»Du bist der Dritte«, lacht Susanna Gartmayer, als ich sie auf meine »Bolero«-Assoziation anspreche. Mich beschlichen diese Gedanken bereits beim ersten Abhören von Track #2, »Bus Train Bus«, dem ich eine »schleppend-schön-erotische Rhythmik« zuschreibe, was Gartmayer nicht unpassend findet. Die Bassklarinettistin bildet gemeinsam mit dem Elektroniker Stefan Schneider das Duo So Sner. Am 18. Oktober ist ihr zweites Album erschienen: »The Well«.
Wie ein Tag am Meer
Schneiders feingliedrige, repetitiv-perkussive Töne eröffnen den Liederreigen zu Beginn des, sinnigerweise, »That Welcome« geheißenen Stückes. Im Verein mit einem klagenden Ton aus der Synthese setzt die Bassklarinette zunächst überblasen ein: Wir wähnen uns an einem einsamen Meeresstrand. Möwen lachen, metallene Röhren eines Windspiels geben Laut an diesem flautigen, nebelverhangenen Wintertag. Das Windspiel hängt vergessen vor den fest verschlossenen Luken einer Strandbar. Dann begleiten wir das Duo auf einer zwei Jahre dauernden Reise. Schneider und Gartmayer haben die Stücke – oder deren Bestandteile – in unterschiedlichen Räumen aufgenommen, etwa im Kino Armata in Priština (Kosovo), im Echoraum und in mehreren Studios. End-abgemischt und gemastered wurde es in Wien bei und von Martin Siewert.
Das Live-Spiel des Duos hatte erheblichen Einfluss auf die Studioarbeit, es wurden jedoch keine Live-Tracks mit eingearbeitet. »The Well« fängt den authentischen Akt der Erkundung neuer Territorien ein und dient als Speicherort für die Zeit und den Raum, die das Duo miteinander geteilt hat, indem es Erfahrungen von gemeinsamen Auftritten und Reisen neu filtert.« Die dritte Station führt uns ins »Orientalische«, das wir durchaus auch auf dem Balkan verorten können. Gartmayer bestätigt, dass die Bassklarinette sich sehr gut eignet, um Klänge zu erzeugen, die solche Assoziationen provozieren. Insgesamt wirken die Stücke durchaus introspektiv, was wieder einmal bestätigt, dass wir nicht immer nur durch die Geografie reisen, sondern auch durch Geschichte, Naturkunde, Psychologie …Wie atmen wir in einem Ferkelstall?
Orientalische Klänge
Die Fahrt wird fortgesetzt, bis es in »Pugs Lament« fröhlich-melancholisch (ein Paradoxon? Ich denke: nein) zugeht und wir uns auf einen lebendigen Basar (OK, Balkan, könnte aber auch in Marokko sein) versetzt fühlen. Tatsächlich ist das Stück »Klage des Mopses« in eher spontanen Sessions in drei verschiedenen Wiener Räumen und mit mehreren Klarinetten-Overdubs entstanden. »Golden Numbers« wirkt beruhigend und meditativ. Über einem sparsam gesetzten Groove und wohlklingenden Akkordflächen wird eine einprägsame Melodielinie, man könnte sagen: »eine hitverdächtige Hookline«, wiederholt, zerlegt, variiert. Hier fällt noch einmal auf, dass die Elektronik wie ebensolche klingt und nicht versucht, »echte« Instrumente möglichst getreu nachzubilden, womit sie ihre eigene Echtheit eindrucksvoll unter Beweis stellt.
Gartmayer (die viele von den montäglichen Sessions im Wiener Celeste her kennen) spielt seit zwanzig Jahren Bassklarinette. Bevor sie sich für das dunkel und oft mystisch klingende Instrument entschied, war sie mit dem Altsaxophon zugange. Der aus Düsseldorf stammende Stefan Schneider soliert unter dem Antonym Mapstation und ist eine bekannte Figur in der Szene. So Sner konzertieren am 14. November 2024 beim De/semble Festival im Reaktor. Beginn ist 21:20 Uhr.