute sich ein ähnliches Gerät und gründete die Band atelierTheremin. Sein Interesse an historischen elektronischen Instrumenten hat seither nicht mehr nachgelassen.
Das Subharchord, wiederentdeckt
Miersch hat darüber hinaus das Subharchord wieder zum Leben erweckt: Ein elektronisches Musikinstrument, das subharmonische Timbres, also Untertöne, in die Klangerzeugung integriert. Es wurde in den Jahren 1959 bis 1968 von Ernst Schreiber in der damaligen DDR in Ostberlin entwickelt. Nur sechs Stück wurden gebaut, die geplante Serienfertigung 1970 aus politischen Gründen untersagt. Einer der Prototypen wurde im Funkhaus Nalepastraße gesichert hinterstellt. Dort geriet er in Vergessenheit, bis Miersch ihn 2003 entdeckte.
Mit dem restaurierten Instrument des DDR-Rundfunks spielte Manfred Miersch drei Tonträger mit retro-elektronischer Musik ein: »Subharmonische Mixturen mit dem Subharchord« (2004), »Das Subharchord« (2015) und »Subharchord Favourites« (2021). Für die Werke auf seiner jüngsten CD hat Miersch gleich drei subharmonische Klangerzeuger eingesetzt: Ein Mixtur-Trautonium, das Subharchord Typ II und der neue, von Hajo Wiechers gebaute var-Q-lator. Folglich trägt auch der Tonträger den Titel »subharmonisch«.
Manfred Miersch: »subharmonisch – 8 Stücke für Mixtur-Trautonium, Subharchord und var-Q-lator« (Krautopia)
Ein rauer, erdiger, zugleich warmer Klangcharakter kann als Gemeinsamkeit dieser acht Stücke identifiziert werden. Das Abhören ruft eine beeindruckende Vulkanlandschaft in Erinnerung: Eine überdimensionale Schlackenhalde, kantige Lava in dunkelroten, braunen und anthrazitfarbenen Tönen. Die Musik klingt großporig, zerfurcht, felsig. Die Kompositionen sind an- bis aufregend jedoch mit beruhigenden Untertönen (sedativ wirkenden Subharmonien). Nur ganz selten wird es hektisch, wie in Track Nummer 3, theatralisch, wie in Nr. 4, cineastisch, wie in Nr. 5 und 6 und einmal sogar meditativ, im schönsten Sinn »langatmig«, wie im achten Stück, das uns für 21 Minuten in den Flow bringt. Es lohnt sich, das Ganze konzentriert und ohne Ablenkung abzuhören.
Zur Einspielung wurden drei elektronische Instrumente verwendet, allesamt Geräte, die kraftvoll mit Subharmonien, also Untertönen arbeiten: Ein Mixtur-Trautonium, ein Subhachord, wie oben beschrieben, und der brandneue var-Q-lator, entwickelt und gebaut von Hajo Wiechers, dem Mann, der für Kraftwerk, Tangerine Dream, Klaus Schulze u. a. stilprägende Instrumente baute. Zur Klangbearbeitung verwendete Manfred Miersch eine Filterbank und einen Bandpassfilter (Aurum Pro 14 bzw. Robotron). Der Künstler vermeidet es, die Klänge, mit denen er arbeitet, »nachträglich mit Software zu verändern, […] auch das Komprimieren, Glätten, Quantisieren […] wird in den Stücken dieser CD nicht angewandt«. Ein großartiges, puristisches Album.