»Anne at 13,000 ft« © Kazik Radwanski
»Anne at 13,000 ft« © Kazik Radwanski

Eine Frau im freien Fall

Der kanadische Regisseur Kazik Radwanski zeigt den eindrücklichen Film »Anne at 13,000 ft« über eine Phase im Leben der Kindergärtnerin Anne. Es ist vor allem die Schauspielerin Deragh Campbell, die diesen Film so sehenswert macht.

Die Kindergärtnerin Anne ist Ende 20 und lebt in Toronto. Bei den Kindern ist sie beliebt und auch sonst wirkt sie sehr lebendig und fröhlich. Sie ist ein Mensch, dessen positive Art einen ansteckt, von dem man gemocht werden will. Eine Person, die viel gibt und bei der man auch schnell übersieht, dass nicht immer alles stimmt. Doch die Kamera nimmt jedes Detail auf. Wie Anne begeistert ist, wie ihr Gesicht seine Farbe verändert, rot wird, wenn sie aufgeregt ist usw. Dabei hält die Kamera auch fest, wie ihre Stimmung kippt. Und noch bevor das passiert, kommt man ins Grübeln. Denn so eine Euphorie, wie sie Anne auch beim Fallschirmspringen künstlich erzeugt, macht auf Dauer nachdenklich.

»Anne at 13,000 ft« © Kazik Radwanski

Und im nächsten Moment kippt sie wirklich. Dann hat Anne keine Kontrolle mehr über sich, kann keine Verantwortung mehr für die Kinder übernehmen, braucht Hilfe von ihrer besten Freundin, deren schier unendliche Geduld und Energie sie irgendwann auch aufbraucht. Die Kamera fängt alles ein, die Zuschauer*innen sind ganz nah dran, sind stille Beobachter*innen und sehen auch frühe Anzeichen der Schwierigkeiten von Anne, wie unangemessene Scherze, Uneinsichtigkeit, Überforderung. Sie scheint zurückzufallen in ein kindliches Verhalten, von dem sich zu lösen sie noch nicht bereit ist. Es wirkt, als habe sie ein großes Problem, doch was genau das ist, bleibt unklar. Einzig klar ist, was die Kamera einfängt, und das ist vor allem ihr Gesicht, ihre Mimik und Gestik. Das Gesicht ist eigentlich der Protagonist des Films, und alles was man weiß, ist darin zu finden.

»Anne at 13,000 ft« © Kazik Radwanski

Vieles weiß man nicht über Anne und das meiste ist nur zu erahnen. Und da geht es einem genau wie ihren Mitmenschen, die ihr Verhalten nicht deuten können. Ihre Mutter, ihre Freundin, ihre Vorgesetzten sehen auch nur, was ihr Gesicht ihnen mitteilt und sind überfragt. Es bleibt unbeantwortet, ob sich der Fallschirm öffnet, oder sie weiter fällt. Ein kurzweiliger, eindrücklicher Independent-Film mit einer Hauptdarstellerin, der zuzusehen man gar nicht aufhören möchte.

Link: https://www.berlinale.de/de/programm/programm/detail.html?film_id=202003753

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