Es gibt sogar einen kleinen offiziellen Anlass, warum die Funpunker Hanson Brothers heuer auf Tour gehen. Die 1996er-CD »Sudden Death« gibt es seit kurzem auch als Remastered Edition, ohne Extras allerdings, dafür war einfach keine Zeit, wie John Wright aka Johnny Hanson erzählt. Aber wegen einer CD gehe man ohnehin nicht auf Tour: »Es ist sehr schwer geworden, heute Musik zu verkaufen«, so Mister Wright. Und das liegt nicht mal daran, dass es hier um Punkrock geht, also um eine Musik die noch toter ist als Elvis Presley ??
Aber kurz mal zurĂĽckgespult. Wer die Hanson Brothers sind, muss man hoffentlich nicht allzu breit erzählen. UrsprĂĽnglich als Gag entstanden, entwickelte dieses brachiale Spaßprojekt der Hardcore-Urgesteine Nomeansno schnell ein kommerzielles Eigenleben. Die Hanson Brothers, das sind bedingungslose Eishockeyfanatiker mit der Intelligenz einer Achterkugel beim Billard. Die Musik dazu ist Punkrock auf der ?berholspur, zackige Riffs mit superflotten ?bergängen, die auch gerne mal in Richtung Rockabilly-Persiflage abdriften. Live mit dröhnender Lautstärke und virtuoser Disziplin exekutiert – solange, bis sich die vielen Bierchen zuvor dann doch bemerkbar machen (Stichwort »Odagringa«).
Dann zerfallen die Hanson Brothers zum Schreckensbild einer in Zeit und Raum stecken geblieben Anarchokrawallgruppe, ewig gestriger Punkrock, der sich nur durch die ironische Distanz und der im Grunde doch großartigen Musikalität davor rettet, blankes Klischee zu sein. Alte Männer, die es noch einmal wissen mĂĽssen, die den Rockkasperl einmal noch raushängen lassen. Aber, Hölle, was fĂĽr ein Unterschied zwischen Johnny Hanson, der zwei Stunden später genau das tun wird, und John Wright, dem zweiten Mastermind von Nomeansno bzw. eben den Hanson Brothers. Da sitzt ein ruhiger, besonnener Typ, etwa Mitte 40, der nĂĽchtern erklärt, warum man im Internet so gut wie keine seriöse Information ĂĽber Nomeansno lesen kann. Schließlich erzählen die Medien ohnehin immer nur die ihnen gefällige Version, außerdem sollte doch die Musik im Vordergrund stehen. Nicht?
Es gibt auch keinerlei Verklärung, was den Gig in der Arena betrifft, es geht ums Geld. Touren sind im Prinzip Finanzierungsalltag. Wobei die Hanson Brothers eine kleinere Fanbase haben wie Nomeansno. Aber eben, es gibt diese Fanbase, die man sich ĂĽber die Jahre hinweg aufgebaut hat. »Und solange wir gesund sind und Spaß am Spiel haben, werden wir auch auf Tour gehen«, sagt Wright. Den Vergleich mit unzähligen Altrockern, denen fĂĽr eine kommerzielle »Reunion« kein Kompromiss zu blöd ist, lässt er nicht gelten. »Wir haben nie aufgehört zu spielen – und vor allen nie aufgehört zu komponieren.«
Da ist was dran. Anlässlich der letzten Nomeansno-Tournee sind zwei EPs erschienen, die praktisch nur fĂĽr Konzertbesucher zu erstehen waren, im Sommer wird eine dritte EP folgen, erstmals seit Bestehen der Band mit Remixes – und zwar Dubremixes, die Lieblingsmusik von Johns Bruder Rob, dem Mörderbassisten beider Bands. Diese EPs sind ein wenig auch der Versuch, alternative Vertriebsformen zu erschließen, denn: »Seit der Jahrtausendewende zahlen sich CDs kaum noch aus, gerade, dass wir den Break Even damit erreichen«, so Wright. Und gerade fĂĽr kleinere Bands sind die Streamingmodelle von Last FM bis Spotify ja kaum lukrativ, wie man weiß.
NatĂĽrlich liegt das auch daran, dass Punkrock bzw. Hardcore (was Wright gerne im Begriff »loud guitar music« zusammenfasst) heute kaum noch Relevanz besitzen. Es ist eine Nische, wie es viele Nischen gibt. Aber der Begriff Relevanz ist ohnehin mehr etwas fĂĽr Kritiker. Dass »Wrong« etwa das Meisterwerk von Nomeansno sei, bezweifelt Wright. »Es war die richtige Platte zu einem Zeitpunkt, als Punkrock noch eine Bedeutung hatte.« Seine persönliche Lieblingsplatte ist vielmehr »Why do they call me Mr. Happy« (1993), eine von Sarkasmen, dĂĽsteren Motiven und musikalischen Exzessen ĂĽberbordende Platte. Aber mit Nomeansno ist das ohnehin so eine Sache: »Jede Platte ist in gewisser Weise eine Reaktion auf den Vorgänger«, so Wright. So lässt sich wohl erklären, warum auf »One« (2000) mit seinen »humorlosen«, jazzigen Exkursen (unter anderem eine 20-minĂĽtige Coverversion von Miles Davis‘ »Bitches Brew«!) das durchwachsene »All roads lead to Ausfahrt« folgte (das aber immerhin noch eine Mördernummer wie »Heaven is the dust beneath my shoes« im Sortiment fĂĽhrte).
Selbst als Fan tut man sich da manchmal mit der Zuordnung schwer. Wohin geht das, hat das ĂĽberhaupt noch irgendeine Richtung? Schwer zu sagen. Muss auch nicht unbedingt. Sicher ist nur, es macht den schon etwas betagten Herren noch Spaß. Zugleich hat man keinerlei Ambitionen, der Welt noch irgendetwas zu beweisen. Auf die Frage, ob es nicht doch noch eine neue Hanson-Brothers-CD geben könnte, antwortet Wright: »Nein. Ich habe textlich und musikalisch alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Ich habe kein Hanson-Brothers-Album mehr in mir.« Allenfalls fiele ihm noch das Cover fĂĽr eine letzte CD ein ?? offenbar macht es dann doch mehr Spaß, die Hanson Brothers als hirntote Punkzombies live ĂĽber die BĂĽhne toben zu lassen. Und das ist ja dann auch großartig geglĂĽckt. Samt summender Ohren am Tag danach. Tjaha ?? wenn junge Burschen mit ausgelutschten Folkpopsongs bedeutungsfreien Fun haben dĂĽrfen, warum sollen das nicht auch ein paar ältere Herren mit ohrenbetäubendem Punkrock haben dĂĽrfen.
Eine Menge Unfug gibt es wie stets direkt auf der Nomeansno-Seite: www.nomeanswhatever.com
Shoppen in Sachen Hanson Brothers & Nomeansno geht man am besten hier: shop.southern.com
Und hier die durchaus hörenswerte Vorband Trio Invasives: www.myspace.com/invasives