Von Drasenhofen sind es nur sieben Kilometer bis Mikulov. In der K.-u.-k-Monarchie hatte die südmährische Stadt noch den Namen Nikolsburg. 1938 begannen die Gräuel des Naziregimes mit Raub und Mord an Juden und Roma und deren Deportation in die KZs. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Vertreibung der (Sudeten-)Deutschen und der eiserne Vorhang senkte sich an den Grenzen zur damaligen Tschechoslowakei, doch mittlerweile leben allein in der Husova-Straße von Mikulov zwölf Nationalitäten miteinander.
Bei der österreichischen wie tschechischen Bevölkerung existieren immer noch Schranken im Kopf. Das »Kulturfest der Thayavölker. Alle sind wir hier zu Hause«, initiiert von Jitka Plesz und PrÄ›mysl Janýr für den Veranstalter Národy Podyjí, soll dem vom 21. bis 23. Juli entgegenwirken. Bleibt zu hoffen, dass viele Weinviertler diese Gelegenheit wahrnehmen, beispielsweise eine Ausstellung über unterschiedliche Brauchtümer oder eine Buchpräsentation bzw. Diskussion über »Folklore als Herausforderung« zu besuchen. Die einst ethnische Vielfalt ist nun eine andere, was sich am Hauptplatz mit zahlreichen Marktständen, an denen Spezialitäten verschiedener Volksgruppen erworben werden können, zeigen wird. Musik, regionale Kulinarik mit Weinverkostung und ein sonntägiges »Permanent Breakfast« sollen eine bessere Verständigung ermöglichen. Tags davor sollen dazu angesichts der strikten Sprachgrenze zwischen den beiden EU-Ländern auch gemeinsame Gedenken für die Opfer der Nationalismen in PohoÅ™elice/Pohrlitz, Drasenhofen und Poysdorf beitragen.
Grenzen und Warenaustausch im Wandel
Einkaufszentren außerhalb der Ortskerne und aufkommende Einzelhandelsketten verdrängten die für das dörfliche Sozialleben wichtigen Greißlereien. Dank musealer Materialien und Interviews wird die Greißlerei Pawelka aus Jedenspeigen, die von 1880 bis in die 1970er-Jahre als Familienbetrieb geführt wurde, im Poysdorfer Wirtshaus im Museumsdorf Niedersulz reanimiert. Regionaltypisch: Der Greißler verkaufte seine Waren im Nebenraum des Dorfwirts. Der Warenaustausch und das Einkaufsverhalten der Grenzdorfeinwohner entlang der March im Weinviertel des 19. und 20. Jahrhunderts können ebenso nachvollzogen werden wie interkulturelle Aspekte dieses Austausches an der österreichisch-tschechisch/slowakischen Grenze, der durch die Grenzschließung und die Wiederöffnung 1989 einen enormen Wandel erfuhr. Diese Entwicklung spiegelt die Ausstellung von Veronika Plöckinger-Walenta und Edeltraud Hruschka für das Weinviertler Museumsdorf Niedersulz (Bezirk Gänserndorf) bestens. Darüber hinaus gelingt mit »Grenzen und Warenaustausch im Wandel. Metamorphosen der Nahversorgung« ein guter Einblick in die Sozialhistorie der Weinviertler Grenzregion.
VF NÖ 2017: Grenzen und Warenaustausch im Wandel Metamorphosen der Nahversorgung
»Einkaufen im Dorf an der Grenze« Foto © Dieter Werderitsch
Ortswechsel ins Stadtmuseum »Alte Hofmühle«, Hollabrunn, am Mühlenring. Die Schau »Drent & Herent. Zum Leben an der Grenze« ist eine fruchtbare Kollaboration zwischen dem Südmährischen Museum Znaim/Jihomoravské muzeum ve ZnojmÄ› und dem Stadtmuseum Hollabrunn. Thematisiert wird die Geschichte ab 1848 (Ende der Grundherrschaft) bis in die Gegenwart, in der Tourismus ein nicht unbedeutender Wirtschaftsfaktor ist. Die Themenfelder der Sammlung reichen von Kunsttopografie über Schloss- und Kirchenarchitektur und Kellergassen, Weinbau bis zu den Umwälzungen in Industrie und Gewerbe.
Nichtmuseal und rege: Bereits seit 15 Jahren betreiben bildende KünstlerInnen aus Österreich und Tschechien »Radost ist Freude. Grenzenüberschreitendes Schaffen«. Ein inklusives Projekt, welches Menschen mit Behinderung einbezieht und die Lust am Kreativen fördert. Nach einer Ausstellung in Brünn ist am 15. Juli, 17:30 Uhr, Vernissage im Labyrinthkeller in Herrnbaumgarten.
Die Grenze performen
»Erträumen Sie mit uns die Utopie einer grenzenlosen Welt, in der aus Barrieren Brücken werden und aus einem Nebeneinander ein Miteinander wird!« Sophie Menasse und Adéla Grossmannová von kün – Verein für Kunst und Spiel, UmÄ›nà do Znojma – animieren österreichische und tschechische Jugendliche in einem Theaterworkshop dazu, statt über triste Negativa wie Bordelle, Casinos oder Supermärke zu reflektieren, positive Wünsche zu artikulieren. »Hranc – Am Limit? Theater im öffentlichen Raum« gastiert mit Straßenperformances in Znojmo/Znaim auf dem Horni Namesti (Fr. 7. Juli, 16:00 Uhr), in Laa an der Thaya auf dem Stadtplatz (Sa. 8. Juli, 15:30 Uhr) und am Hollabrunner Hauptplatz (So 9. Juli, 15:00 Uhr).
Theater im öffentlichen Raum macht auch die Gruppe »Mischpucha«, die Geschichte an diversen Grenzorten bewusst macht. Und zwar in Lizzy Mayrls »Grenzgang – Eine performative Wanderung«, die mit einer Zugfahrt von Retz nach Šatov/Schattau, von wo 1945 Juden nach Theresienstadt deportiert wurden, beginnt. Die Wanderer treffen u. a. auf eine Familie, der die Grenzüberschreitung untersagt ist, und entlang des »Iron Curtain Trails«, eines Fahrradwegs durch Europa entlang der ehemals gesperrten Zone, in dessen Mitte die Staatsgrenze verläuft, werden installative Interventionen gestreut (Unterretzbach, Sa. 5. August, 11:00-19:00 Uhr).
Nicht zum Viertelfestival NÖ gehört die Exhibition »Performing the border«. Darin zeigt der Kunstraum Niederösterreich noch bis 22. Juli »Szenarien, in welchen die zweifelhaften Kategorien des Eigenen und des Fremden für die BetrachterInnen sichtbar und erfahrbar gemacht werden können. Dabei begreifen sie das komplexe Feld nationaler, ethnischer, sozialer, digitaler und sexueller Identität als einen Experimentierraum«. So die KuratorInnen Jana J. Haeckel und Petra Poelzl. Arbeiten u. a. von Monira Al Qadiri, Halil Altindere, Francis Alÿs, Khaled Jarrar, Leon Kahane, Martin Krenn/Oliver Ressler, Eva Leitolf, Hana Miletić, Anahita Razmi, Christoph Schlingensief/Paul Poet und Hito Steyerl zeigen Grenzen als eine bildgeprägte, massenmediale, korrumpierte Erlebniszone oder territoriale Grenzlinien als Ort globaler Migration, mit allzu oft nationaler Ex- statt Inklusion. Eine Grenzlinie kann Metapher sein, aber auch absolut menschenverachtend.